(1) Die Pflegekasse ist zur unverzüglichen Zahlung von 70,00 EUR für jede begonnene Woche der Fristüberschreitung an die antragstellende Person verpflichtet, sofern sie den schriftlichen Bescheid über den Antrag nicht innerhalb von 25 Arbeitstagen nach Eingang des Antrags erteilt oder eine der in § 18a Abs. 5 und 6 SGB XI genannten verkürzten Begutachtungsfristen (fünf bzw. zehn Arbeitstage) nicht eingehalten hat.
Die Zahlungspflicht gilt nicht für Wiederholungs- oder Widerspruchsgutachten und befristete Leistungsbewilligungen (§ 33 Abs. 1 Satz 4 und 8 SGB XI) oder wenn sich die antragstellende Person in vollstationärer Pflege befindet und bereits Leistungen mindestens in Höhe des Pflegegrades 2 erhält. Für den Zeitraum einer Verzögerung im Verfahren, die die Pflegekasse nicht zu vertreten hat (Hemmungstatbestand), besteht ebenfalls keine Zahlungspflicht.
Die Fristberechnung für die 25-arbeitstägige Bearbeitungs- bzw. der fünf oder zehnarbeitstägigen Begutachtungsfrist erfolgt auf der Grundlage des § 26 SGB X i.V.m. den §§ 187 ff. BGB.
Beispiel 1
Es gilt die 25-Arbeitstage-Frist |
Eingang des Antrags bei der Pflegekasse |
am 4.10.2023 |
Fristbeginn |
am 5.10.2023 |
Fristende |
am 9.11.2023 |
Bescheiddatum |
am 13.11.2023 |
Ergebnis: |
Die Pflegekasse hätte den Bescheid über den Antrag der versicherten Person bis spätestens zum 9.11.2023 erteilt haben müssen. Da der Bescheid jedoch am 13.11.2023 erteilt wurde, hat die Pflegekasse die 25-Arbeitstage-Frist überschritten. Da sie die Verzögerung zu vertreten hat, ist sie zur Zahlung von 70 EUR verpflichtet. |
(2) Die Zahlungspflicht besteht nur gegenüber der antragstellenden Person. Antragstellende Person ist immer die oder der Versicherte, die bzw. der den Antrag gestellt hat oder für die der Antrag von einer dritten Person als Vertreterin oder Vertreter gestellt wurde.
Die Zahlung wegen Fristüberschreitung ist keine "Pflegeleistung" i.S.d. SGB XI. Heilfürsorge- und Beihilfeberechtigte erhalten daher die Zahlung wegen Fristüberschreitung in voller Höhe. Weil es sich bei der Zusatzzahlung nicht um eine Leistung der Pflegeversicherung nach § 28 SGB XI handelt, kann sie nicht Gegenstand der Sonderrechtsnachfolge nach § 56 SGB I oder der Vererbung nach § 58 SGB I werden.
Die Zahlungspflicht entsteht auch, wenn eine der unter Ziffer 1 genannten verkürzten Begutachtungsfristen überschritten wird. Die Pflegekasse hat der antragstellenden Person unverzüglich nach Eingang des Gutachtens des MD oder der von ihr beauftragten Gutachterin bzw. des von ihr beauftragten Gutachters die Entscheidung schriftlich mitzuteilen.
Beispiel 2
Teil 1 |
Die versicherte Person befindet sich im Krankenhaus und die Inanspruchnahme von Pflegezeit nach dem PflegeZG wurde gegenüber dem Arbeitgeber der Pflegeperson angekündigt. |
Eingang des Antrags bei der Pflegekasse |
am 13.11.2023 |
Fristbeginn |
am 14.11.2023 |
Fristende |
am 20.11.2023 |
Begutachtung |
am 22.11.2023 |
Ergebnis: |
Aufgrund des Aufenthaltes im Krankenhaus und der Ankündigung der Inanspruchnahme von Pflegezeit gegenüber dem Arbeitgeber der Pflegeperson gilt die verkürzte Begutachtungsfrist von 5 Arbeitstagen. Die Frist beginnt einen Tag nach Eingang des Antrags der versicherten Person am 14.11.2023 und endet am 20.11.2023. Die persönliche Begutachtung mit vollständigem Gutachten durch den MD erfolgt erst am 22.11.2023 und damit nicht innerhalb der 5-Arbeitstage-Frist. Da die Pflegekasse die Verzögerung zu vertreten hat, ist sie zur Zahlung von 70 EUR verpflichtet. |
Teil 2 |
Wie in Teil 1 befindet sich die versicherte Person im Krankenhaus und die Inanspruchnahme von Pflegezeit nach dem PflegeZG wurde gegenüber dem Arbeitgeber der Pflegeperson angekündigt. Der Antrag geht am 13.11.2023 bei der Pflegekasse ein. Die Begutachtung durch den MD erfolgt am 16.11.2023. Das Gutachten ging bei der Pflegekasse am 22.11.2023 ein. Am 27.11.2023 wird der versicherten Person der Bescheid über den Antrag erteilt. |
Ergebnis: |
Wie in Teil 1 gilt die verkürzte Begutachtungsfrist von 5 Arbeitstagen. Der Beginn der Frist zur Begutachtung ist am 14.11.2023, einen Tag nach Antragseingang bei der Pflegekasse. Der Leistungsbescheid wird zwar erst am 27.11.2023 erteilt, da das Gutachten am 22.11.2023 bei der Pflegekasse einging. Die Begutachtung erfolgte jedoch am 16.11.2023 und damit innerhalb der 5-Arbeitstage-Frist. Weil keine Fristüberschreitung vorliegt, besteht keine Zahlungspflicht der Pflegekasse nach § 18c Abs. 5 SGB XI. |
Nimmt eine versicherte Person unmittelbar im Anschluss an den Aufenthalt im Krankenhaus, einschließlich eines Aufenthaltes im Rahmen der Übergangspflege nach § 39e SGB V, oder im Anschluss an den Aufenthalt in einer stationären Rehabilitationseinrichtung, Kurzzeitpflege in Anspruch, hat die abschließende Begutachtung spätestens am zehnten Arbeitstag nach Beginn der Kurzzeitpflege in dieser Einrichtung zu erfolgen. Überschreitet der MD oder die von der Pflegekasse beauftragte Gutachterin bzw. der von der Pflegekasse beauftragte Gutachter diese Frist, löst dies allein für sich b...