3.2.1 Versorgungskonstellationen
[1] Der Anspruch auf häusliche Krankenpflege nach § 37 Abs. 1a SGB V besteht, wenn Versicherte wegen schwerer Krankheit oder wegen akuter Verschlimmerung einer Krankheit, insbesondere nach einem Krankenhausaufenthalt, nach einer ambulanten Operation oder nach einer ambulanten Krankenhausbehandlung Bedarf für eine grundpflegerische und hauswirtschaftliche Versorgung haben. Durch den neuen Leistungsanspruch auf häusliche Krankenpflege soll ausweislich der Gesetzesbegründung dem Versorgungsproblem Rechnung getragen werden, dass Versicherte in den vorgenannten Fallkonstellationen einen Bedarf an grundpflegerischer und hauswirtschaftlicher Versorgung haben können, der durch die bisherigen Leistungsansprüche der häuslichen Krankenpflege nicht gedeckt wurde, da die grundpflegerische und hauswirtschaftliche Versorgung nach § 37 Abs. 1 und 2 SGB V nur in Verbindung mit medizinischer Behandlungspflege erbracht werden konnte und der Anspruch zudem im Rahmen der Sicherungspflege nach § 37 Abs. 2 SGB V von einer entsprechenden Satzungsregelung der Krankenkasse abhängig war (vgl. Abschnitt 3.1 "Allgemeines").
[2] Die Eingangsvoraussetzungen für Leistungen nach § 37 Abs. 1a SGB V "wegen schwerer Krankheit oder wegen akuter Verschlimmerung einer Krankheit" werden weder in der gesetzlichen Vorschrift noch in der Gesetzesbegründung näher konkretisiert. Nach der aktuellen Fassung der HKPRichtlinie (Fassung vom 21.12.2017) sind die Anforderungen an die Krankheit nicht isoliert, sondern nur in einer Gesamtbetrachtung mit den weiteren gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen zu bewerten. Danach kann der Leistungsanspruch gegeben sein, wenn aufgrund krankheitsbedingter Beeinträchtigungen, insbesondere in Folge einer stationären Krankenhausbehandlung, einer ambulanten Operation oder einer ambulanten Krankenhausbehandlung nach der Entlassung bzw. nach der Behandlung ein anderweitig nicht abzudeckender Bedarf an Grundpflege und hauswirtschaftlicher Versorgung besteht. Da es sich insoweit um keine abschließende Aufzählung maßgeblicher Anknüpfungssachverhalte handelt, sind auch die mit den genannten Leistungen vergleichbaren Fallkonstellationen (z. B. ambulante onkologische Chemotherapie) zu berücksichtigen. Voraussetzung für den Leistungsanspruch ist somit, dass krankheitsbedingte Beeinträchtigungen des Versicherten nach einer stationären Krankenhausbehandlung, einer ambulanten Operation oder nach einer ambulanten Krankenhausbehandlung sowie in vergleichbaren Fallkonstellationen ursächlich für den Bedarf an Grundpflege und hauswirtschaftlicher Versorgung sind. Gleiches gilt, wenn sich ein bestehender Bedarf aufgrund einer – bestehenden oder neuen - schweren Krankheit oder einer akuten Verschlimmerung einer Krankheit wesentlich verändert. Hat der Versicherte auch unabhängig von der akuten Versorgungssituation einen dauerhaften Versorgungsbedarf im Bereich der grundpflegerischen und hauswirtschaftlichen Versorgung, der durch die z. B. Krankenhausbehandlung oder ambulante Operation nicht wesentlich für einen vorübergehenden Zeitraum verändert wird, besteht kein Anspruch auf häusliche Krankenpflege nach § 37 Abs. 1a SGB V. Für eine solche Rechtsauslegung spricht auch die Darstellung in der Gesetzesbegründung, wonach der Bedarf auf körperlichen Beeinträchtigungen der Versicherten wegen der anspruchsauslösenden akuten Ereignisse beruhen muss. Bedarfe im Hinblick auf kognitive Beeinträchtigungen, die regelhaft auch losgelöst von z. B. Krankenhausbehandlung, ambulanter Operation oder ambulanter Krankenhausbehandlung bestehen können, würden durch den erweiterten Leistungsanspruch grundsätzlich nicht erfasst. Mit der Erweiterung wären keine Leistungsverschiebungen bezüglich der sozialen Pflegeversicherung oder der Eingliederungshilfe verbunden.
[3] Von § 37 Abs. 1a SGB V umfasste Fallkonstellationen können insbesondere in folgenden Fällen vorliegen:
- Schwere Erkrankungen:
Beispiel: Schwere Funktionsstörungen am Stütz- und Bewegungsapparat durch die die Mobilität stark eingeschränkt wird (z. B. nach Fraktur, Entlastung/Ruhigstellung einer unteren Extremität bei einer Bänderverletzung o. ä., akuter Bandscheibenvorfall)
- Nach Operationen (ambulant oder stationär):
Beispiel: Starke körperliche Einschränkungen und/oder Beeinträchtigungen nach Hüftgelenk-Endoprothese bzw. Hüft-Totalendoprothese infolge Oberschenkelhalsfraktur
- Während bzw. nach bestimmten Therapien:
Beispiel: Starke körperliche Einschränkungen und/oder Beeinträchtigungen nach Chemo- oder Strahlentherapie (z. B. starke Übelkeit, häufiges Erbrechen, starke Kreislaufprobleme)
- Im Zeitraum zwischen "Krankenhausentlassung" (= nicht mehr krankenhausbehandlungsbedürftig) und "Anschlussrehabilitation" (= noch nicht rehabilitationsfähig):
Beispiel: Schwere Funktionsstörungen am Stütz- und Bewegungsapparat durch die die Mobilität stark eingeschränkt wird z. B. nach einer Bandscheibenoperation infolge eines Bandscheibenvorfalls oder Parese der oberen oder unteren Extremitäten nach Schlaganfall.
[4] Diese...