Zur Durchführung einer Haltungsanalyse im Unternehmen existieren verschiedene Verfahren, die sich jeweils unterschiedlichen Screening-Stufen zuordnen lassen:
- Grob-Screening-Verfahren,
- spezielle Screening-Verfahren,
- Experten-Screening-Verfahren.
Im Folgenden werden ausgewählte Verfahren der jeweiligen Screening-Stufen anwendungsorientiert vorgestellt, die zur Beurteilung von Körperhaltungen herangezogen werden können.
5.1 Grob-Screening-Verfahren
Beobachtung
Die Anwendung von Grob-Screening-Verfahren ermöglicht eine orientierende Erfassung und Bewertung der Körperhaltung in Bezug auf physische Belastungsfaktoren. Ein einfaches und praktikables Verfahren stellt in diesem Zusammenhang die Beobachtung dar. Auf Basis der Besichtigung der Arbeitsplätze und der optischen Begutachtung der am Arbeitsplatz verrichteten Tätigkeiten erfolgt eine subjektive Beurteilung der Körperhaltung in dem jeweiligen Arbeitskontext.
Die Dokumentation der Ergebnisse kann dabei beispielsweise anhand einer Tabelle oder mithilfe einer vorgefertigten Checkliste erfolgen. Zur Visualisierung der analysierten Körperhaltung kann die ausgeführte Arbeitstätigkeit anhand von softwaregestützten Foto- oder Videoaufnahmen dokumentiert werden. Dadurch besteht die Möglichkeit, bereits vor Ort oder in der späteren Analyse die Körperhaltung bzw. Bewegungsabläufe zu bewerten und entsprechende Korrekturen vorzunehmen bzw. einzuzeichnen. Infolgedessen können die so dokumentierten Körperhaltungen auch im Rahmen eines präventiven Verhaltenstrainings oder im Zuge einer Unterweisung sinnvoll genutzt werden. Auf welche Aspekte im Rahmen des Beobachtungsverfahrens geachtet werden sollte, wird im Folgenden anhand von 2 Praxisbeispielen illustriert.
Beispiel 1: Der Büro- und Bildschirmarbeitsplatz
Bei der Begutachtung der Körperhaltung an Büro- und Bildschirmarbeitsplätzen dienen folgende Beobachtungskriterien als Orientierung:
Fußstellung:
Stehen Ihre Fußsohlen ganzflächig auf dem Boden? Sind die Beine leicht, etwa hüftbreit, geöffnet?
Ober- und Unterschenkel:
Bilden die Ober- und Unterschenkel einen Winkel von 90° oder mehr, wenn die Füße mit ganzer Sohle den Boden berühren? Liegen Fuß, Unter- und Oberschenkel in einer Ebene?
Beckenstellung:
Ist das Becken mittig bzw. leicht nach vorne gekippt?
Brustkorbstellung:
Ist der Brustkorb leicht aufgerichtet? Ist das Brustbein leicht angehoben?
Arm- und Schulterstellung:
Können die Arme ohne Anspannung der Schultern so auf der Tischfläche aufliegen, dass Ober- und Unterarme einen Winkel von rund 90° bilden, wenn die Unterarme eine waagrechte Linie zur Tastatur bilden?
Kopfstellung:
Wird das Kinn leicht herangezogen und ist die Halswirbelsäule gestreckt?
Wie eine Visualisierung bzw. Dokumentation der Haltungsanalyse an Büro- und Bildschirmarbeitsplätzen unter Zuhilfenahme einer Foto- bzw. Videoaufnahme aussehen kann, zeigt Abb. 4.
Abb. 4: Haltungsanalyse an Büro- und Bildschirmarbeitsplätzen (DHfPG, 2017)
Beispiel 2: Hebetätigkeiten
Bei der Begutachtung der Körperhaltung im Rahmen von Hebetätigkeiten dienen folgende Beobachtungskriterien als Orientierung:
Ausgangsstellung:
Wird dicht und frontal an die Last herangetreten und stehen die Füße hüftbreit auseinander?
Wird sich mäßig gebückt und wird beim Bücken das Gesäß nach hinten geschoben? Wird zugleich etwas in die Hocke gegangen (weniger als 90°-Kniebeuge)?
Oberkörperposition:
Wird der Oberkörper gerade und soweit wie möglich aufrecht gehalten?
Hüft- und Kniegelenke:
Wird die Last gleichmäßig und körpernah angehoben, indem die Hüft- und Kniegelenke gestreckt werden?
Aufrichten:
Arbeiten beim Aufrichten Rücken- und Oberschenkelmuskeln zusammen?
Hüft- und Kniegelenke:
Wird die Last gleichmäßig und körpernah angehoben, indem die Hüft- und Kniegelenke gestreckt werden?
Wie eine Visualisierung bzw. Dokumentation der Haltungsanalyse bei Hebe- und/oder Tragetätigkeiten unter Zuhilfenahme einer Foto- bzw. Videoaufnahme aussehen kann, zeigt Abb. 5.
Abb. 5: Dokumentation der Haltungsanalyse bei Hebe-/Tragetätigkeiten (DHfPG, 2017)
5.2 Spezielles Screening-Verfahren
OWAS-Methode
Zur vertiefenden Beurteilung von Körperhaltungen stehen mehrere Verfahren zur Verfügung, die eine Bewertung entsprechender Belastungsmuster erlauben. Ein in der Prävention von MSE oft angewendetes arbeitswissenschaftliches Verfahren zur Bewertung von Körperhaltungen ist die OWAS-Methode. Mit ihr können die während einer Tätigkeit auftretenden Körperhaltungen erfasst und klassifiziert werden und darüber hinaus die daraus entstehenden Belastungen für das Muskel-Skelett-System bestimmt werden.
Die Ermittlung der Körperhaltungen erfolgt dabei durch einen Beobachter, der vorzugsweise mithilfe einer Videoaufzeichnung die Art der Körperhaltungen und deren zeitlichen Anteil festhält (theoretisch würden Papier und Stift ausreichen). Begutachtet werden die Haltung des Rückens, der Arme und der Beine sowie die zu handhabenden Lastgewichte. Aus der Kombination dieser verschiedenen Haltungen (Rücken, Arme und Beine) ergeben sich zunächst 84 mögliche Grundhaltungen, di...