Entscheidungsstichwort (Thema)

Beratungsanspruch. Betriebsrat. Betriebsänderung. Rechtsanwalt. Honorar

 

Leitsatz (amtlich)

Der Betriebsrat hat gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG einen Anspruch auf Freistellung vom Anwaltshonorar, wenn er eine erforderliche Beratung nach § 111 Satz 2 BetrVG in Anspruch nimmt. Das Honorar richtet sich grundsätzlich nach § 20 BRAGO.

 

Normenkette

BetrVG § 111 Sätze 2, 40; BRAGO § 20

 

Verfahrensgang

ArbG Gießen (Beschluss vom 18.03.2003; Aktenzeichen 5 BV 7/02)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Gießen vom 18. März 2003 – 5 BV 7/02 – teilweise abgeändert:

Die Beteiligte zu 2) wird verpflichtet, den Beteiligten zu 1) von der Übernahme der Honorarnote der Rechtsanwälte H., Dr. W. und T. vom 15. Oktober 2002 in Höhe von EUR 1.236,56 (i.W.: eintausendzweihundertsechsunddreißig 56/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. November 2002 freizustellen.

Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Darüber hinaus wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird für die Beteiligte zu 2) zugelassen.

 

Gründe

Die Beteiligten streiten um die Kosten eines vom Betriebsrat im Rahmen einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG beauftragten Rechtsanwalts.

Die Beteiligte zu 2) ist ein Unternehmen mit seinerzeit fünf Standorten in B., K., Z., R. und R. und gehört zum V. Konzern mit Sitz in W. An den Standorten waren insgesamt mehr als 300 Arbeitnehmer beschäftigt. Der Beteiligte zu 1) war der am Standort B. gewählte fünfköpfige Betriebsrat. Im August 2002 wurde von der Konzernleitung die unternehmerische Entscheidung getroffen, Umstrukturierungsmaßnahmen vorzunehmen und im Zuge dessen den Standort B. vollständig zu schließen. Außerdem hat die Beteiligte zu 2) am Standort K. das Geschäftsfeld 3 und am Standort Z. das Geschäftsfeld 2 deutschlandweit zusammengeführt und Arbeitsplätze abgebaut bzw. verlagert. Hierüber hat die Beteiligte zu 2) den Betriebsrat mündlich am 19. August 2002, darüber hinaus in einer Auftaktsitzung am 27. August 2002 und mit Schreiben vom 2. September 2002 in Kenntnis gesetzt.

In der Betriebsratssitzung vom 23. August 2002 hat der Betriebsrat den Beschluss gefasst, Rechtsanwalt Dr. W. aufgrund der von der Beteiligten zu 2) geplanten Betriebsänderung und damit verbundenen Schließung des Standorts B. mit der Wahrnehmung seiner Interessen zu beauftragen.

Mit Schreiben des Rechtsanwalts Dr. W. vom 29. August 2002 (Bl. 153, 154 d.A.) zeigte dieser seine Vertretung gegenüber der Beteiligten zu 2) nebst Honorarregelung vom 200,00 Euro/Stunde zuzüglich Mehrwertsteuer mit der Bitte um Zustimmung bis zum 2. September 2002 an. Das Schreiben wird wie folgt eingeleitet:

„… wir zeigen hiermit an, dass wir den Betriebsrat Ihres Unternehmens … anwaltlich beraten …”

Mit Schreiben von Rechtsanwalt Dr. W. vom 9. Oktober 2002 und 15. Oktober 2002 machte dieser seine Honorarnote unter Darlegung einer Zeit- und Arbeitsaufwandsliste (vgl. Bl. 8, 9 d.A.) nebst Besprechungsinhalt gegenüber der Beteiligten zu 2) in Höhe von insgesamt 4.833,34 Euro geltend. Die Übernahme der Anwaltskosten wurde durch die Beteiligte zu 2) mit Schreiben vom 25. Oktober 2002 u.a. mit der Begründung abgelehnt, eine Zuständigkeit des örtlichen Betriebsrats für die geplante und durchgeführte Betriebsänderung im Unternehmen bestehe nicht. Am 24. September 2002 schloss die Beteiligte zu 2) mit dem im Unternehmen eingerichteten Gesamtbetriebsrat einen Interessenausgleich und Sozialplan über das geplante Sanierungs- und Restrukturierungskonzept im Unternehmen (vgl. Bl. 103–120 d.A.).

Der Betriebsrat ist der Auffassung gewesen, die Zuständigkeit des örtlichen Betriebsrats zum Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplans habe bestanden, da lediglich der Standort B. von einer Schließung betroffen gewesen sei, während in den Standorten K. und Z. lediglich ein Personalabbau stattgefunden habe und zwei Standorte nicht betroffen gewesen seien. Nach der Neufassung des § 111 BetrVG sei er auch berechtigt gewesen, einen juristischen Sachverständigen ohne Zustimmung der Geschäftsleitung hinzuzuziehen. Letztlich entspreche das vereinbarte Zeithonorar den im mittelhessischen Raum üblichen Sätzen.

Der Betriebsrat hat beantragt,

die Beteiligte zu 2) zu verpflichten, ihn von der Übernahme der Honorarnote der Rechtsanwälte H., Dr. W. und T. vom 15. Oktober 2002 in Höhe von 4.833,34 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 18. November 2002 freizustellen.

Die Beteiligte zu 2) hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Die Beteiligte zu 2) ist der Auffassung gewesen, § 111 BetrVG setze voraus, dass im Betrieb mehr als 300 Arbeitnehmer beschäftigt seien. Da es sich bei der geplanten Maßnahme um ein unternehmenseinheitliches Konzept gehandelt habe, sei die zwingende Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats gegeben gewesen. Der Anspruch gemäß § 111 BetrVG auf Hinzuziehung eines Beraters habe daher dem für die Verhandlungen unzuständigen örtlichen Betriebsrat nicht ...

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