Entscheidungsstichwort (Thema)
Gleichbehandlung. Mehrarbeitsvergütung
Leitsatz (amtlich)
1. Der Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet es, ohne sachlichen Grund Arbeitnehmer, die Mehrarbeit leisten wollen, davon auszuschließen, wenn Mehrarbeit für vergleichbare Arbeitnehmer angeordnet oder angenommen wird.
2. Der arbeitswillige Arbeitnehmer, der zu Unrecht zu Mehrarbeit nicht herangezogen wurde, kann dafür unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs Vergütung verlangen.
Normenkette
BGB §§ 611, 615
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 11.04.2000; Aktenzeichen 5 Ca 4240/99) |
Tenor
Das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 11.04.2000 – 5 Ca 4240/99 – wird abgeändert:
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 3.920,70 brutto nebst 4 % Zinsen aus 1.997,69 DM seit 24.06.1999 und aus 1.923,01 DM seit 25.01.2000 zu zahlen.
2.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
3.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt zu 74 % der Kläger und zu 26 % die Beklagte.
4.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger verlangt von der Beklagten Vergütung von Mehrarbeit, zu der er nicht herangezogen wurde.
Der Kläger ist bei der Beklagten, einer Großbäckerei, seit 1987 als Kommissionierer beschäftigt, im Wesentlichen nachts. Die vertragliche Arbeitszeit beträgt 38 Stunden pro Woche, der Stundenlohn DM 18,67 brutto. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist unstreitig ein Manteltarifvertrag anwendbar, der eine Verfallfrist von 3 Monaten enthält.
Bei der Beklagten ist die Arbeit so organisiert, dass von den Kommissionierern regelmäßig über die tarifvertraglich und arbeitsvertraglich vereinbarten 38 Stunden pro Woche hinaus gearbeitet werden muss.
Seit einem Konflikt im Jahre 1989, an dem auch der Kläger beteiligt war und in dessen Rahmen es zur Verweigerung von Überstunden kam, war der Kläger zunächst nicht mehr und später nur bei besonderem Bedarf zu Mehrarbeit herangezogen worden. Im Mai 1998 bat der Kläger seinen Abteilungsleiter, ihn in gleicher Weise zu Mehrarbeit heranzuziehen wie seine Arbeitskollegen, worauf er zunächst genauso wie seine Arbeitskollegen zu Überstunden herangezogen wurde. Seit August 1998 wurde der Kläger, auch nachdem er sich darüber beschwerte, nur noch mit der Regelarbeitszeit von 38 Stunden pro Woche beschäftigt.
Seine Kollegen, die in den gleichen Schichten eingeteilt waren, leisteten seit der 35. Kalenderwoche 1998 bis zur 50. Kalenderwoche 1999 wöchentlich darüber hinaus Mehrarbeit zwischen 10 und 14 ½ Stunden. Wegen der über die regelmäßige Arbeitszeit hinausgehenden „Überstunden” wird auf die Anlagen K 1 zur Klageschrift und K 2 zur Klageerweiterung vom 20. Januar 2000 verwiesen.
Mit seiner der Beklagten am 24. Juni 1999 zugestellten Klage hat der Kläger die Bezahlung von Überstunden ab der 35. Kalenderwoche 1998 bis zur 21. Kalenderwoche 1999 in dem Umfang geltend gemacht, wie diese von seinen Arbeitskollegen geleistet wurden. Mit der Klageerweiterung, die der Beklagten am 25. Januar 2000 zugestellt wurde, hat er diese für die 23. – 50. Kalenderwoche 1999 geltend gemacht.
Der Kläger hat behauptet, sein Vorgesetzter habe ihm im August 1998 erklärt, die Geschäftsleitung habe angewiesen, den Kläger nie wieder mit Mehrarbeit zu beschäftigen, weil er am 22. August 1998 in einer Versammlung der Gewerkschaftsmitglieder der Beklagten im Gewerkschaftshaus gesprochen habe.
Der Kläger hat behauptet, er sei wegen seiner gewerkschaftlichen Betätigung und ohne sachlichen Grund von der Leistung von Mehrarbeit ausgeschlossen worden.
Der Kläger hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger DM 3.295,26 brutto nebst 4% Zinsen hieraus seit dem 01.01.1999 zu zahlen;
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger DM 2.708,83 brutto nebst 4% Zinsen hieraus seit dem 01.04.1999 zu zahlen;
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger DM 2.809,84 brutto nebst 4% Zinsen hieraus seit dem 01.07.1999 zu zahlen;
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger DM 3.407,28 brutto nebst 4% Zinsen hieraus seit dem 01.10.1999 zu zahlen;
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger DM 2.651,14 brutto nebst 4% Zinsen hieraus seit dem 01.01.2000 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe keinen Anspruch auf Ableistung von Überstunden gehabt. Dass er dazu nicht herangezogen wurde habe nichts mit der gewerkschaftlichen Betätigung des Klägers zu tun gehabt. Sie hat die Gesprächsinhalte der Gespräche zwischen dem Kläger und dem Abteilungsleiter M., wie sie der Kläger behauptet hat, bestritten.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen mit Urteil vom 11. April 2000, auf das Bezug genommen wird.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers. Wegen der für die Zulässigkeit der Berufung erheblichen Daten wird auf das Protokoll vom 06. Juni 2001 (Bl. 62 d.A.) verwiesen.
Der Kläger wiederholt im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen. Er verdeutlicht, dass er mit dem erstinstanzlich verwendeten Begriff der „Arbeitsgruppe” jeweils die Arbeitskollegen ...