Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Streitigkeiten über Abschluss von Vereinbarungen nach § 75 Abs 3 SGB 12. einstweiliger Rechtsschutz. Zuständigkeit der Schiedsstelle
Orientierungssatz
1. Voraussetzung eines Tätigwerdens der Schiedsstelle ist das Vorhandensein einer Leistungsvereinbarung.
2. Eine Verpflichtung zum Abschluss von Vereinbarungen iS des § 75 Abs 3 S 1 SGB 12 im Wege einer einstweiligen Anordnung kommt nur in Betracht, wenn eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt.
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Wiesbaden vom 23. Januar 2006 aufgehoben. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig verpflichtet, mit dem Antragsteller eine Leistungs- und Prüfungsvereinbarung für die restliche Zeit des Jahres 2006 gemäß dessen Angebot vom 28. Dezember 2005 abzuschließen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
II. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller zwei Drittel seiner außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller begehrt im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung der Antragsgegnerin, mit ihm eine Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung für das Jahr 2006 gemäß dessen Angebot vom 28. Dezember 2005 abzuschließen, hilfsweise, die Antragsgegnerin zu verpflichten, über das Angebot des Antragstellers vom 3. August 2005 zu verhandeln und zu entscheiden.
Der Antragsteller betreibt als freier Träger eine Beratungsstelle in A-Stadt, die im Jahre 2005 mit einer diplomierten Sozialarbeiterin und einer diplomierten Sozialpädagogin besetzt war. Zu ihrem Leistungsangebot gehört u. a. die persönliche Beratung und Unterstützung von Sozialhilfeberechtigten bei der Sicherung des Lebensunterhaltes und in besonderen Lebenslagen. Die Zuwendungsfinanzierung des Antragstellers durch die Antragsgegnerin endete mit Ablauf des Jahres 2004.
Mit Schreiben vom 3. August 2005 unterbreitete der Antragsteller der Antragsgegnerin ein Angebot zum Abschluss einer Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) für 2005/2006. Darin beschrieb er näher die Leistungen, die Leistungsmerkmale (zwei Diplom-Sozialarbeiter/Pädagogen in Teilzeitarbeit, Beratungsstelle in gemieteten gut erreichbaren Räumlichkeiten mit Telefon, PC und Literatur) und die Vergütung.
Mit Schreiben vom 26. Oktober 2005 lehnte die Antragsgegnerin das Angebot ab, weil kein Bedarf bestehe.
Den am 8. November 2005 beim Sozialgericht Wiesbaden (SG) eingegangenen und unter dem 28. Dezember 2005 - im Hinblick auf ein detailliertes ausgearbeitetes Vereinbarungsangebot vom gleichen Tage - modifizierten Antrag, die Antragsgegnerin vorläufig zu verpflichten, mit dem Antragsteller eine Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung für 2006 gemäß dessen Angebot vom 28. Dezember 2005 abzuschließen, hilfsweise, die Antragsgegnerin zu verpflichten, über das Angebot des Antragstellers vom 3. August 2005 zu verhandeln und zu entscheiden, hat das SG durch
Beschluss vom 23. Januar 2006 abgelehnt. Unzulässig sei der Antrag, soweit der Antragsteller bereits jetzt den Abschluss einer Vergütungsvereinbarung begehre, weil es ohne Durchführung des gesetzlich vorgesehenen Schiedsverfahrens am Rechtsschutzbedürfnis fehle (Hinweis auf den Beschluss des Senats vom 20. Juni 2005 - L 7 SO 2/05 ER). Darüber hinaus sei der Antrag zulässig. Das schiedsgerichtliche Verfahren sei nach der Bezugnahme in § 77 Abs. 1 S. 2 SGB XII auf § 76 Abs. 2 SGB XII allein im Hinblick auf den Abschluss einer Vergütungsvereinbarung vorgreiflich, nicht aber für den Abschluss von Leistungs- und Prüfungsvereinbarungen im Sinne von § 75 Abs. 3 Nr. 1 und 3 SGB XII.
Soweit der Antragsteller den Abschluss einer Leistungs- und Prüfungsvereinbarung begehre, fehle es sowohl am Anordnungsgrund als auch am Anordnungsanspruch. Von einem Anordnungsgrund könne nicht ausgegangen werden, weil aus dem Vortrag des Antragstellers nicht ersichtlich sei, dass dieser in eine besondere Notlage geraten könnte, falls die von ihm begehrte einstweilige Anordnung nicht sofort erlassen werde. Eine derartige besondere Notlage könne im Falle einer Existenzgefährdung oder beim Drohen anderer schwerwiegender, nachträglich nicht reparabler Nachteile gegeben sein. Derartige Umstände seien hier nicht erkennbar. Alleine die Tatsache, dass der Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin keine Kosten abrechnen könne, bevor es zu einem Abschluss einer Vereinbarung gekommen sei, begründe keine besondere Eilbedürftigkeit. Einen akuten Finanzbedarf, der allein durch Vergütungen aufgrund der angestrebten Vereinbarungen beseitigt werden könnte, habe der Antragsteller nicht dargelegt.
Auch ein Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht. Der Abschluss von Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII stehe im Ermessen des Leistungsträgers. Die Ermessensausübung habe sich - neben der Beachtung des Gleichheitsgrunds...