9.1.1 Gläubigerantrag
Rz. 22
Die (teilweise) Außerachtlassung einer unterhaltsberechtigten Person erfordert zwingend einen Antrag des Gläubigers. Fehlt ein solcher, werden unterhaltsberechtigte Angehörige bei der Ermittlung der abzuführenden Beträge bei der Anwendung der Lohnpfändungstabelle mitberücksichtigt. Dies gilt selbst dann, wenn das Einkommen des Mitverdieners das des Schuldners übersteigt (BGH, WM 2011, 2372 = ZInsO 2012, 30 = ZIP 2012, 95 = MDR 2012, 123 = NJW 2012, 393 = FamRZ 2012, 216 = ZVI 2012, 15 = Rpfleger 2012, 222. = NJW-Spezial 2012, 54–55 = Verbraucherinsolvenz aktuell 2012, 12 = Vollstreckung effektiv 2012, 39 = FoVo 2012, 114) oder berufstätige Lebenspartner gesamtschuldnerisch haften.
9.1.2 Zeitpunkt der Antragstellung
9.1.2.1 Gleichzeitige Antragstellung
Rz. 23
Verlangt der Gläubiger direkt mit dem Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses die (teilweise) Nichtberücksichtigung eines Unterhaltsberechtigten, so muss er dies im amtlichen Formular wegen gewöhnlicher Geldforderungen (im amtlichen Formular wegen gesetzlicher Unterhaltsforderungen gem. § 2 Nr. 2 ZVFV gibt es keine Möglichkeit zur Antragstellung nach § 850c Abs. 6 ZPO) auf Seite 1 beantragen. Auf Seite 7 des amtlichen Formulars muss der Gläubiger zusätzlich genauere Angaben zu der vom Vollstreckungsgericht vorzunehmenden Anordnung darüber machen
- welche und ob die Person(en) ganz oder teilweise unberücksichtigt bleiben soll,
- welche ungefähre Höhe das eigene Einkommen der Person(en) hat,
- welcher Art das eigene Einkommen der Person(en) ist.
Soweit derzeit noch im amtlichen Formular zum Antrag auf Erlass eines PfÜB wegen gewöhnlicher Geldforderungen gemäß § 2 Nr. 1 ZVFV auf § 850c Abs. 4 ZPO verwiesen wird, muss das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats das amtliche Formular entsprechend ändern. Soweit dies nicht geschehen ist, ist der Gläubiger berechtigt im Formular Streichungen, Berichtigungen bzw. Ergänzungen vorzunehmen (BGH Vollstreckung effektiv 2014, 59 = WM 2014, 512 = Rpfleger 2014, 272 = DGVZ 2014, 121).
9.1.2.2 Nachträgliche Antragstellung
Rz. 24
Stellt der Gläubiger erst nach Erlass des Pfändungsbeschlusses den Antrag – weil er erst später an Informationen gelangt – (sog. Nachtragsverfahren), hat eine Anhörung des Schuldners zu erfolgen (arg. ex § 834 ZPO). Bestreitet der Schuldner hierbei die Angaben des Gläubigers, so hat dieser Beweis anzutreten. Eine Ausnahme gilt, wenn der Schuldner sich im Anhörungsverfahren nicht äußert. Das Schweigen des Schuldners ist dann als Zustimmung zum Gläubigerantrag zu werten (LG Münster, JurBüro 1990, 1363; LG Dortmund, 5.12.1989, 9 T 692/89; 8.3.1990, 9 T 128/90 n. v.; LG Lübeck, Beschluss v. 28.1.2010, 7 T 586/09 – Juris).
9.1.3 Eigene Einkünfte des Unterhaltsberechtigten
Rz. 25
Der Gläubiger hat schlüssig und substantiiert vorzutragen, welche eigenen Einkünfte die unterhaltsberechtigte Person hat (LG Duisburg, Beschluss v. 24.8.12, 7 T 101/12 – Juris). Allgemeine Hinweise bspw. auf die Unterhaltsberechtigung des Kindes gegenüber dem Kindesvater genügen diesen Anforderungen nicht.
Schon nach ihrem Wortlaut erfasst die Vorschrift des § 850c Abs. 6 ZPO alle Arten von Einkünften (BGH, Vollstreckung effektiv 2015, 112 = FoVo 2015, 157 = Rpfleger 2015, 656). Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass bestimmte Einkünfte von vornherein außer Betracht gelassen werden sollen. Es ist daher zu prüfen, ob die eigenen Einkünfte des Unterhaltsberechtigten dazu führen, dass dem Schuldner insoweit kein eigenes Einkommen verbleiben muss, weil der Bedarf des Unterhaltsberechtigten anderweitig gedeckt ist (BGH, NZI 2020, 274 = InsbürO 2020, 168 = Rpfleger 2020, 355 = DGVZ 2020, 176). Nach der amtlichen Begründung des Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung der Pfändungsfreigrenzen vom 28.2.1978 (BGBl. I S. 333) will die Regelung die Berücksichtigung des Unterhaltsberechtigten, der eigene Einkünfte bezieht, flexibel gestalten. Die Vorschrift soll dem Gericht bei seiner Ermessensentscheidung genügend Raum lassen, um den Umständen des Einzelfalles Rechnung zu tragen (BT-Drucks. 8/693 S. 49). Der Gläubiger hat schlüssig und substantiiert vorzutragen, welche eigenen Einkünfte die unterhaltsberechtigte Person hat (LG Duisburg, Beschluss v. 24.8.2012, 7 T 101/12 – Juris). Allgemeine Hinweise, bspw. auf die Unterhaltsberechtigung des Kindes gegenüber dem Kindesvater, genügen diesen Anforderungen nicht. Wegfall unterhaltsberechtigter Personen Vermögensauskunft. Um das eigene Einkommen des Unterhaltsberechtigten darzulegen, reicht es aus, dass z. B. auf die Angaben einer bereits abgegebenen Vermögensauskunft verwiesen wird (vgl. LG Wuppertal, JurBüro 2008, 270 bei Einkommen zwischen 120,00 EUR u. 150,00 EUR). In diesem Zusammenhang hat der BGH (Vollstreckung effektiv 2004, 169 = WM 2004, 1593 = FamRZ 2004, 1369 = BGHReport 2004, 1316 = NJW 2004, 2979 = Rpfleger 2004, 575 = DGVZ 2004, 136 = MDR 2004, 1141 = JurBüro 2004, 556) entschieden, dass bei der Aufstellung des Vermögensverzeichnisses und Abgabe der eidesstattlichen Versicherung der Schuldner Angaben zu den Einkünften der Unterhaltsberechtigten je...