[1] Die Vorschrift des § 75 SGB X ist zuletzt durch Art. 10 des Tarifautonomiestärkungsgesetzes mit Wirkung zum 16.08.2014 in ihrem Absatz 1 geändert worden. § 75 SGB X regelt abschließend die Übermittlung von Sozialdaten für bestimmte Vorhaben der wissenschaftlichen Forschung im Sozialleistungsbereich oder der wissenschaftlichen Arbeitsmarkt- und Berufsforschung oder der Planung im Sozialleistungsbereich durch eine öffentliche Stelle im Rahmen ihrer Aufgaben. Für eine Übermittlung nach § 69 Abs. 1 Nr. 1 SGB X ist daneben somit kein Raum.
[2] Mit der zum 16.08.2014 erfolgten Ausweitung des möglichen Forschungsgegenstandes in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 auf die Arbeitsmarkt- und Berufsforschung wird diese Vorschrift mit der des § 282 SGB III in Einklang gebracht. Unter die vorgenannten Begrifflichkeiten fallen u.a. die Forschung zur Lage und Entwicklung der Beschäftigung einschließlich der Arbeitsbedingungen, die Forschung zur Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes im allgemeinen und nach Berufen, Wirtschaftszweigen und Regionen sowie die Wirkungen der aktiven Arbeitsförderung.
[3] Die Vorschrift berücksichtigt laut Begründung "unter besonderer Beachtung der Zweckbestimmung der Sozialdaten die unabweisbaren Bedürfnisse der Forschung und Planung" (BT-Drs. 8/4022, S. 86 zur Vorgängerregelung). Die Auslegung der Vorschrift hat sich daher am Anerkenntnis dieser unabweisbaren Bedürfnisse zu orientieren. § 75 SGB X dient also nicht nur dem Schutz der Sozialdaten und damit dem Schutz der informationellen Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 GG, sondern schützt zugleich den Bereich wissenschaftlicher Forschung und Planung (Art. 5 Abs. 3 GG) gegen eine zweckfremde Einengung. Wissenschaftliche Forschung ist dabei alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist. Es ist die geistige Tätigkeit mit dem Ziel, in methodischer und nachprüfbarer Weise neue Erkenntnisse zu gewinnen. "Planung" ist die gedankliche Vorwegnahme künftigen Verhaltens einer öffentlichen Stelle aufgrund zu erwartender Entwicklungen im Sozialleistungsbereich. Umfasst ist vor allem die auf die Zukunft bezogene Bedarfs- und Bereitstellungsplanung.
[4] Keine Übermittlung, weder im Sinne des § 69 SGB X noch des § 75 SGB X, liegt vor, wenn eine der in § 35 Abs. 1 SGB I genannten Stellen Eigenforschung mit bei ihr befindlichen Sozialdaten betreibt, ohne sie zu diesem Zweck nach außen zu geben. Maßgebend ist hierfür vielmehr § 67c Abs. 2 Nr. 3 SGB X, der auf die Voraussetzungen des § 75 Abs. 1 SGB X verweist. Da es bei der Eigenforschung aber an der "Übermittlung" fehlt, sind hier nur die Kriterien des Satzes 1 zu prüfen: Erforderlichkeit, bestimmtes Vorhaben und Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen des Betroffenen.