Vorwort
Die Verbände der Krankenkassen auf Bundesebene haben in ihrem GR v. 22.06.2022 zu den Leistungsansprüchen im Zusammenhang mit der Empfängnisverhütung, bei einer Sterilisation und bei einem Schwangerschaftsabbruch Stellung genommen. Aufgrund der fortschreitenden Entwicklung auf diesem Gebiet durch Gesetze, Rechtsverordnungen, Richtlinien und Besprechungsergebnisse sowie dem damit einhergehenden medizinischen Fortschritt erfolgte eine Überarbeitung des Gemeinsamen Rundschreibens.
Mit diesem Rundschreiben legen der GKV-Spitzenverband und die Verbände der Krankenkassen auf Bundesebene eine aktuelle Fassung vor, die ab dem 15.3.2023 gültig ist.
1. Allgemeines
[1] Die Bereiche Empfängnisverhütung, Sterilisation und Schwangerschaft stehen immer wieder im Mittelpunkt des politischen und gesellschaftlichen Handelns, besonders dann, wenn es sich um die lange Zeit umstrittene Beurteilung der Strafbarkeit der Abtreibung handelt. Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) bleibt davon nicht unberührt, da diese Leistungen nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 SGB V einen wichtigen Bestandteil des sogenannten Leistungskataloges bilden.
[2] Maßgebend sind hierfür die §§ 24a und 24b SGB V, die mit dem "Schwangeren- und Familienhilfegesetz" am 5.8.1992 in Kraft traten und die bis dahin gültigen §§ 200e bis 200g RVO mit der Bezeichnung "Sonstige Hilfen" ablösten.
[3] Im Jahr 1995 erfolgte eine weitere Neuregelung des Abtreibungsstrafrechts in Form des "Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetzes (SFHÄndG)". Damit wurde das im Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 28.5.1993 favorisierte Beratungskonzept und die – erneute – Verpflichtung des Staates, für den Schutz des geborenen als auch des ungeborenen menschlichen Lebens zu sorgen, umgesetzt.
[4] Am 1.10.1995 traten die Neuerungen zur Schwangerenkonfliktberatung, zur Approbationsordnung und der GOÄ, des SGB V, der RVO, des StGB sowie des Einigungsvertrages in Kraft. Darüber hinaus wurde mit Wirkung ab 1.1.1996 die eigentliche Neuregelung für den Bereich der GKV geschaffen. Diese sieht vor, dass in Fällen des nach Auffassung des BVerfG rechtswidrigen, aber nicht strafbaren Schwangerschaftsabbruchs nach der sog. Beratungslösung diejenigen ärztlichen Leistungen gesetzlich aus der Leistungspflicht der GKV ausgeschlossen werden, die am Tage des Abbruchs und im Rahmen der Nachbehandlung bei komplikationslosem Verlauf anfallen. Gleichzeitig wurde durch das SFHÄndG auch ein Spezialgesetz geschaffen, das abhängig von dem Ergebnis einer Bedürftigkeitsprüfung der Schwangeren eine staatliche Kostenübernahme für die Leistungen vorsieht, die im Falle des Schwangerschaftsabbruchs nach der Beratungslösung nicht von der GKV oder, sofern die Schwangere nicht einer gesetzlichen Krankenkasse angehört, nicht von einem anderen Kostenträger wie Sozialhilfe, Beihilfe oder private Krankenversicherung übernommen werden.
[5] Mit Inkrafttreten des Gesetzes über die weitere Bereinigung von Bundesrecht am 15.12.2010 (BGBl I. Nr. 63) wurde aufgrund der inhaltlichen Zusammengehörigkeit das Gesetz zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten (Schwangerschaftskonfliktgesetz – SchKG) und das "Gesetz zur Hilfe für Frauen bei Schwangerschaftsabbrüchen in besonderen Fällen (Schwangerschaftshilfegesetz – SchwHG)" in einem Gesetz – dem Schwangerschaftskonfliktgesetz [SchKG] – zusammengeführt. Inhaltliche Änderungen waren hiermit nicht verbunden.
[6] Zum 1.1.2012 trat in wesentlichen Teilen das "Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstrukturgesetz - GKV-VStG") in Kraft. In diesem Rahmen wurde in § 24b Abs. 4 SGB V neu geregelt, wie sich der von den Ländern zu tragende Finanzierungsanteil in den Fällen der vollstationären Vornahme eines rechtswidrigen, aber straffreien Schwangerschaftsabbruchs (§ 218a Abs. 1 StGB) ermittelt.
[7] Mit dem Inkrafttreten des 5. SGB IV-ÄndG zum 1.3.2015 wurde rechtlich klargestellt, dass die Kosten empfängnisverhütender Mittel für Frauen, die das 20. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, durch die GKV nur dann zu übernehmen sind, wenn diese Mittel verschreibungspflichtig sind. Darüber hinaus wurde geregelt, dass die mit der "14. Verordnung zur Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung und der Apothekenbetriebsordnung" zum 14.3.2015 aus der Verschreibungspflicht entlassenen Notfallkontrazeptiva mit den Wirkstoffen Ulipristalacetat (ellaOne®) und Levonorgestrel auch weiterhin für Frauen bis zur Vollendung des 20. Lebensjahres zu Lasten der GKV ärztlich verordnet werden können.
[8] Durch das am 29.3.2019 in Kraft getretene "Gesetz zur Verbesserung der Information über einen Schwangerschaftsabbruch" wurde § 24a Abs. 2 Satz 1 SGB V dahingehend geändert, dass Versicherte – statt wie bisher bis zum vollendeten 20. Lebensjahr – bis zum vollendeten 22. Lebensjahr Anspruch auf Versorgung mit verschreibungspflichtigen, empfängnisverhütenden Mitteln haben. Zudem können Ärztinnen und Ärzte, Krankenhäuser und Einrichtungen öffentlich ...