Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Unterhaltsgeld. Individualansprüche der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft. Anforderungen an Aufhebungs- bzw Rückforderungsbescheide. Berechnung des Rückforderungsbetrags
Orientierungssatz
1. Unterhaltsgeld nach SGB 3 ist als Einkommen nach § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 zu berücksichtigen.
2. Der Grundsatz eines Individualanspruchs gilt auch im Leistungssystem des SGB 2 (vgl BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 1). Aus der Vertretungsvermutung nach § 38 SGB 2 folgt weder ein Leistungsanspruch der Bedarfsgemeinschaft noch ein Gesamtanspruch eines Mitglieds einer Bedarfsgemeinschaft.
3. Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide wegen zu Unrecht gewährter Leistungen nach dem SGB 2 müssen deshalb eindeutig erkennen lassen, welches Mitglied der Bedarfsgemeinschaft in welcher Höhe Leistungen zu Unrecht erhalten hat und welcher Betrag von welcher Person zurückgefordert wird.
4. Zur Berechnung der Höhe des Rückforderungsbetrags unter Berücksichtigung der Vorgaben des § 9 Abs 2 S 3 SGB 2.
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 25. Oktober 2005 geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 24. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
19. Juli 2005 wird aufgehoben, soweit von dem Kläger mehr als 111,16 EUR zurückgefordert wurde.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) durch die Beklagte.
Der Kläger (geb. 1969) bezog bis zum 3. Oktober 2004 Arbeitslosenhilfe und bis zum 31. Dezember 2004 für sich und seine Familienangehörigen ergänzende Sozialhilfe. Er beantragte am 20. September 2004 bei der Agentur für Arbeit in A-Stadt für sich, seine Ehefrau V.A. (geb. 1971) sowie für die in seinem Haushalt lebenden Kinder C.A. (geb. 1991) sowie T.A. (geb. 1993) und F.A. (geb. 1996) Leistungen nach dem SGB II. Bereits zuvor hatte er bei der Agentur für Arbeit Unterhaltsgeld nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) beantragt, das ihm mit Bescheid vom 17. September 2004 für die Zeit ab 4. Oktober 2004 bewilligt wurde. Nach den Angaben des Klägers sei ihm dieser Bescheid am 21. September 2004 zugegangen. Bei der Abgabe des Antrages auf Leistungen nach dem SGB II bei der Agentur für Arbeit habe der Kläger die Beantragung von Unterhaltsgeld angegeben. Der Sachbearbeiter habe die Beantragung im Computer nachvollziehen können. Der Antrag des Klägers auf Leistungen nach dem SGB II wurde von der Agentur für Arbeit an die Beklagte, die ihre Tätigkeit im November bzw. Dezember 2004 aufgenommen hat, weitergeleitet. Gegenüber der Beklagten hat der Kläger die Beantragung bzw. den Bezug von Unterhaltsgeld nicht angegeben. Mit Bescheid vom 5. November 2004 wurden dem Kläger und seinen Familienangehörigen - ohne Anrechnung von Unterhaltsgeld als Einkommen - Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2005, und zwar in Höhe von 1.269,78 EUR für den Monat Januar 2005 und in Höhe von 1.287,78 EUR ab Februar 2005 bewilligt. Dabei berücksichtigte die Beklagte für den Kläger als Regelleistung 311 EUR monatlich sowie anteilige Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 129,19 EUR, so dass sich für ihn ein Bedarf von 440,19 EUR ergab. Als Gesamtbedarf für die Bedarfsgemeinschaft ermittelte die Beklagte für Januar 2005 1.940,03 EUR und ab Februar 2005 1.958,03 EUR.
Mit Bescheid vom 2. Januar 2005 bewilligte die Agentur für Arbeit dem Kläger Unterhaltsgeld in Höhe von 17,33 EUR täglich (= 519,90 EUR monatlich) ab 1. Januar 2005. Mit Schreiben vom 26. Januar 2005 wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass ihr der Bezug von Unterhaltsgeld bis mindestens 30. Juni 2005 mitgeteilt worden sei und dass entsprechende Leistungen evtl. als Einkommen anzurechnen seien. Nach Vorlage des entsprechenden Vordruckes und des Bewilligungsbescheides über Unterhaltsgeld hob die Beklagte mit Bescheid vom 24. Februar 2005 bzw. 1. März 2005 (Datum des von der Beklagten vorgelegten Bescheides) den Leistungsbescheid vom 5. November 2004 für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2005 teilweise auf und forderte von dem Kläger die Erstattung zu Unrecht gezahlter Leistungen in Höhe von 1.469,70 EUR. Zugleich erließ die Beklagte einen neuen Leistungsbescheid für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 30. Juni 2005 und bewilligte unter Anrechnung von Unterhaltsgeld Leistungen für den Monat Januar 2005 in Höhe von insgesamt 779,88 EUR und ab Februar 2005 in Höhe von 797,88 EUR. Mit Schreiben vom 13. März 2005, bei der Beklagten eingegangen am 15. März 2005, legte der Kläger Widerspruch zum einen gegen die Rückforderung, zum anderen gegen die geänderte Leistungshöhe ein. Mit Widerspruchsbescheiden vom 19. Juli 2005 wies die Beklagte die Widersprüche als unbegründet zurück.
Der Kläger h...