Zusammenfassung
Der Deutsche Bundestag hat am 1. Dezember 2011 das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstrukturgesetz - GKV-VStG) verabschiedet; der Bundesrat hat dem Gesetz am 16. Dezember 2011 zugestimmt.
Das Gesetz ist im Bundesgesetzblatt BGBl 2011 Teil I Nr. 70 S. 2983 ff. veröffentlicht und ist in wesentlichen Teilen am 1. Januar 2012 in Kraft getreten. Hiervon sind auch leistungsrechtliche Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung betroffen. Soweit hiervon abweichende Inkrafttretensregelungen gelten, wird nachfolgend gesondert darauf aufmerksam gemacht.
Der GKV-Spitzenverband sowie die Verbände der Krankenkassen auf Bundesebene haben die in Kraft getretenen leistungsrechtlichen Änderungen beraten und die dabei erzielten Ergebnisse in diesem Rundschreiben zusammengefasst.
Die in § 11 Abs. 4 SGB V sowie § 39 SGB V vollzogenen Änderungen werden in diesem Rundschreiben nicht kommentiert. Zu den Änderungen im Zusammenhang mit § 32 SGB V erfolgen ggf. gesonderte Hinweise.
Darüber hinaus sind keine Aussagen zu den redaktionellen Änderungen in den §§ 47a, 49, 55, 62 und 264 SGB V getroffen worden, da sich hieraus keine leistungsrechtlichen Änderungen ergeben haben.
Offen gebliebene gemeinsame Umsetzungsfragen werden im Übrigen in den routinemäßigen Besprechungen des GKV-Spitzenverbandes sowie der Verbände der Krankenkassen auf Bundesebene weiter beraten und bei Bedarf einvernehmlichen Lösungen zugeführt.
§ 2 SGB V - Leistungen
Siehe § 2 Abs. 1a SGB V.
1. Allgemeines
Die Vorschrift besitzt klarstellenden Charakter und führt keine neuen Leistungen ein. Sie gilt als Ausnahme von § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V, wonach Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen haben und vollzieht die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes vom 6. Dezember 2005 - 1 BvR 347/98 - nach ("Nikolausbeschluss").
2. Leistungsvoraussetzungen
[1] Nach dem Leitsatz des Nikolausbeschlusses ist es mit den Grundrechten aus Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz nicht vereinbar, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, dem medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.
[2] Durch das Bundessozialgericht wurden die vom Bundesverfassungsgericht definierten Voraussetzungen zur Inanspruchnahme von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, deren Nutzen (noch) nicht nachgewiesen wurde, konkretisiert (stellvertretend Urteil des Bundessozialgerichts [BSG] vom 14. Dezember 2006 - B 1 KR 12/06 R -). Dementsprechend besteht ein Leistungsanspruch unter folgenden - kumulativ zu erfüllenden - Voraussetzungen:
- Es liegt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung bzw. eine wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung (Verlust eines nicht kompensierbaren Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion) vor. Zudem muss eine notstandsähnliche Situation vorliegen, in der nach den konkreten Umständen des Falles voraussichtlich ein tödlicher Krankheitsverlauf bzw. der Verlust eines nicht kompensierbaren Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit droht.
- Es steht eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung dieser Krankheit nicht zur Verfügung oder scheidet im konkreten Einzelfall aus.
- Es besteht eine "auf Indizien gestützte", nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf. Das heißt, dass die anzuwendende Methode im Allgemeinen wie auch bei dem konkret zu beurteilenden Versicherten überwiegend positive Wirkungen erwarten lassen muss, so dass sie voraussichtlich "mehr nützt als schadet". Zu beurteilen sind dabei die Erfolgschancen einer Methode vor Beginn der Behandlung anhand der bereits zum Antragszeitpunkt vorliegenden Erkenntnisse über den Einsatz, die Wirksamkeit, Chancen und Risiken im Sinne einer abstrakten und konkreten Chancen-/Nutzen-Abwägung.
[3] Die Vorschrift entspricht insoweit der - über die vom GKV-Spitzenverband verabschiedete Begutachtungsanleitung Außervertragliche "Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB)" (ohne Fertigarzneimittel) verbindlich geregelten - Praxis der Krankenkassen.
3. Besonderheiten im Arzneimittelbereich
[1] Versicherte können die Versorgung mit vertragsärztlich verordneten Fertigarzneimitteln zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ungeachtet weiterer Einschränkungen (vgl. §§ 31, 34 SGB V) grundsätzlich nur dann beanspruchen, wenn eine arzneimittelrechtliche Zulassung für das Indikationsgebie...