A.2.4.2.2.1 Allgemeines
[1] Die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V gilt gemäß § 3 Nr. 2 SGB IV grundsätzlich für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des SGB haben. Dieser Grundsatz wird nach Maßgabe des vorrangigen überstaatlichen Rechts (vgl. § 6 SGB IV) entsprechend konkretisiert bzw. erweitert. Nach Maßgabe der VO (EG) Nr. 883/04 bzw. des Abkommens über Handel und Zusammenarbeit ist auf den Wohnortbegriff des Artikels 1 Buchst. j VO (EG) Nr. 883/04 bzw. Artikels KSS.1 Buchst. aa des Abkommens über Handel und Zusammenarbeit abzustellen. Danach ist Wohnort der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts.
[2] Die Koordinierungsregelungen der VO (EG) Nr. 883/04 sowie des Abkommens über Handel und Zusammenarbeit stellen sicher, dass Personen, die dem persönlichen Geltungsbereich unterliegen, bei den Sachverhalten mit Auslandsberührung den Rechtsvorschriften nur eines Staats unterliegen. Welche Rechtsvorschriften dies sind, ergibt sich nach den bestimmten Grundsätzen. Im Allgemeinen kann dies also dazu führen, dass die deutschen Rechtsvorschriften – trotz eines gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland – keine Anwendung finden oder umgekehrt bei einem gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb Deutschlands ins Ausland "exportiert" werden. Die sich daraus für die Anwendbarkeit der Vorschrift über die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V ergebenden Konsequenzen werden im Einzelnen in den Abschnitten A.2.4.2.2.2 bis A.2.4.2.2.4 erörtert.
[3] Für Personen, die in einem anderen Staat gesetzlich versichert sind und aufgrund des überstaatlichen Rechts Anspruch auf Sachleistungen in Deutschland als Wohnstaat haben, gilt Folgendes: Zwar hat der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung ausdrücklich auch solche Leistungsansprüche als eine die Auffang-Versicherungspflicht ausschließende vorrangige anderweitige Absicherung im Krankheitsfall angesehen (vgl. BT-Drucks. 16/3100, S. 94). Jedoch darf sich diese Frage faktisch regelmäßig nicht stellen, weil vorrangig die kollisionsrechtlichen Regelungen über die anzuwendenden Rechtsvorschriften zu beachten sind. Wenn die Person trotz ihres gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland aufgrund des überstaatlichen Rechts nicht den deutschen Rechtsvorschriften über die Krankenversicherung unterliegt, dann ist die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V bereits aus diesem Grund ausgeschlossen. Personen, die zuletzt in einem EU-/EWR-Staat, der Schweiz oder im Vereinigten Königreich versichert waren und nun den deutschen Rechtsvorschriften unterliegen, können keine Sachleistungen zulasten eines dieser Staaten in Anspruch nehmen (vgl. jedoch die abweichenden Vereinbarungen mit Dänemark, Luxemburg und Österreich, Abschnitt A.2.4.2.2.4). Die im anderen Staat (zu Unrecht) bestehende Absicherung gilt nicht als anderweitige Absicherung im Krankheitsfall.
A.2.4.2.2.2 Deutsches Recht findet keine Anwendung
[1] Nach Vorgaben der VO (EG) Nr. 883/04 und des Abkommens über Handel und Zusammenarbeit unterliegen Personen, die sich nur vorübergehend in Deutschland aufhalten, im Regelfall den Rechtsvorschriften des Staates, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (vgl. Artikel 11 Abs. 3 Buchst. e VO (EG) Nr. 883/04 bzw. Artikel KSS.10 Abs. 3 Buchst. c Abkommen über Handel und Zusammenarbeit) oder denen sie aufgrund einer Erwerbstätigkeit unterliegen (vgl. insbesondere Artikel 11 Abs. 3 Buchst. a VO (EG) Nr. 883/04 bzw. Artikel KSS.10 Abs. 3 Buchst. a Abkommen über Handel und Zusammenarbeit). Eine konkrete zeitliche Grenze zur Unterscheidung zwischen einem gewöhnlichen und vorübergehenden Aufenthalt ist im Anwendungsbereich der VO (EG) Nr. 883/04 bzw. des Abkommens über Handel und Zusammenarbeit nicht vorgesehen, so dass hierzu jeweils eine einzelfallbezogene Prüfung vorzunehmen ist. Die relevanten Entscheidungskriterien bzw. Indizien ergeben sich aus Artikel 11 VO (EG) Nr. 987/09 bzw. Artikel KSSD.10 Abkommen über Handel und Zusammenarbeit. Typische Personengruppen, bei denen ein vorübergehender Aufenthalt in Deutschland vorliegt, sind Reisende zu Urlaubszwecken oder in Deutschland studierende Personen aus einem EU-/EWR-Staat, der Schweiz oder dem Vereinigten Königreich.
[2] Neben den Sachverhalten eines vorübergehenden Aufenthalts in Deutschland kann sich die Anwendbarkeit der Rechtsvorschriften eines EU-/EWR-Staats, der Schweiz oder des Vereinigten Königreichs auch aus anderen Koordinierungsregelungen ergeben. Insbesondere sind die in einem anderen Staat erwerbstätigen und in Deutschland wohnenden Grenzgänger (vgl. Artikel 11 Abs. 3 Buchst. a VO (EG) Nr. 883/04 bzw. Artikel KSS.10 Abs. 3 Buchst. a Abkommen über Handel und Zusammenarbeit) sowie in Deutschland wohnende Bezieher einer Rente aus einem EU-/EWR-Staat, der Schweiz oder dem Vereinigten Königreich (vgl. Artikel 24 VO (EG) Nr. 883/04 bzw. Artikel KSS.22 Abkommen über Handel und Zusammenarbeit) zu nennen.
[3] Sehen also die Koordinierungsregelungen die Anwendbarkeit der Rechtsvorschriften eines EU-/EWR-Staates, der Schweiz oder des Vereinigten Königreichs vor, ...