Rz. 17
Der Gesetzgeber will mit der Pfändungsschutzbestimmung der Nr. 4 solche Versicherungen erfassen, die dazu dienen, beim Tode des Versicherungsnehmers anfallende Ausgaben, vor allem Bestattungskosten, abzudecken (sog. Todesfallversicherungen; vgl. auch Rz. 20). Damit erfasst die Vorschrift insbesondere sogenannte Sterbegeldversicherungen, welche die eigenen Beerdigungskosten des Versicherten abdecken sollen, aber zugunsten eines Angehörigen abgeschlossen werden. Die Todesfallversicherungen fallen deshalb auch nicht in die Insolvenzmasse.
Durch die Norm werden öffentliche oder private Bezüge aus den genannten Kassen erfassten, wenn sie ganz oder zu einem wesentlichen Teil der Unterstützung des Schuldners dienen (BGH, NJW 1988, 2670 = BGHZ 104, 309 = ZIP 1988, 897 = WM 1988, 1119 = MDR 1988, 938 = Rpfleger 1988, 491 = VuR 1988, 269 = DB 1988, 2145 = AnwBl 1988, 589; Stein/Jonas/Brehm, § 850b Rn. 19). Gesetzliche Sozialleistungen (z. B. AOK) genießen den Pfändungsschutz nach § 54 SGB I (OLG Köln, Rpfleger 1990, 130). Unter die Norm fallen auch Bezüge aus – nicht gesetzlichen (vgl. § 54 SGB I) – Krankenkassen (Krankenhaustagegeld; OLG Oldenburg, Rpfleger 1983, 33), ebenso einmalige Leistungen der Krankenkasse (LG Lübeck, Rpfleger 1993, 207), Bezüge aus einer Hilfskasse (Einkommensersatzleistungen gemäß Satzung eines Versorgungswerk; vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 30.10.2012 – 17 E 768/12 –, juris), sofern sie ausschließlich oder zu einem wesentlichen Teil zu Unterstützungszwecken gewährt werden.Gleiches gilt auch bei einmaligen Ansprüchen des Schuldners gegen einen privaten Krankenversicherungsträger, die auf Erstattung der Kosten für ärztliche Behandlungsmaßnahmen im Krankheitsfall gerichtet sind (BGH, DB 2014, 594 = VersR 2014, 452 = ZIP 2014, 688 = MDR 2014, 470 = WM 2014, 748 = RuS 2014, 183 = FamRZ 2014, 752 = NZI 2014, 369 = ZInsO 2014, 833 = ZVI 2014, 197 = NJW-RR 2014, 683; BGH, Vollstreckung effektiv 2007, 166 = Rpfleger 2007, 557 = DGVZ 2007, 137 = MDR 2007, 1219 = WM 2007, 2017 = ZVI 2007, 521 = NJW-RR 2007, 1510 = BGHReport 2007, 1150 = KKZ 2008, 209; LG Dortmund, Versicherung und Recht kompakt 2012, 80 = RuS 2012, 248; AG Kiel, ZInsO 2012, 226; OLG Frankfurt VersR 2013, 990; LG Köln VersR 2013, 1389; LG Dortmund r+s 2012, 248; Senger/Finke, ZInsO 2012, 997, 1000; a. A. LG Köln NJW-RR 2004, 552). Ebenso greift die Norm bei privaten Pflegeversicherungen bei unpfändbaren Ansprüchen auf Pflegegeld und auf Ersatz von Krankheitskosten (SG Hamburg, Versicherung und Recht kompakt 2012, 206 = VuR 2014, 35).
Quartalsmäßig gezahlte freiwillige Bonusleistungen der Krankenkasse an den Bezieher von Arbeitslosengeld II für gesundheitsbewusstes Verhalten sind hingegen pfändbar (AG Hanau, ZVI 2007, 368).
Gleiches gilt für Ansprüche aus einer privaten Rentenversicherung, nicht aber der an die Stelle des Rentenanspruchs tretende Anspruch auf Kapitalabfindung (LG Dortmund, ZInsO 2007, 1357), ebenso nicht Ansprüche auf die nach dem Tod des Berechtigten noch ausstehenden Leistungen (KG, OLGZ 1985, 86). Ggü. dem Anspruch des Versicherungsnehmers auf Ersatz von Krankheitskosten kann der Krankenversicherer nicht mit einem ihm nach seiner Meinung zustehenden Rückforderungsanspruch aufrechnen (LG Köln, NJW 2004, 1341). Der Anspruch auf Erstattung der Kosten ärztlicher Behandlung fällt im Insolvenzverfahren in die Ist-Masse (LG Köln, NJW-RR 2004, 552 m. w. N.; a. A. MünchKomm/InsO-Peters, § 36 Rn. 40; Braun/Bäuerle, InsO § 36 Rn. 11).
Rz. 18
Die Pfändung einer zu Unterstützungszwecken gewährten Witwenrente entspr. nur der Billigkeit, wenn sich einerseits der Gläubiger in einer besonderen Notlage befindet und es sich andererseits um größere Bezüge des Schuldners handelt (OLG Celle, MDR 1999, 1087).
Rz. 19
Kapitallebensversicherungen, deren Versicherungssummen in einem Betrag ausgezahlt werden, werden von der Vorschrift nicht erfasst. Diese sind unbeschränkt pfändbar (BGH, NJW 2002, 755 = ZIP 2002, 226 = WM 2002, 279 = BGHReport 2002, 258 = MDR 2002, 477 = Rpfleger 2002, 272 = KTS 2002, 323 = KKZ 2002, 151 = ZBB 2002, 118). Denn der Pfändungsschutz erfasst grds. lediglich das Arbeitseinkommen und bestimmte gleichgestellte fortlaufende Bezüge des Vollstreckungsschuldners, nicht aber auch Einkommen u. a. aus Kapitalvermögen.
Diese Regelung ist vom Gesetzgeber gewollt und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. i.E. BFH, BFH/NV 1999, 443). Rechte aus einer Kapitalversicherung über mehr als 3.579,00 EUR, die zur Versorgung des Arbeitnehmers und seiner Hinterbliebenen eingegangen wurden, sind voll pfändbar; dies gilt auch für eine von der Rentenversicherungspflicht befreiende Kapitallebensversicherung (BFH, NJW 1992, 527; VG Arnsberg, VersR 1969, 920). Volle Pfändbarkeit besteht darüber hinaus, wenn nicht die Rentenleistungen, sondern der Rückkaufwert aus einer Kapitallebensversicherung geltend gemacht wird (OLG Brandenburg, InVo 2003, 183).
Rz. 20
Todesfalllebensversicherungen bis zu einem Betrag von 3.579 EUR wer...