9.1 Sonderkündigungsrecht wegen der erstmaligen Erhebung eines Zusatzbeitrages bzw. Erhöhung des Zusatzbeitragssatzes

9.1.1 Allgemeines zum Sonderkündigungsrecht

[1] Erhebt eine Krankenkasse erstmalig einen Zusatzbeitrag oder erhöht sie ihren Zusatzbeitragssatz, steht den Mitgliedern dieser Krankenkasse ein Sonderkündigungsrecht zu. Die Kündigung der Mitgliedschaft kann in diesen Fällen grundsätzlich bis zum Ablauf des Monats erklärt werden, für den der Zusatzbeitrag erstmals erhoben oder für den der Zusatzbeitragssatz erhöht wird. Veränderungen des durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes begründen hingegen kein Sonderkündigungsrecht.

[2] Nach Maßgabe des § 175 Abs. 4 Satz 6 2. Halbsatz SGB V wird auch die Abwicklung des Sonderkündigungsrechts in das elektronische Meldeverfahren nach § 175 Abs. 2 SGB V einbezogen, sodass auch in diesen Fällen an die Stelle der Kündigungserklärung des Mitglieds eine Meldung der gewählten Krankenkasse tritt. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Abschnitt 9 im Allgemeinen der Terminus "Kündigung" verwendet. Sofern im Text auf die Fristen für die Abgabe der Kündigungserklärung eingegangen wird, ist damit nach der Rechtslage bis zum 30.6.2023 das Datum der Erstellung einer entsprechenden Initialmeldung der gewählten Krankenkasse bzw. für die Zeiträume ab dem 1.7.2023 das Datum des Zugangs der Wahlerklärung des Mitglieds bei der gewählten Krankenkasse gemeint (vgl. Abschnitte 4.3.1 und 7.3) gemeint.

[3] In den Fällen des Sonderkündigungsrechts kann die Mitgliedschaft ohne Einhaltung der grundsätzlich bestehenden 12-monatigen Bindungsfrist (vgl. Abschnitt 8.2) gekündigt werden. Nach ausdrücklicher Bestimmung des § 53 Abs. 8 Satz 2 2. SGB V gilt das Sonderkündigungsrecht auch für Mitglieder, die einen Wahltarif in Anspruch nehmen (vgl. Abschnitt 8.4), sodass auch die besonderen Bindungsfristen bei Inanspruchnahme von Wahltarifen dem Sonderkündigungsrecht nicht entgegenstehen. Ausgenommen hiervon sind Mitglieder mit einem Wahltarif nach § 53 Abs. 6 SGB V (Krankengeld); diesen Personen wird ein Sonderkündigungsrecht nicht eingeräumt.

[4] Nach § 175 Abs. 4 Satz 6 SGB V kann das Sonderkündigungsrecht "abweichend von Satz 1" ausgeübt werden. D.h aber nicht, dass nur in den Fällen, in denen die 12-monatige Bindungsfrist noch nicht abgelaufen ist, das Sonderkündigungsrecht ausgeübt werden kann. Das Sonderkündigungsrecht besteht lediglich ohne Beachtung der 12-monatigen Bindungsfrist. Damit verfügen Mitglieder auch nach Ablauf der 12-monatigen Bindungsfrist über das Sonderkündigungsrecht einschließlich der sich aus dem § 175 Abs. 4 Satz 8 SGB V ergebenden Schutzmechanismen in den Fällen des verspäteten Hinweises der Krankenkasse (vgl. Abschnitt 9.1.3).

[5] Die Ausübung des Sonderkündigungsrechts befreit die betroffenen Mitglieder nicht von der Verpflichtung, bis zur Beendigung der Mitgliedschaft den erstmalig erhobenen bzw. den erhöhten Zusatzbeitrag an die gekündigte Krankenkasse zu zahlen.

9.1.2 Ausübung des Sonderkündigungsrechts

[1] Das Sonderkündigungsrecht kann ausgeübt werden, wenn

  • die Krankenkasse erstmalig einen Zusatzbeitrag erhebt oder
  • den bereits zuvor erhobenen Zusatzbeitragssatz erhöht.

[2] Für die Begründung des Sonderkündigungsrechts ist irrelevant, ob für das Mitglied zum Zeitpunkt der erstmaligen Erhebung bzw. der Erhöhung des Zusatzbeitrages finanzielle Belastungen entstehen und ob es diese selbst zu tragen hat.

[3] Demnach gilt das Sonderkündigungsrecht auch für die Personen, für die der Zusatzbeitrag nicht in Höhe des kassenindividuellen Zusatzbeitragssatzes, sondern ausschließlich in Höhe des durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes nach § 242a SGB V erhoben wird und die somit an der Tragung des Zusatzbeitrages grundsätzlich nicht beteiligt sind, sofern die Krankenkasse des Versicherten erstmalig einen Zusatzbeitrag erhebt oder ihren kassenindividuellen Zusatzbeitragssatz erhöht.

[4] Für Personen, die zu dem Zeitpunkt der erstmaligen Erhebung des Zusatzbeitrages oder der Erhöhung eines bereits erhobenen Zusatzbeitragssatzes aufgrund der Beitragsfreiheit von der Entrichtung eines Zusatzbeitrages freigestellt sind (z.B. bestimmte Rentenantragsteller), gelten keine abweichenden Fristen für die Ausübung des Sonderkündigungsrechts. Sie können daher ihre Kündigung – vorbehaltlich einer rechtzeitig nachgekommenen Hinweispflicht der Krankenkasse (vgl. Abschnitt 9.1.3) – nur bis zum Ablauf des Monats, für den der Zusatzbeitrag erstmals erhoben oder für den der Zusatzbeitragssatz erhöht wird, rechtswirksam aussprechen, und nicht erst zu dem – individuell zu bestimmenden – Zeitpunkt des Wegfalls der Beitragsfreiheit.

[5] Darüber hinaus sind für die Umsetzung des Sonderkündigungsrechts die Regelungen unbeachtlich, nach denen sich Veränderungen kassenindividueller Zusatzbeiträge für pflichtversicherte Rentner sowie Bezieher von Versorgungsbezügen mit einer zweimonatigen Verzögerung auswirken. Maßgeblich für die Ausübung des Sonderkündigungsrechts ist ausschließlich der von der Krankenkasse in ihrer Satzung bestimmte Zeitpunkt der erstmaligen Erhebung eines Zusatzbeitrages bzw. der Erhöhung des Zusatzbeitragssatzes.

[6] Das Sonderkündigungsrecht setzt im Übrigen eine vor dem Zeitpunkt...

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