1 Fiktive unbeschränkte Steuerpflicht

Ziel der Regelung ist es, beschränkt Steuerpflichtige, die ihr wesentliches Einkommen im Inland erzielen, wie unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Inländer zu behandeln (z. B. beim Abzug von Werbungskosten, Sonderausgaben oder außergewöhnlichen Belastungen). Die Abgrenzung der Grenzpendlereigenschaft orientiert sich deshalb ausschließlich an den Einkommensverhältnissen. Es kommt nicht darauf an, dass der Steuerpflichtige arbeitstäglich zwischen ausländischem Wohnort und inländischem Arbeitsort pendelt.

Maßgebliche Einkommensschwelle

Für die fiktive unbeschränkte Steuerpflicht gelten folgende Grenzen[1]:

  • Begünstigt sind Steuerpflichtige, deren Summe der Einkünfte im Kalenderjahr mindestens zu 90 % der deutschen Einkommensteuer unterliegt (relative Wesentlichkeitsgrenze); oder, falls diese Grenze nicht erreicht ist,
  • deren nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den Grundfreibetrag von 11.604 EUR[2] im Kalenderjahr 2024 (2023: 10.908 EUR) nicht übersteigen (absolute Wesentlichkeitsgrenze).
[2] § 32a Abs. 1 EStG i. d. F. des Inflationsausgleichsgesetzes. Es wurde aber eine Erhöhung für das Jahr 2024 angekündigt, die rückwirkend ab 1.1.2024 gelten soll.

2 Unbeschränkte Steuerpflicht nur auf Antrag

Die fiktive unbeschränkte Steuerpflicht wird nicht von Amts wegen gewährt. Der Grenzpendler hat sie auf amtlichem Vordruck unter Vorlage der ausländischen Einkommensbescheinigung beim jeweiligen Betriebsstättenfinanzamt zu beantragen. Auf die Vorlage der Bescheinigung kann für die Steuerklassenänderung verzichtet werden, wenn eine Bestätigung der ausländischen Steuerbehörde bereits in einem der beiden vorangegangenen Jahre erfolgte.[1]

Das Betriebsstättenfinanzamt trägt die beantragte Steuerklasse, bei EU-/EWR-Arbeitnehmern unter den gegebenen Voraussetzungen[2] die Steuerklasse III, in eine inhaltlich der früheren Lohnsteuerkarte entsprechende Bescheinigung ein, die bei Arbeitsaufnahme bzw. jeweils zu Beginn des Kalenderjahres dem inländischen Arbeitgeber zur Durchführung des Lohnsteuerabzugs vorzulegen ist.[3]

 
Hinweis

Grenzpendler weiterhin vom ELStAM-Verfahren ausgeschlossen

Der elektronische Abruf der Lohnsteuerabzugsmerkmale ist ab dem Lohnsteuerverfahren 2020 auch für beschränkt Steuerpflichtige möglich.[4] Der Personenkreis der Grenzpendler bleibt allerdings aus technischen Gründen weiterhin vom ELStAM-Verfahren ausgeschlossen. Mit einer Einbeziehung von Grenzpendlern in die elektronische Vergabe der Steuerabzugsmerkmale ist ab 2023 zu rechnen.[5] Für die Vergabe der Steuerklasse, von Kinderfreibeträgen und die Eintragung eines Freibetrags im Lohnsteuerverfahren 2023 ist nach wie vor das Papierverfahren maßgebend.[6]

Das Betriebsstättenfinanzamt stellt auf Antrag dem ausländischen Grenzpendler eine Papier-Bescheinigung mit den maßgebenden Besteuerungsmerkmalen (Lohnsteuerklasse, Kinderfreibetragszähler, Freibeträge) aus, die dem Lohnbüro bei Beginn der Beschäftigung für die Vornahme des Lohnsteuerabzugs vorzulegen ist. In allen anderen Fällen ist die Steuerklasse VI anzuwenden. Der elektronische Abruf in der ELStAM-Datenbank ist gesperrt.

3 Ermittlung der Einkommensgrenze

3.1 Nach DBA beschränkt steuerpflichtige Einkünfte

Bei der Berechnung der Einkommensgrenze von 90 % bleiben Einkünfte außer Ansatz, die nach den Bestimmungen eines DBA im Inland der Höhe nach nur beschränkt besteuert werden dürfen.[1]

3.2 Andere ausländische Einkünfte

Ebenfalls außer Ansatz bleiben im Ausland nicht steuerpflichtige Einkünfte, wenn vergleichbare Einkünfte auch im Inland steuerfrei sind.

Ausländische Bezüge, die, wie z. B. das niederländische Arbeitslosengeld, im jeweiligen Mitgliedstaat steuerpflichtig sind, müssen dagegen weiterhin in die Ermittlung der Einkommensgrenzen einbezogen werden.[1] Diese Regelung ergibt sich durch eine geänderte Fassung des § 1 Abs. 3 EStG im JStG 2008 als Ergebnis der EuGH-Rechtsprechung.[2] Der BFH hat diese Rechtsauslegung bestätigt. Niederländische Arbeitslosengeldzahlungen sind als ausländische, nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegende Einkünfte in die Berechnung der Einkunftsgrenzen einzubeziehen.[3]

Kapitalerträge, die dem Kapitalertragssteuerabzug von 25 % unterliegen, bleiben bei der Berechnung der Einkunftsgrenzen wegen § 2 Abs. 5b EStG außer Ansatz. Dagegen sind die der Abgeltungssteuer unterliegenden (inländischen und ausländischen) Kapitaleinkünfte in die Berechnung der für die fiktive unbeschränkte Steuerpflicht maßgebenden Einkunftsgrenzen einzubeziehen.[4]

 
Wichtig

Einkommensteuerveranlagung: Berücksichtigung ermäßigt zu besteuernder Auslandseinkünfte

Erfüllt der Steuerpflichtige die Voraussetzungen der fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht, sind die ermäßigt zu besteuernden Auslandseinkünfte dennoch in dessen Einkommensteuerveranlagung einzubeziehen.

Bei der Einkommensgrenze bleiben auch Lo...

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