1 Normzweck

 

Rz. 1

Die Norm dient dem Gläubigerschutz. Es soll verhindert werden, dass durch unlautere Manipulationen das Schuldnereinkommen dem Gläubigerzugriff entzogen wird (BGH, Vollstreckung effektiv 2006, 38 = DStR 2005, 2096 = WM 2005, 2324 = Rpfleger 2006, 25 = ZVI 2005, 587 = BFH/NV 2006, Beilage 1, 94-95 = FamRZ 2006, 37 = ZInsO 2005, 1212 = BGHReport 2006, 131 = NZI 2006, 114 = JurBüro 2006, 97 = HFR 2006, 313 = InVo 2006, 118 = MDR 2006, 352 = WuB VI D § 850h ZPO 1.06 = NJW-RR 2006, 569 = KKZ 2009, 141). Da in der Zwangsvollstreckung nur auf Arbeitseinkommen des Schuldners zugegriffen werden kann, das dieser tats. bezieht, ermöglicht es Abs. 1 davon abweichend unter den dort genannten weiteren Voraussetzungen auch auf Einkommen Zugriff zu nehmen, das tats. einem Dritten zufließt (Lohnverschiebung). Darüber hinaus gilt nach Abs. 2 für Leistungen, die der Schuldner tats. unentgeltlich oder gegen eine unverhältnismäßig geringe Vergütung (zum Begriff vgl. Rz. 17) erbringt, im Verhältnis zum Gläubiger eine angemessene Vergütung (zum Begriff vgl. Rz. 17) als geschuldet (Lohnverschleierung).

2 Lohnverschiebung (Abs. 1)

 

Rz. 2

Bei Abs. 1 handelt es sich um eine den Gläubigerschutz ergänzende Ausnahmebestimmung (BAG, MDR 1996, 1155 = ZIP 1996, 1567 = DB 1996, 2395 = KTS 1996, 584). Zugunsten des Gläubigers wird eine dem Schuldner wg. seines Vertrages mit dem Empfänger der Arbeitsleistung nicht zustehende Gegenforderung fiktiv als ein zu seinem Vermögen gehörender Anspruch behandelt. Die Regelung bezweckt somit, den vom Schuldner erarbeiteten Lohnanspruch seinem Vermögen zuzurechnen. Daher wird der vereinbarte Anspruch des Dritten ignoriert, sodass eine Pfändung gegen den Schuldner möglich ist.

2.1 Anwendungsbereich

 

Rz. 3

Die unmittelbare Anwendung von § 850h Abs. 1 ZPO setzt voraus, dass zw. dem eine Arbeitsleistung erbringenden Schuldner und dem Empfänger der Arbeitsleistung ein Rechtsverhältnis bestehen muss, aufgrund dessen der Empfänger eine Gegenleistung schuldet, die lediglich vertraglich einem Dritten zusteht (BAG, MDR 1996, 1155 = ZIP 1996, 1567 = DB 1996, 2395 = KTS 1996, 584). Die Art des Rechtsverhältnisses ist ohne Bedeutung. Neben einem Arbeitsverhältnis kommt ein Dienstverhältnis oder sogar ein Werkvertrag in Betracht. Benachteiligungsabsicht ist hierbei nicht erforderlich (BGH, NJW 1979, 1600 =  VersR 1979, 542 = DRsp I(147) 184 = MDR 1979, 826 = EBE/BGH 1979, 182; Zimmermann, § 850h Rn. 1). Es ist ausreichend, wenn eine Vergütung nur für gelegentliche – z. B. für Kellnertätigkeiten in der Sommersaison – oder sogar einmalige Leistungen – z. B. für eine Autoüberführung – geschuldet wird (Goebel, Vollstreckung effektiv 2000, 124). Gleiches gilt, wenn der angestellte Geschäftsführer einer Vertriebs-GmbH vertragliche Verpflichtungen seiner Arbeitgeberin ggü. deren Vertragspartner erfüllt, ohne dass er selbst mit dem Vertragspartner ein Schuldverhältnis eingegangen ist (BAG, MDR 1996, 1155 = ZIP 1996, 1567 = DB 1996, 2395 = KTS 1996, 584). Eine Lohnabtretung fällt hingegen nicht unter die Anwendbarkeit der Regelung. Diese kann jedoch durch Anfechtung entspr. des Anfechtungsgesetzes beseitigt werden.

 

Rz. 3a

Die Regelung findet auch im Insolvenzverfahren Anwendung (§ 36 Abs. 1 S. 2 InsO). Die Zuständigkeit für die zu treffenden Entscheidung obliegt während eines Insolvenzverfahrens anstelle des Vollstreckungsgerichts gem. § 36 Abs. 4 Satz 1 und 3 InsO dem Insolvenzgericht als besonderem Vollstreckungsgericht (BGH, WM 2004, 834 = ZVI 2004, 197 = BB 2004, 853 =  ZInsO 2004, 391 = NZI 2004, 278 = DZWIR 2004, 208 = MDR 2004, 766 = BGHReport 2004, 910 = Rpfleger 2004, 436 = InVo 2004, 511; BGH, WuM 2011, 486). Mit dieser Zuständigkeitszuweisung trägt der Gesetzgeber der besonderen Sachnähe des Insolvenzgerichts Rechnung (BGH, ZIP 2007, 2330 = InVo 2008, 16).

2.2 Fälle von Lohnverschiebung

 

Rz. 4

  • der Arbeitgeber überweist den Lohn an den nicht bei ihm beschäftigten Ehegatten oder an sonstigen Dritten;
  • beide Ehegatten arbeiten in demselben Betrieb, der nicht schuldnerische Ehegatte erhält ein wesentlich höheres Einkommen als der Schuldner, obwohl dieser an sich die höher dotierte Stelle hat (Goebel, Vollstreckung effektiv 2000, 124); zugunsten des schuldnerischen Ehegatten wird ein Gesellschaftsverhältnis mit überproportionaler Gewinnausschüttung begründet (Goebel, Vollstreckung effektiv 2000, 124). Nahe liegend sind solche Lohnverschiebungen auch dann, wenn für die Ausübung der Tätigkeit eine bes. Erlaubnis – wie z. B. Gaststättenkonzession, Sprengerlaubnis, Waffen- oder Gewerbeschein oder Zulassung als Rechtsanwalt oder Arzt – notwendig ist und der Schuldner diese nicht mehr erlangen kann. Aus diesem Grund lässt er sich formal unterqualifiziert beschäftigen und dem (untätigen) Ehegatten oder Dritten – mit gültiger Erlaubnis – wird der den unpfändbaren Lohnanteil des Schuldners überschießende Vergütungsanteil zugeschoben (Goebel, Vollstreckung effektiv 2000, 124).

2.3 Pfändung

 

Rz. 5

Das einem Arbeitnehmer oder Dienstleistenden geschuldete Entgelt, das im Einvernehmen mit dem die tatsächlichen Dienste Leistenden a...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Personal Office Platin enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge