[1] Nach der ausdrücklichen Bestimmung in § 5 Abs. 11 Satz 2 SGB V werden von der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V solche Personen nicht erfasst, für die nach § 4 FreizügG/EU für die Wohnortnahme in Deutschland die Existenz eines Krankenversicherungsschutzes verlangt wird. Hierbei knüpft diese Regelung ausschließlich an einen Krankenversicherungsschutz nach Maßgabe des Gesetzes an; auf das (tatsächliche) Bestehen eines Krankenversicherungsschutzes kommt es hier nicht an (vgl. BSG, Urteil vom 3.7.2013, B 12 KR 2/11 R, USK 2013-65).
[2] Nach diesem Maßstab werden insbesondere folgende Personengruppen vom persönlichen Anwendungsbereich der Auffang-Versicherungspflicht erfasst, weil für sie der Ausschlusstatbestand nach § 5 Abs. 11 Satz 2 SGB V irrelevant ist:
- Arbeitnehmer (praktische Relevanz nur bei der Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit nach § 7 SGB V),
- Arbeitsuchende ohne Bezug von Sozialleistungen,
- selbstständig Erwerbstätige und
- Familienangehörige dieser Personengruppen
[3] Darüber hinaus ist der Ausschlusstatbestand nach § 5 Abs. 11 Satz 2 SGB V – ungeachtet der anders lautenden Vorgaben des § 4 FreizügG/EU – dann irrelevant, wenn sich die Anwendbarkeit der deutschen Rechtsvorschriften über die soziale Sicherung aus den Artikeln 23 bis 25 VO (EG) Nr. 883/04 (Stichwort: "Bezug einer deutschen Rente") ergibt (vgl. Abschnitt A.2.4.2.2.3).
[4] Fehlt eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall (wie z.B. eine Familienversicherung nach § 10 SGB V oder eine freiwillige Versicherung nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder 2 SGB V), kommt für die vorgenannten Personen die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V in Betracht.
[5] Bei der Prüfung der Voraussetzung "letzte Versicherung in der GKV oder in der PKV" ist aufgrund der sich aus dem Artikel 5 Buchst. b VO (EG) Nr. 883/04 bzw. Artikel KSS.6 Abkommen über Handel und Zusammenarbeit ergebenden Sachverhaltsgleichstellung auf den letzten Krankenversicherungsschutz im bisherigen Wohnstaat abzustellen (vgl. Abschnitte A.2.2.2 und A.2.2.3.2.1).
[6] Dagegen werden nichterwerbstätige Unionsbürger sowie ihre Familienangehörige aus dem persönlichen Anwendungsbereich der Auffang-Versicherungspflicht ausgenommen, weil das Aufenthaltsrecht für sie die eigenständige Existenzsicherung und einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz voraussetzt (vgl. § 4 FreizügG/EU sowie Artikel 7 Abs. 1 Buchst. b Freizügigkeitsrichtlinie). Daher ist der Zugang zur GKV über die Auffang-Versicherungspflicht für diesen Personenkreis nach § 5 Abs. 11 Satz 2 SGB V ausgeschlossen (vgl. BSG, Urteil vom 18.11.2014, B 8 SO 9/13 R). Im Übrigen wirkt sich der Ausschluss nach § 5 Abs. 11 Satz 2 SGB V bereits ab Beginn des Aufenthalts der betroffenen Person in Deutschland aus, ungeachtet eines voraussetzungslosen Aufenthaltsrechts in den ersten drei Monaten nach § 2 Abs. 5 FreizügG/EU für alle Unionsbürger. Bei einer unveränderten Personengruppenzugehörigkeit wird das Zugangsrecht zur GKV im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V auch dann nicht eröffnet, wenn im Einzelfall die bei der Einreise nach Deutschland vorhandene Absicherung im Krankheitsfall später entfällt (z.B. Wegfall einer aus dem Herkunftsland "mitgebrachten" zeitlich befristeten privaten Auslandskrankenversicherung).
[7] Im Übrigen ist der Zugang zur GKV über die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder 2 SGB V für nichterwerbstätige Unionsbürger gleichermaßen nicht eröffnet. Voraussetzung für die Begründung einer freiwilligen Mitgliedschaft in der GKV ist in Anlehnung an § 5 Abs. 11 Satz 2 SGB V die "Rechtmäßigkeit der Wohnortnahme in Deutschland"; da diese jedoch die Existenz eines Krankenversicherungsschutzes voraussetzt, bleibt für eine freiwillige Mitgliedschaft innerhalb der GKV kein Raum.
Frau A. ist bulgarische Staatsangehörige und war zuletzt in Bulgarien gesetzlich als Arbeitnehmerin pflichtversichert. Nunmehr verlegt sie ihren Wohnort nach Deutschland und möchte zu ihrem Freund ziehen.
Beurteilung:
Frau A. ist eine nicht erwerbstätige Unionsbürgerin. Voraussetzung für das Aufenthaltsrecht nichterwerbstätiger Unionsbürger ist die eigenständige Existenzsicherung sowie der Nachweis eines ausreichenden Krankenversicherungsschutzes. Gemäß § 5 Abs. 11 Satz 2 SGB V ist die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V ausgeschlossen. Dies gilt auch für die freiwillige Versicherung nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V.
[8] Dieser Rechtsanwendung steht auch das Urteil des EuGH vom 15.7.2021 in der Rechtssache C-535/19 nicht entgegen. Demnach müssen die wirtschaftlich nicht aktiven Unionsbürger, die sich freizügigkeitsberechtigt in den ersten fünf Jahren in Deutschland aufhalten, ein Beitrittsrecht zum "öffentlichen Krankenversicherungssystem" erhalten. Mit Blick darauf, dass Deutschland über ein duales Krankenversicherungssystem verfügt, wird dieses Recht bereits durch die Verpflichtung privater Versicherungsunternehmen zur Aufnahme bestimmter Personen ohne anderweitige Absicherung im Krankhe...