Rz. 31
Über die Herabsetzung des unpfändbaren Betrages entscheidet auf zwingenden Antrag des Gläubigers das Vollstreckungsgericht (Rpfleger, § 20 Nr. 17 RPflG). Der Antrag kann zugleich mit dem Pfändungsgesuch eingereicht werden. Der Schuldner ist in diesem Fall nicht anzuhören (§ 834 ZPO; OLG Koblenz, MDR 1975, 939; LG Bochum, Rpfleger 1997, 395; a. A. OLG Hamm, NJW 1973, 1332). Eine Ausnahme besteht, wenn der Gläubiger dies beantragt (OLG Celle, MDR 1972, 958; LG Mannheim, JurBüro 1984, 299). Bei nachträglicher Antragstellung hat eine Anhörung zu erfolgen (vgl. Art. 103 GG). Das Vollstreckungsgericht hat nach pflichtgemäßem Ermessen ("kann") und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen des Gläubigers und Schuldners den der Pfändung zusätzlich unterliegenden Teil des Arbeitseinkommens zu bestimmen.
Rz. 32
Bei der Entscheidung spielen der Unrechtsgehalt, Begehungsart der unerlaubten Handlung, Schaden des Gläubigers, Vorteile, die der Schuldner erlangt hat, eine Rolle (Musielak/Voit/Flockenhaus, § 850f Rn. 11). Hingegen ist es nicht Aufgabe des Vollstreckungsgerichts, auch über das Vorliegen eines Anspruchs aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung zu entscheiden. Bei der Prüfung, ob der Gläubiger aus einem in der Zwangsvollstreckung privilegierten Anspruch vorgeht, ist das Gericht vielmehr an die Auffassung des Prozessgerichts gebunden. Allein dies wird der Aufgabenverteilung zw. Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren gerecht (BGHZ 152, 166 = NJW 2003, 515 = WM 2002, 2385 = BB 2002, 2468 = ZVI 2002, 420 = BGHReport 2003, 48 = ZInsO 2002, 1183 = Rpfleger 2003, 91= InVo 2003, 70 = MDR 2003, 290 = KTS 2003, 263 = VersR 2003, 620 = JurBüro 2003, 436), nach der die materiell-rechtliche Beurteilung des geltend gemachten Anspruchs dem Prozessgericht obliegt, während die Vollstreckungsorgane die formellen Voraussetzungen prüfen, von denen die Durchsetzung des vollstreckbaren Anspruchs abhängt.
Rz. 33
Um den Nachweis für die Vollstreckungsprivilegierung zu erbringen, muss der Gläubiger dem Vollstreckungsgericht einen Titel vorlegen, aus dem sich – gegebenenfalls im Wege der Auslegung – der deliktische Schuldgrund und der von § 850f Abs. 2 ZPO vorausgesetzte Grad des Verschuldens ergeben; eine davon abweichende Beurteilung ist dem Vollstreckungsgericht versagt (zum Vollstreckungsbescheid BGH, Vollstreckung effektiv 2005, 97; vgl. auch Rz. 33). Wenn der vorgelegte Titel im Tenor die Feststellung enthält (i. d. R. ein Urteil), dass der Beklagte die Forderung aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung schuldet, bindet diese Feststellung das Vollstreckungsgericht (BGH, Vollstreckung effektiv 2011, 101 = FamRZ 2011, 970 = FoVo 2011, 134 = NJW 2011, 3106 = JurBüro 2011, 435 = Rpfleger 2011, 448 = NJW-RR 2011, 791 = MDR 2011, 690 = WM 2011, 944; LG Verden, NdsRpfl 2010, 31; vgl. Ahrens, NJW 2003, 1371). Dies kann sich z. B. auch aus der Vorlage eines vollstreckbaren Auszugs aus der Insolvenztabelle ergeben (BGH, ZInsO 2020, 892 = NZI 2020, 438 =JurBüro 2020, 384; BGH, Rpfleger 2020, 37 = Vollstreckung effektiv 2019, 205; LG Essen, ZInsO 2017, 2065; LG Düsseldorf, JurBüro 2008, 661; LG Heilbronn, Rpfleger 2005, 98; LG Lübeck, NZI 2018, 609; a. A. LG Hildesheim, ZVI 2019, 458; LG Koblenz, NZI 2018, 569; AG Köln, ZInsO 2017, 109; AG Münster, InsbürO 2017, 519; BGH, ZVI 2020, 176 = NZG 2020, 639 = InsbürO 2020, 267 = BauR 2020, 1201 = JurBüro 2020, 384); eine davon abweichende Beurteilung ist dem Vollstreckungsgericht versagt (BGH, NJW 2005, 1663 = Vollstreckung effektiv 2005, 97 = ZInsO 2005, 538 = FamRZ 2005, 974 = Rpfleger 2005, 370 = ZVI 2005, 253 = WM 2005, 1326 = VuR 2005, 225 = InVo 2005, 326 = JurBüro 2005, 437 = MDR 2005, 1014 = JZ 2006, 423 = NZI 2006, 123). Hat sich das Prozessgericht in dem vom Gläubiger beigebrachten Titel mit dem Vorliegen eines Anspruchs aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nicht oder nicht ausdrücklich befasst, begründet auch dies keine Prüfungskompetenz des Vollstreckungsgerichts, die materiell-rechtlichen Fragen zum Gegenstand hätte. Das Vollstreckungsverfahren ist seinem Wesen nach auf raschen Zugriff und nicht auf Verhandlung ausgelegt. Es ist nicht kontradiktorisch ausgestaltet und bietet deshalb für die Prüfung materiell-rechtlicher Ansprüche regelmäßig eine geringere Richtigkeitsgewähr als das Erkenntnisverfahren (BGH, BGHZ 109, 275 = NJW 1990, 834 = WM 1990, 569 = MDR 1990, 317 = Rpfleger 1990, 246). Wäre dem Vollstreckungsgericht die Beurteilung überlassen, ob der Vollstreckungstitel (auch) auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruht, müsste es sich unter Umständen auf Vorbringen und Beweismittel stützen, die nicht Gegenstand des Erkenntnisverfahrens waren. Damit würden die Grenzen zw. den beiden Verfahrensarten und zugleich die Aufgabenverteilung zw. Richter und Rechtspfleger unzulässig verschoben (BGHZ 109, 275 = NJW 1990, 834 = WM 1990, 569 = MDR 1990, 317 = Rpfleger 1990, 246). Vielmehr muss der Gläubiger die Privilegierung seines Anspruches im Weg...