Rz. 70

Die Vorbereitung und die anschließende Durchführung der Zwangsvollstreckung für den Gläubiger setzen eine Reihe von Informationen voraus, deren Kenntnis für die erfolgreiche Zwangsvollstreckung zwingend notwendig ist. Es sollen unnötige und eventuell nicht mehr eintreibbare Kosten vermieden und die Zwangsvollstreckung möglichst schnell zu einem wirtschaftlich vertretbaren Erfolg geführt werden. Das ist nicht einfach und setzt gelegentlich eine sehr sorgfältige und oft langwierige Beobachtung des Schuldnerumfeldes voraus.

Neben der bisweilen erforderlichen Geduld ist oft eine akribische Ermittlungsarbeit angesagt. Nur wenn alle Möglichkeiten ausgeschöpft und von überflüssigen, weil erfolglosen Vollstreckungsversuchen Abstand genommen wird, kann die Zwangsvollstreckung erfolgreich sein. In der Praxis wird immer wieder die Beobachtung gemacht, dass Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen werden, deren Aussichtslosigkeit offensichtlich ist. Das führt zu Kosten, die zu Lasten des die Vollstreckung betreibenden Gläubigers gehen. Selbst wenn gerichtliche Kosten der Zwangsvollstreckung dem Schuldner auferlegt sind, kann der Gläubiger von der Justizkasse als Zweitschuldner in Anspruch genommen werden. Auf seinen eigenen Kosten bleibt er in diesen Fällen ohnehin sitzen.

14.1.1 Prüfung des Vorliegens eines wirksamen Vollstreckungstitels und der allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen

 

Rz. 71

1.

Ist der vorliegende Titel wirksam?

2. Ist der Titel vollstreckbar?
  1. Handelt es sich um ein Endurteil? (§ 704 Abs. 1, § 300 ZPO)

    • Ist das Urteil rechtskräftig? (Rechtskraftvermerk, § 706 ZPO)
    • Ist das Urteil für vorläufig vollstreckbar erklärt? (§§ 708ff. ZPO)
    • Ist der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit entbehrlich? (z. B. bei Arrest und einstweiliger Verfügung, §§ 922, 925 Abs. 2, 936 ZPO)
    • Bei der Vollstreckung aus nicht rechtskräftigen Urteilen immer § 717 Abs. 2 ZPO im Auge behalten und Mandanten auf das Risiko hinweisen, bei Arrest und einstweiliger Verfügung auf § 945 ZPO!
  2. Liegt ein sonstiger Titel vor? z. B.:

3.

Ist der Inhalt des Titels vollstreckungsfähig?

  • Handelt es sich um ein Leistungsurteil? (Feststellungs- und Gestaltungsurteile sind lediglich wegen des Kostenanspruchs vollstreckbar.)
  • Ist der Tenor hinreichend bestimmt? (z. B. bei Herausgabetitel konkrete Bezeichnung der Sache; bei Verurteilung zur Vornahme einer Handlung die exakte Beschreibung der vorzunehmenden Handlung.)
  • Sind die Parteien hinreichend bezeichnet? (z. B. bei Minderjährigen der gesetzliche Vertreter im Hinblick auf die Zustellung; bei Gesellschaften der richtige Firmenname und die Bezeichnung des Vertreters, z. B. Geschäftsführer einer GmbH, der auch im Rahmen der Vollstreckung notwendige Erklärungen abgeben können muss.)
4.

Bezeichnet der Titel die im Hinblick auf die in Anspruch genommene Vermögensmasse richtige Partei? z. B.:

  • Bei Nachlass Titel gegen den/die (alle) Erben?
  • Bei Nachlass und angeordneter Testamentsvollstreckung Titel gegen Testamentsvollstrecker?
  • Bei Insolvenz Titel gegen Insolvenzverwalter?
  • Bei BGB-Gesellschaft Titel gegen die Gesellschaft oder gegen alle Gesellschafter?
  • Bei OHG und/oder KG Titel gegen die Gesellschaft?
5. Bedarf der Titel einer Vollstreckungsklausel, und ist diese wirksam erteilt?
  1. Keiner Vollstreckungsklausel bedürfen

    • der Vollstreckungsbescheid (§ 796 Abs. 1 ZPO)
    • der Kostenfestsetzungsbeschluss, der nach § 105 ZPO auf die Ausfertigung des Titels gesetzt ist (§ 795a ZPO)
    • der Arrestbefehl und die einstweilige Verfügung (§§ 929 Abs. 1, 936 ZPO)
    • der Haftbefehl bei der Vermögensauskunft (§ 802g ZPO)
    • der Pfändungsbeschluss als Titel für die Wegnahme des Hypothekenbriefes (§ 830 Abs. 1 Satz 2 ZPO)
    • der Überweisungsbeschluss als Titel für Wegnahme einer Urkunde betreffend die gepfändete Forderung (§ 836 Abs. 3 Satz 2 ZPO)
    • (Beachte: Bei Rechtsnachfolge auf Gläubiger- oder Schuldnerseite bedarf es auch hier der sog. qualifizierten Klausel nach § 727 ZPO; das Klauselerfordernis entfällt daher lediglich bei der sog. einfachen Klausel.)
    • weiterer Ausnahmefall: Vorpfändung (§ 845 ZPO)
  2. Liegt die Klausel vor?

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