1 Allgemeines
[1] Das Bundessozialgericht (BSG) hat sich in einem Streitverfahren über die Höhe der Beiträge zur Rentenversicherung auch mit dem Verfahren zur Feststellung der Versicherungspflicht nicht erwerbsmäßig tätiger Pflegepersonen befasst (Urteil vom 22.03.2001 - B 12 P 3/00 R - USK 2001-2). Das BSG kommt darin zu dem Ergebnis, dass der Rentenversicherungsträger die Entscheidung über die Versicherungspflicht einer nicht erwerbsmäßig tätigen Pflegeperson in der Rentenversicherung und über die Höhe der zu entrichtenden Beiträge zu treffen hat; die Pflegekassen sind hierzu nicht berechtigt. Über die Versicherungs- und Beitrags-pflicht in einem Versicherungszweig hat der Versicherungsträger zu entscheiden, bei dem die behauptete Versicherungspflicht bestehen würde, es sei denn, es gibt eine abweichende Zuständigkeitsregelung. Regelungen, die abweichend von diesem Grundsatz an Stelle der Rentenversicherung eine Zuständigkeit der Pflegekasse (über die Versicherungspflicht, die Beitragspflicht und die Beitragshöhe selbst zu entscheiden) begründen, bestehen jedoch nicht.
[2] Zugleich führt das BSG in seiner Urteilsbegründung aus, dass die Pflegekassen - trotz ihrer Unzuständigkeit für die Entscheidung über die Versicherungs- und Beitragspflicht der Pflegepersonen - verpflichtet sein können, ohne vorherige Entscheidung des Rentenversicherungsträgers Beiträge für Pflegepersonen als Leistungen der sozialen Sicherung zu zahlen. Halten sie ihre Leistungspflicht für gegeben, so haben sie diese ebenso zu erfüllen wie Arbeitgeber, die bei unstreitigem Sachverhalt den Gesamtsozialversicherungsbeitrag ohne vorherige Ent-scheidung der Einzugsstelle zu zahlen haben.
[3] Die Grundsätze dieser höchstrichterlichen Entscheidung, die in einem weiteren Urteil des BSG vom 23.09.2003 (B 12 P 2/02 R - USK 2003-26) auch für Zeiträume nach dem 31.12.2000 bestätigt wurden, gelten ab 01.01.2017 auch für die Bundesagentur für Arbeit für die Feststellung der Arbeitslosenversicherungspflicht. Sie gelten zudem für das Verfahren zur Feststellung der Renten- und Arbeitslosenversicherungspflicht in Fällen, in denen der Pflegebedürftige bei einem privaten Versicherungsunternehmen versichert ist und die Ver-pflichtung zur Zahlung der Versicherungsbeiträge für die den Pflegebedürftigen pflegende Pflegeperson auf Seiten des privaten Versicherungsunternehmens liegt. Insoweit tritt - auch in dieser Verfahrensbeschreibung - an die Stelle der Pflegekasse das private Versicherungs-unternehmen.
[4] Die vorliegende Verfahrensbeschreibung findet ab 01.01.2017 Anwendung. Für vorhergehende Zeiträume gilt die Verfahrensbeschreibung vom 09.01.2013.
2 Vorfragen der Versicherungspflicht
Bevor die Pflegekasse bei unstreitigem Sachverhalt ihre Verpflichtung zur Beitragszahlung für eine Pflegeperson erfüllt bzw. ablehnt (vgl. Ziffer 3) oder bei streitigem Sachverhalt dem Rentenversicherungsträger bzw. der Agentur für Arbeit den Fall zur Bescheiderteilung zuleitet (vgl. Ziffern 4 und 5), ist zunächst zu klären, ob die Voraussetzungen einer Versicherungspflicht der Pflegeperson nach § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI bzw. § 26 Abs. 2b SGB III und infolgedessen eine Zahlungspflicht der Pflegekasse bzw. bei Additionspflege der Pflegekassen vorliegen. Soweit es dabei um Vorfragen der Versicherungspflicht geht, die im Verantwortungsbereich der Pflegekasse bzw. Pflegekassen liegen, obliegt ihr/ihnen allein die Feststellung der maßgebenden Tatbestandsvoraussetzungen. Hierzu gehören:
- Anspruch des Pflegebedürftigen auf Leistungen aus der Pflegeversicherung und Be-ginn der Leistungen (§§ 14, 33 SGB XI),
- Grad der Pflegebedürftigkeit sowie die Art der bezogenen Pflegeleistung als Grundlage der Beitragsbemessung (§§ 15, 36ff SGB XI),
- zeitlicher Umfang und Anzahl der Pflegetage pro Woche der von der Pflegeperson aus-geübten Pflegetätigkeit bzw. Pflegetätigkeiten bei Additionspflege, bei Mehrfachpflege auch der Gesamtpflegeaufwand aller an der Pflege beteiligten Pflegepersonen (§§ 19 Satz 2, 44 Abs. 1 Satz 6 und Abs. 6 SGB XI).
3 Erstmalige Aufnahme oder Ablehnung der Beitragszahlung bei unstreitigem Sachverhalt
[1] Sofern die Pflegekasse aufgrund ihrer Feststellungen ihre Leistungspflicht nach § 28 Abs. 1 Nr. 10 SGB XI in Verb. mit § 44 SGB XI zur Zahlung von Rentenversicherungs- bzw. Arbeitslosenversicherungsbeiträgen für eine Pflegeperson für gegeben hält, hat sie diese ohne vorherige Entscheidung des Rentenversicherungsträgers bzw. der Agentur für Arbeit zu erfüllen. Die Pflegekasse unterrichtet die Pflegeperson (und ggf. die Beihilfestelle) über die Aufnahme der Beitragszahlung. Hierbei sind der Beginn der Beitragszahlung und die Höhe der Beiträge (beitragspflichtige Einnahmen) für einen vollen Kalendermonat bei ausschließlichem Bezug von Pflegegeld, bei Bezug von Pflegegeld und Sachleistung im Rahmen einer Kombinationsleistung und bei ausschließlichem Bezug einer Sachleistung durch den Pflegebedürftigen anzugeben sowie darauf hinzuweisen, dass sich die tatsächliche Höhe der Beiträge nach der für den jeweiligen Kalendermonat tatsächlich von dem Pflegebedürftigen bezogen Leistung bemisst. Ferner ist auf den Anspruch der...