Das SGB X vom 18.8.1980 (BGBl. I, S. 1469) tritt am 1.1.1981 in Kraft, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist. Im Ersten Kapitel des SGB X wird das Verwaltungsverfahren geregelt, also die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Sozialverwaltung. Einen Schwerpunkt des bundeseinheitlich geltenden sozialrechtlichen Verwaltungsverfahrensrechts bilden die Regelungen über die Bestandskraft des Verwaltungsaktes in den §§ 39 bis 51 SGB X. §§ 44 bis 49 SGB X über die Aufhebung des Verwaltungsakts sind erstmals anzuwenden, wenn nach dem 31.12.1980 ein Verwaltungsakt aufgehoben wird. Es kommt nicht darauf an, wann der Verwaltungsakt erlassen worden ist. Ausgenommen sind jedoch solche Verwaltungsakte in der Sozialverwaltung, die bereits bestandskräftig waren – gemäß § 77 SGG ist der Verwaltungsakt grundsätzlich für die Beteiligten in der Sache bindend, wenn der gegen den Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt wird – und bei denen auch nach § 1744 RVO in der vor dem 1.1.1981 geltenden Fassung eine neue Prüfung nicht vorgenommen werden konnte (vgl. Art. II § 40).
Im Interesse einer vollständigen Information über die Neuregelungen des Verwaltungsverfahrensrechts werden im folgenden Erläuterungen zu allen Vorschriften des Ersten Kapitels des SGB X gegeben. Es ist aber zu betonen, dass die gesetzlichen Vorschriften z.T. nicht auf die Verwaltungspraxis der Träger der Sozialverwaltung abgestellt sind, sondern weitgehend wortgetreue Übernahmen der Vorschriften des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts des Bundes darstellen, wie es im Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) vom 25.5.1976 (BGBI. I, S. 1253) niedergelegt ist. Für das Verständnis einer Vielzahl von Regelungen des SGB X ist es notwendig, auch auf die Gesetzesmaterialien zum VwVfG und die Erläuterungen zum VwVfG des Bundes zurückzugreifen. Es wird jeweils vor Beginn der Erläuterungen ein Hinweis auf die parallele Regelung des VwVfG gegeben.
Die Erläuterungen zum Ersten Kapitel des SGB X geben erste Anwendungshilfen und verfolgen nicht das Ziel, Sonderprobleme der Verwaltungspraxis der einzelnen Sozialleistungszweige im Hinblick auf das neue Sozialverfahrensrecht abschließend zu klären. Wegen der Vielgestaltigkeit solcher Fragestellungen ist es den einzelnen Sozialleistungszweigen und ihren Verbänden vorbehalten, jeweils in gesonderten Informationen Stellung zu nehmen. Gesonderte Erläuterungen zum Zweiten Kapitel des SGB X sowie zu den in Art. II des SGB X enthaltenen Regelungen bleiben den einzelnen Sozialversicherungszweigen, soweit Bedarf besteht, ebenfalls vorbehalten.
Hier wird nur hingewiesen auf die in Art II enthaltenen "Übergangs- und Schlussvorschriften" zum SGB X sowie "weitere Änderungen von Gesetzen". Es handelt sich dabei nicht nur um die üblichen Anpassungsregelungen von "Sozialverwaltungsgesetzen" an das neue Verfahrensrecht, sondern auch um materiell-rechtliche Neuregelungen insbesondere leistungsrechtlicher Art.
Als für alle Sozialleistungsbereiche (mit Ausnahme der Bundesanstalt für Arbeit) bedeutsame leistungsverfahrensrechtliche Regelung ist die Neufassung des § 93 SGB IV hervorzuheben. Danach haben die Versicherungsämter nunmehr Anträge auf Leistungen aus allen Bereichen der Sozialversicherung (mit Ausnahme der Bundesanstalt für Arbeit) entgegenzunehmen (§ 93 Abs. 2 und 3 SGB IV). Auf Verlangen des Versicherungsträgers haben sie den Sachverhalt aufzuklären, Beweismittel beizufügen, sich, soweit erforderlich, zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern und Unterlagen unverzüglich an den Versicherungsträger weiterzuleiten.
Zuständig ist das Versicherungsamt, in dessen Bezirk der Leistungsberechtigte zur Zeit der Antragstellung seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt oder seinen Beschäftigungsort oder Tätigkeitsort hat. Ist ein solcher Ort im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuchs nicht vorhanden, richtet sich die Zuständigkeit nach dem Ort, in dem zuletzt die Voraussetzungen des § 93 Abs. 3 Satz 1 SGB IV erfüllt waren. Spezialgesetzliche Regelungen bleiben unberührt.