Rz. 21a
Die Pfändung hat nach den für Arbeitseinkommen geltenden Vorschriften zu erfolgen. Dem Schuldner müssen daher pfandfreie Beträge nach Maßgabe des § 850c bzw. § 850d ZPO (bei Vollstreckung gesetztlicher Unterhaltsansprüchen), ggf. auch nur nach § 850f Abs. 2 ZPO, belassen werden (Zöller/Herget, § 850b ZPO, Rn. 16)
Rz. 22
Erforderlich ist zunächst ein Antrag des Gläubigers, der auf die Pfändung einer der in Nr. 1 bis 4 genannten Bezüge gerichtet ist. Im Antrag sind die Tatsachen schlüssig darzulegen und notfalls zu beweisen, die die Voraussetzungen des Abs. 2 erfüllen. Dabei genügt nicht lediglich die Angabe des Gesetzestextes. Was im Einzelnen zur Billigkeit der Pfändung darzulegen ist, ergibt sich aus den Umständen des Einzelfalls. Die Anforderungen an den Vortrag sind auch nicht zu überspannen (Zöller/Herget, § 850b Rn. 12 bis 15).
Rz. 23
Die in der Norm aufgeführten Bezüge sind solange relativ unpfändbar, solange eine Pfändbarkeit durch das Gericht (Rechtspfleger, § 20 Nr. 17 RPflG) nicht angeordnet wurde.
Rz. 24
Voraussetzung einer solchen – konstitutiven (BGH, NJW 1970, 282 = MDR 1970, 128 = WM 1969, 1492) – Anordnung sind:
- Antrag des Gläubigers,
- unvollständige Gläubigerbefriedigung (OLG Celle, InVo 1999, 289),
- Billigkeit der Pfändung.
Rz. 25
Die Voraussetzungen des Abs. 2 sind gegeben, wenn eine Vollstreckung in das sonstige bewegliche Vermögen nicht zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers führt bzw. voraussichtlich geführt hätte, wobei der Nachweis einer erfolglosen Pfändung weder die Abgabe einer Vermögensauskunft voraussetzt, noch wird dieser Nachweis durch eine Vermögensauskunft erbracht. Der BGH (NJW 2007, 2450) lässt ausdrücklich offen, ob allein mit dem Hinweis auf die Abgabe der Vermögensauskunft die Aussichtslosigkeit der Vollstreckung in das sonstige bewegliche Vermögen nachgewiesen ist (LG Meiningen, 18.7.2007 – 4 T 164/07 – Juris).
Rz. 26
Die Aufzählung ist nicht abschließend ("insbesondere"). Nur wenn positiv feststeht, dass zusätzlich diese besonderen Voraussetzungen für die Pfändung vorliegen, darf die Pfändung der grds. unpfändbaren Bezüge zugelassen werden (BGH, Vollstreckung effektiv 2005, 127 = WM 2005, 1185 = NJW-RR 2005, 869 = FamRZ 2005, 1083 = JurBüro 2005, 381 = Rpfleger 2005, 446 = MDR 2005, 1015; a. A. LG Düsseldorf, JurBüro 2003, 655; LG Karlsruhe, JurBüro 2003, 656 = InVo 2004, 198; BGH, NJW 2004, 2450; Rpfleger 1998, 254 = FamRZ 1998, 608 = JuS 1998, 649; OLG Schleswig, Rpfleger 2002, 87). I.R.d. Billigkeitsprüfung ist zum einen mitentscheidend, aus welchem Anspruch heraus die Forderung resultiert. Zum anderen spielt die Höhe der Einkünfte eine entscheidende Rolle. Es müssen demnach besondere Umstände die Pfändung rechtfertigen. Diese können sich z. B. aus einer Deliktsforderung ergeben (OLG Hamm, Rpfleger 2002, 162; OLG Schleswig, Rpfleger 2002, 87).
Entspricht dies der Billigkeit, vermag der Schuldner wegen eigener Forderungen auch den gegen ihn gerichteten Anspruch des Gläubigers auf Zahlung von Unterhaltsrückständen zu pfänden (LG Kassel, JurBüro 2005, 439). Die Pfändung der Ansprüche des Schuldners auf Erstattung der Kosten für künftige ärztliche Behandlungsmaßnahmen gegen einen Krankenversicherer kommt aufgrund von Billigkeitserwägungen nach Abs. 2 grds. nicht in Betracht (BGH, Vollstreckung effektiv 2007, 166 = Rpfleger 2007, 557 = DGVZ 2007, 137 = MDR 2007, 1219 = VersR 2007, 1435 = WM 2007, 2017 = ZVI 2007, 521 = NJW-RR 2007, 1510 = BGHReport 2007, 1150 = InVo 2007, 509 = WuB VI D § 850b ZPO 1.08 = KKZ 2008, 209).
Rz. 27
Die Pfändung einer Witwenrente ist unbillig, wenn die Forderung des Gläubigers verhältnismäßig gering ist und der Schuldner für sich und seine minderjährigen Kinder ergänzender Hilfe zum Lebensunterhalt bedarf (OLG Celle, MDR 1999, 1087; zur Billigkeitsprüfung beim Taschengeldanspruch vgl. Rz. 14). Maßgeblich bei der vom Gericht zu treffenden Ermessensentscheidung sind somit stets die konkreten Umstände des Einzelfalles, die der Gläubiger in seinem Antrag darzulegen hat. Pauschalierungen sind daher unzulässig. Insbes. hat der Gläubiger die erfolglose Vollstreckung glaubhaft zu machen bzw. dass eine solche nicht erfolgversprechend ist. Letzteres ist z. B. dann gegeben, wenn der zuständige Gerichtsvollzieher bereits für andere Gläubiger gg. denselben Schuldner vollstreckt hat, was durch Unpfändbarkeitsbescheinigung gem. § 32 GVGA nachgewiesen werden kann.
Diese darf allerdings nicht älter als 6 Monate sein (LG Berlin, ZVI 2003, 72; LG Hamburg, DGVZ 2002, 124). Eine Vollstreckung verspricht auch dann keinen Erfolg, wenn gg. den Schuldner wg. eines anderen Gläubigers im Schuldnerverzeichnis bereits ein Haftbefehl eingetragen wurde (str., OLG Oldenburg, JurBüro 2004, 157; AG Bochum, DGVZ 2000, 141; LG Braunschweig, Rpfleger 1998, 77; vgl. Goebel/Goebel, § 2 Rn. 19 m. w. N.).