§ 40 Abs. 2 Satz 1 bis 4 und Abs. 3 SGB V
1.1 Allgemeines
Mit dem "Gesetz zur Stärkung des Pflegepersonals (Pflegepersonal-Stärkungsgesetz – PpSG)" vom 11.12.2018 (BGBl. I S. 2394) wurde zur Stärkung der Belange pflegender Angehöriger § 40 Abs. 2 sowie Abs. 3 Satz 2 und 3 SGB V geändert. Danach wird für pflegende Angehörige bei einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation nach § 40 SGB V der Grundsatz ambulant vor stationär außer Kraft gesetzt. Pflegende Angehörige haben somit einen erleichterten Zugang zu stationären Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Zugleich haben pflegende Angehörige bei einer stationären Rehabilitation auch Anspruch auf Versorgung der Pflegebedürftigen, wenn diese in derselben Einrichtung aufgenommen werden. Soll der Pflegebedürftige in einer anderen als in der Einrichtung des pflegenden Angehörigen aufgenommen werden, koordiniert die Krankenkasse mit der Pflegekasse des Pflegebedürftigen dessen Versorgung auf Wunsch des pflegenden Angehörigen und mit Einwilligung des Pflegebedürftigen.
1.2 Unmittelbarer Anspruch auf stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation
Durch den unmittelbaren Anspruch auf stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation wird allein der sonst geltende Grundsatz "ambulant vor stationär" außer Kraft gesetzt. Ausweislich der Gesetzesbegründung muss für die Indikation einer medizinischen Rehabilitation auch bei pflegenden Angehörigen Rehabilitationsbedürftigkeit und Rehabilitationsfähigkeit vorliegen sowie eine positive Rehabilitationsprognose gegeben sein. Die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation müssen darauf gerichtet sein, eine nicht nur vorübergehende drohende Beeinträchtigung der Teilhabe abzuwenden oder eine bereits eingetretene Beeinträchtigung der Teilhabe zu beseitigen, zu vermindern oder deren Verschlimmerung zu verhüten. Auch bei pflegenden Angehörigen müssen die ambulanten Behandlungsmöglichkeiten am Wohnort nicht ausreichen, um eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation zu begründen. Mit dem Wegfall des Stufenmodells ambulant vor stationär ist demnach keine Verlagerung der ambulanten Krankenbehandlung in die medizinische Rehabilitation, sondern lediglich ein erleichterter Zugang zu stationären Leistungen intendiert. Diese gesetzliche Neuerung soll der besonderen Situation pflegender Angehöriger Rechnung tragen, die bei einer stationären Rehabilitation von der gleichzeitigen Pflegeanforderung für ihre Angehörigen entlastet werden. Somit werden kein neuer Anspruch und keine neue Form und Qualität von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation für pflegende Angehörige geschaffen.
1.3 Konkretisierung des Begriffs "pflegender Angehöriger"
[1] Der Personenkreis der pflegenden Angehörigen ist am Begriff der Pflegeperson nach § 19 Satz 1 SGB XI zu orientieren. Demnach gelten als pflegende Angehörige Personen, die pflegebedürftige Personen nach § 14 SGB XI nicht erwerbsmäßig in der häuslichen Umgebung des Pflegebedürftigen pflegen. Als pflegebedürftig sind Personen zu berücksichtigen, die einen der Pflegegrade 1 bis 5 nach § 15 Abs. 3 SGB XI aufweisen. Ist der Pflegebedürftige dauerhaft Bewohner einer stationären Pflegeeinrichtung, ist eine Pflege durch einen Angehörigen in der häuslichen Umgebung nicht gegeben.
[2] Eine unmittelbare Definition des Begriffs "Angehöriger" erfolgt durch § 40 SGB V nicht. Zur Definition, auf welchen Personenkreis sich § 40 SGB V bezieht, wird hilfsweise § 16 Abs. 5 SGB X herangezogen. Danach sind Angehörige:
- der Verlobte, auch im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes [LPartG],
- der Ehegatte oder Lebenspartner,
- Verwandte und Verschwägerte in gerader Linie,
- Geschwister,
- Kinder der Geschwister,
- Ehegatten oder Lebenspartner der Geschwister und Geschwister der Ehegatten oder Lebenspartner,
- Geschwister der Eltern,
- Personen, die durch ein auf längere Dauer angelegtes Pflegeverhältnis mit häuslicher Gemeinschaft wie Eltern und Kind miteinander verbunden sind (Pflegeeltern und Pflegekinder).
[3] Als Angehörige gelten die aufgeführten Personen auch dann, wenn
- in den Fällen der Nummern 2, 3 und 6 die Beziehung begründende Ehe oder Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht,
- in den Fällen der Nummern 3 bis 7 die Verwandtschaft oder Schwägerschaft durch Annahme als Kind erloschen ist,
im Fall der Nummer 8 die häusliche Gemeinschaft nicht mehr besteht, sofern die Personen weiterhin wie Eltern und Kind miteinander verbunden sind.
1.4 Anspruch auf Versorgung der Pflegebedürftigen bei Mitaufnahme in derselben Einrichtung (§ 40 Abs. 3 Satz 2 SGB V)
[1] Sofern der Pflegebedürftige in die Rehabilitationseinrichtung, d. h. in dieselbe Einrichtungen aufgenommen wird, umfasst der Leistungsanspruch des pflegenden Angehörigen gegenüber seiner Krankenkasse auch die Versorgung des Pflegebedürftigen. Aufgrund der Zielsetzung der Neuregelung und der expliziten Differenzierung zwischen Mitaufnahme und Versorgung ist davon auszugehen, dass der Versorgungsanspruch neben der Unterkunft und Verpflegung auch die pflegerische Versorgung (Grund- und Behandlungspflege) der pflegebedürftigen Personen umfasst.
[2] Die Übernahme von Fahr- und Reisekosten im Zusammenhang mit Leistungen der medizinischen Rehabilitation richtet sich gemäß § 60 Abs. 5 SGB V nach § 73 Abs. 1 bis 3 SGB IX. § 73 Abs. 1 Satz 2 SGB IX sieht...