Vorbemerkung
Der branchenspezifische Abgrenzungskatalog enthält Hinweise zur Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit bei einzelnen Berufsgruppen. Die vorgenommenen Bewertungen stützen sich in der Regel auf bisher ergangene, zum Teil höchstrichterliche Rechtsprechung.
Sofern die Abgrenzung zur Annahme einer selbstständigen Tätigkeit führt, kommt Rentenversicherungspflicht nach § 2 SGB VI in Betracht, insbesondere die Versicherungspflicht für Selbstständige mit einem Auftraggeber (§ 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI). Dies trifft grundsätzlich auf alle Berufsgruppen in der Aufstellung zu, so dass darauf nicht an allen Stellen explizit eingegangen wird.
Wie bestimmte Berufsgruppen im Einzelnen zu beurteilen sind, ergibt sich aus der folgenden alphabetischen Aufstellung:
Ableser
[1] Ableser (Zählerableser für Gas, Wasser, Strom und Heizung usw.) stehen nach dem Urteil des BFH vom 24.7.1992, VI R 126/88, (USK 9293) auch dann in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis, wenn nach der vertraglichen Vereinbarung über ”freie Mitarbeit” in Ausnahmefällen das Ablesen auch von einem zuverlässigen Vertreter übernommen werden darf.
[2] Bei Wärmedienstablesern sprechen hingegen im Regelfall gleichgewichtige Argumente sowohl für als auch gegen die Selbstständigkeit, weshalb bei diesem Personenkreis auf den im Vertrag zum Ausdruck kommenden Willen der Vertragspartner abzustellen ist (Urteil, Bayerisches LSG vom 21.12.2004, L 5 KR 210/03 und vom 5.4.2005, L 5 KR 80/04, www.sozialgerichtsbarkeit.de).
[3] Ein für ein Energieversorgungsunternehmen tätiger Stromableser ist als abhängig Beschäftigter einzustufen, wenn seine Handlungsfähigkeit durch die Arbeitsumstände eng begrenzt ist, ihm ein fester Ablesebezirk zugewiesen ist, er hinsichtlich Inhalt, Art und Weise der Arbeitsausführung nur einen geringen Spielraum besitzt, er die vertraglich vereinbarte Leistung persönlich zu erbringen hat und er, mit Ausnahme seines eigenen Kraftfahrzeuges, eigenes Kapital nicht einsetzt (Urteil, Sächsischen LSG vom 20.9.2006, L 1 KR 29/02, www.sozialgerichtsbarkeit.de).
Ambulante Sonntagshändler
Diese Persongruppe ist nur an Sonntagen tätig und ausschließlich mit dem eigenverantwortlichen Vertrieb der nur im Einzelverkauf erhältlichen Sonntagszeitungen befasst. Der ambulante Sonntagshändler verkauft in eigener Regie und auf eigenes Risiko. Er hat – wie der stationäre Presseeinzelhandel – ein typisches Unternehmerrisiko und ist deshalb – anders als Zeitungsausträger oder Zeitungszusteller – den selbstständig Tätigen zuzuordnen (vgl. auch Urteil, LSG Rheinland-Pfalz vom 14.7.1998, L 7 U 20/98). Dem steht auch nicht entgegen, wenn der ambulante Sonntagshändler vorwiegend Verlagskunden beliefert (Urteil, LAG Düsseldorf vom 1.7.1997, 15 Ta 147/97).
Anwälte
siehe Freie Berufe.
Architekten
siehe Freie Berufe.
Ärzte
[1] Ärzte unterliegen in ihren eigentlichen ärztlichen Tätigkeiten keinen Weisungen. Daher kommt es entscheidend darauf an, inwieweit der Arzt in eine fremde Arbeitsorganisation eingegliedert ist. Diese Eingliederung kann nach ständiger Rechtsprechung des BSG insbesondere bei Diensten höherer Art – wie zweifelsfrei ärztlichen Tätigkeiten – zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess des Arbeitgebers verfeinert sein.
[2] Vor diesem Hintergrund sind die Tätigkeiten von Ärzten z.B. in einem Explantationsteam, als Hubschrauberarzt, als Notarzt oder als Notdienstarzt regelmäßig als Beschäftigungsverhältnis zu qualifizieren.
[3] Gemein ist diesen Tätigkeiten, dass die Arbeitsorganisation, an deren Arbeitsprozess der Arzt funktionsgerecht dienend teilnimmt, von Dritten vorgegeben ist. Diese Einschätzung gilt auch in Fällen, in denen ein Arzt eine entsprechende Tätigkeit lediglich als Nebentätigkeit etwa neben einer freiberuflichen Tätigkeit oder eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübt. Die Ärzte liquidieren dafür nicht nach der GOÄ, weshalb diese Tätigkeiten nicht dem Bereich einer – ggf. daneben noch ausgeübten freiberuflichen Tätigkeit zugeordnet werden kann.
[4] Von der Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation ist auch auszugehen, wenn ein Arzt auf der Grundlage eines Honorarvertrages, ggf. durch Vermittlung eines Dienstleistungsunternehmens, als sog. Honorar-, Vertretungs- oder Bereitschaftsarzt in einer stationären Einrichtung – wie einem Krankenhaus oder einer Rehabilitationsklinik – tätig ist und die Arbeitsleistung innerhalb der vorgegebenen Organisationsabläufe erbringt, die Einrichtungen und Betriebsmittel nutzt, arbeitsteilig mit dem ärztlichen und pflegerischen Personal in vorgegebenen Strukturen zusammenarbeitet und dadurch in einer seine Tätigkeit prägenden Art und Weise fremdbestimmt in den Betrieb der Einrichtung eingegliedert ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn keine für eine Selbstständigkeit sprechenden Anhaltspunkte bestehen, die ein derartiges Gewicht hätten, dass sie die Weisungsgebundenheit und Eingliederung auch nur annähernd auf- oder überwiegen könnten (BSG, Urteile vom 4.6.2019, B 12 R 2/18 R, B 12 R 10/18 R, B 12 R 11/18 R, B 12 R 12/18 ...