Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht. Facharzt für Anästhesiologie auf der Basis von Honorararztverträgen im Krankenhaus. Eingliederung in Arbeits- und Organisationsstrukturen des Krankenhauses. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Fremde Betriebsmittel. Teamarbeit. Weisungsgebundenheit. Vergütung nach Arbeitsstunden. Persönliche Arbeitsleistung. Vertretung. Unternehmerrisiko. Ausschluss von Lohnfortzahlung. Tätigkeit auch für andere Auftraggeber. Vertragliche Vereinbarung. Wille der Vertragspartner
Leitsatz (amtlich)
1. Die jeweilige Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw selbstständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, das heißt den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (stRspr des BSG, vgl BSG vom 11.11.2015 - B 12 KR 10/14 R = SozR 4-2400 § 7 Nr 28).
2. Bestimmte Berufsgruppen (hier: Facharzt für Anästhesiologie) bei der Beurteilung der Versicherungs- und Beitragspflicht bereits im Vorfeld von dieser Gesamtbetrachtung auszunehmen ist unzulässig.
3. Aus dem zum 11.4.2017 eingeführten § 23c Abs 2 SGB IV folgt keine andere Wertung. Es handelt sich um eine eng auszulegende Einzelfallkodifizierung für eine bestimmte Berufsgruppe (Notärzte).
Normenkette
SGB IV § 7 Abs. 1; SGB III § 25 Abs. 1 S. 1; SGB IV § 23c Abs. 2
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 16. November 2015 wird zurückgewiesen
Die Beteiligten haben einander im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger bei der Beigeladenen zu 1. in der Zeit vom 3. Dezember 2012 bis zum 10. Dezember 2012, vom 17. Dezember 2012 bis zum 21. Dezember 2012, vom 11. März 2013 bis zum 18. März 2013, vom 22. April 2013 bis zum 29. April 2013, vom 6. Mai 2013 bis zum 13. Mai 2013 sowie vom 20. Mai 2013 bis zum 27. Mai 2013 in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stand.
Der 1965 geborene Kläger ist Facharzt für Anästhesiologie und wurde im streitgegenständlichen Zeitraum in der Anästhesieabteilung (Außendienst, ambulanter Operationsbereich und zentraler Operationsbereich) der Beigeladenen zu 1., einem Klinikum in C-Stadt, tätig.
Am 27. Dezember 2012 stellte die Beigeladene zu 1. bei der Beklagten einen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Klägers im Rahmen dessen diese u.a. darauf hinwies, dass eine Zuweisung der Patienten an den Kläger durch Operationen, Behandlungspläne und Notfälle erfolge, eine Zusammenarbeit mit den sonstigen Mitarbeitern des Klinikums lediglich in der Weise erfolge, dass die fachlichen und organisatorischen Vorgaben des Klinikums insoweit zu beachten seien als dies die ordnungsgemäße Vertragsdurchführung erfordere, sowohl ein Weisungsrecht des Klägers gegenüber dem Krankenhauspersonal als auch eine Einbindung des Klägers in die Entscheidungshierarchien des Krankenhauses nicht bestünden, mit dem Kläger lediglich Einsatzzeiten abgesprochen würden, die auch Bereitschaftsdienste umfassten, die Vergütung auf Stundenbasis nach Verhandlung mit dem Honorararzt erfolge und eine Beteiligung des Klägers an den Betriebskosten (z.B. Miete/Nutzungsentgelt) des Klinikums nicht stattfinde. Die Beigeladene zu 1. legte Rechnungen des Klägers vom 10. Dezember 2012 und vom 21. Dezember 2012 nebst den jeweiligen, von der Beigeladenen zu 1. abgezeichneten, Abrechnungsbögen über die von dem Kläger abgeleisteten Stunden vor. Mit Bescheiden jeweils vom 7. März 2013 wies die Beklagte den Kläger und die Beigeladene zu 1. darauf hin, dass das Verfahren auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status nicht durchgeführt werde. Trotz Schreibens an den Kläger vom 7. Januar 2013 mit der Bitte um Vorlage weiterer Unterlagen bzw. weiterer Angaben und Erinnerung hieran unter dem 14. Februar 2013 sei kein Eingang zu verzeichnen. Eine Entscheidungsfindung sei anhand der bisher eingereichten Unterlagen nicht möglich, sodass das Verwaltungsverfahren eingestellt werde. Auf den Widerspruch der Beigeladenen zu 1. vom 28. März 2013 nahm die Beklagte das Verwaltungsverfahren wieder auf. Nach nochmaliger Anforderung der Beklagten machte der Kläger Angaben und wies u.a. darauf hin, dass er anhand des aktuellen Operationsplanes einen Operationssaal auswähle und eigenständig die anfallenden Anästhesien durchführe. Er könne im Tagesablauf die Behandlung einzelner Patienten ablehnen und übernehme nur Teilgebiete der Gesamtbehandlung des einzelnen Patienten. Die Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen erfolge nur im Rahmen einzelner Teilaufgaben nach den Regeln der entsprechenden Fachgesellschaften im Sinne einer Abstimmung und nicht nach den Vorgaben der Klinik. Eine Teilnahme an Teambesprechungen oder ...