Rz. 5
Als geänderte "Voraussetzungen für die Bemessung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens" i. S. d. § 850g Satz 1 ZPO kommen in erster Linie tatsächliche Veränderungen in Betracht. Beispiele hierfür sind die Geburt (KG Berlin, FamRZ 2018, 687) oder der Tod eines Unterhaltsberechtigten, der Wegfall der Unterhaltsbedürftigkeit eines Anspruchsberechtigten oder Erhöhungen/Minderungen des Arbeitseinkommens (BGH, NJW 2005, 830 m. w. N. = FamRZ 2005, 198 = NJW-RR 2005, 222 = BGHReport 2005, 333 = Rpfleger 2005, 149 = JurBüro 2005, 161 = MDR 2005, 413 = FuR 2005, 180 = KKZ 2005, 260 = ProzRB 2005, 124), Wegfall der wg. Krankheit oder Pflege maßgeblichen Umstände, die den Pfändungsfreibetrag erhöht haben (AG Frankfurt, 15.10.1997 – 83 M 4664/97 – juris), Wegfall der zeitlich ersten Pfändung eines nachrangigen Unterhaltsgläubigers durch Pfändung eines vorrangigen Unterhaltsgläubigers (Mock, Vollstreckung effektiv 2001, 2 m. w. N.). Auch die Änderung eines Gesetzes, das keine Übergangsvorschriften enthält, ist als Grund für die Abänderung des pfändungsfreien Betrages anerkannt. Dasselbe gilt für die verfassungskonforme Auslegung einer Rechtsvorschrift durch das BVerfG, weil dies mit einer Gesetzesänderung vergleichbar ist (BGH, NJW 1990, 3020 zu § 323 ZPO = FamRZ 1990, 1091). In entsprechender Anwendung der Norm ist – bei der Unterhaltsvollstreckung – ein Abänderungsgrund auch dann gegeben, wenn sich infolge einer erstmals möglichen höchstrichterlichen Leitentscheidung die rechtlichen Maßstäbe zur Berechnung des pfändungsfreien Betrages vereinheitlicht und teilweise verändert haben (BGH, NJW 2005, 830 = FamRZ 2005, 198 = NJW-RR 2005, 222 = BGHReport 2005, 333 = Rpfleger 2005, 149 = JurBüro 2005, 161 = MDR 2005, 413 = FuR 2005, 180 = KKZ 2005, 260 = ProzRB 2005, 124; zu der str. Rechtsfrage, ob eine Abänderungsklage gem. § 323 ZPO bei einer Änderung der höchstrichterlichen Rspr. zulässig ist, vgl. BGHZ 148, 368; BGH, FamRZ 2003, 848 = BGHZ 153, 372 = NJW 2003, 1796 = BGHReport 2003, 666 = FPR 2003, 361 = MDR 2003, 876 = FuR 2003, 358; BGH, NJW 2004, 3106 = FamRZ 2004, 1357 = FPR 2004, 579 = MDR 2004, 1300 = BGHReport 2004, 1488 = FuR 2004, 548 für Prozessvergleiche). Dies folgt aus Sinn und Zweck der Regelung (vgl. hierzu Rz. 1). Faktisch ist somit eine neue Rechtslage geschaffen, die Auswirkungen für die betroffenen Beteiligten sind vergleichbar gravierend. Auch im Hinblick auf den durch Art. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG garantierten Schutz des Existenzminimums, das für die Führung eines menschenwürdigen Daseins benötigt wird (vgl. BVerfG, NJW 1999, 561 zum steuerrechtlichen Existenzminimum), ist es geboten, hierin einen Abänderungsgrund i. S. d. Norm anzuerkennen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass der Schuldner durch den staatlichen Pfändungsakt auf unbestimmte Zeit über das von der höchstrichterlichen Rspr. zu konkretisierende Existenzminimum hinaus belastet wird.
Rz. 6
Die Vorschrift kann auch entsprechend in den Fällen angewendet werden, in denen die tatsächlichen Voraussetzungen für den Umfang der Pfändung schon im Pfändungsbeschluss unrichtig angenommen worden waren. Ein solcher Fall liegt vor, wenn die tatsächlichen Umstände, die für die Bemessung des pfandfreien Betrages maßgeblich sind, beim Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses unbekannt waren (LG Mannheim, DAVorm 1987, 820). Wurde dem Schuldner in der Vergangenheit wg. krankheits- und pflegebedingter Mehraufwendungen gem. § 850f Abs. 1 lit. b ZPO ein weiterer unpfändbarer Betrag zugesprochen, ist der Pfändungsbeschluss gem. Satz 1 abzuändern, wenn dem Schuldner Pflegegeld gewährt wird. Pflegegeld stellt zwar kein pfändbares Arbeitseinkommen dar, da es aber der Entlastung von durch die Pflegebedürftigkeit bedingten Mehraufwendungen dient, fällt die Grundlage für die Erhöhung des unpfändbaren Betrages weg (AG Frankfurt am Main, JurBüro 1998, 273).