Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückwirkende Aufhebung der Bewilligung des Beitragszuschusses zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung. grobe Fahrlässigkeit. Bösgläubigkeit. Verletzung der Mitteilungspflicht
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Frage der groben Fahrlässigkeit und Bösgläubigkeit bei § 48 Abs 1 S 2 Nr 2 und 4 SGB 10.
2. Eine Verletzung der Mitteilungspflicht kommt überhaupt nur dann in Betracht, wenn der Versicherte in eindeutiger und unmissverständlicher Form über die Änderung seines Krankenversicherungsverhältnisses informiert wurde. Die schlichte Überlassung einer neuen Krankenversichertenkarte mit dem allgemeinen Hinweis auf die "Krankenversicherung der Rentner" reicht dafür regelmäßig nicht.
3. Das nicht Bemerken einer erfolgten (hier: eingestellten) Beitragsabbuchung durch die Krankenkasse stellt nicht in jedem Fall eine besonders schwere Sorgfaltspflichtverletzung dar. Die Umstände des Einzelfalles sind stets zu berücksichtigen.
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 4. September 2012 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Beitragszuschüssen zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung.
Die Klägerin ist die Witwe des Versicherten B. A. (geb. 1949, gest. 2000). Aufgrund des Bescheides der Beklagten vom 12. August 1998 bezog der Versicherte ab Oktober 1997 eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Zu der Leistung wurden Beitragszuschüsse zu den Aufwendungen für eine freiwillige Kranken- und auch Pflegeversicherung gewährt (Bescheide vom 12. August 1998 und 21. Dezember 1998).
In ihrem Hinterbliebenenrentenantrag vom 25. April 2000 erklärte die Klägerin unter Bestätigung ihrer diesem Verfahren beigeladenen Krankenkasse freiwillig versichert zu sein.
In dem dazugehörigen Antrag auf Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung (Vordruck 4.5001 SB) unterzeichnete die Klägerin - vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten Rentenberater B. - unter anderem die Beendigung der freiwilligen Krankenversicherung, den Beginn einer Versicherungspflicht in der Krankenversicherung und auch Änderungen des Pflegeversicherungsverhältnisses der Beklagten unverzüglich anzuzeigen.
Mit Bescheid vom 15. Mai 2000 bewilligte die Beklagte der Klägerin eine sog. große Witwenrente, mit weiterem Bescheid vom 21. Juni 2000 zu dieser Zuschüsse zum freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag.
In dem Bescheid vom 21. Juni 2000 wurden der Klägerin diverse Mitteilungspflichten auferlegt. Auf Seite 4 des Bescheides heißt es u.a.:
"Der Anspruch auf Beitragszuschuss für die freiwillige oder private Krankenversicherung entfällt mit der Aufgabe oder dem Ruhen dieser Krankenversicherung und bei Eintritt von Krankenversicherungspflicht. Daher besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns jede Änderung des Krankenversicherungsverhältnisses und jede Änderung der Beitragshöhe unverzüglich mitzuteilen. Dies gilt auch für Änderungen in den Verhältnissen von Familienangehörigen, deren Beitrag bei der Berechnung des Beitragszuschusses berücksichtigt wurde.
Der Anspruch auf Beitragszuschuss für die Pflegeversicherung entfällt bei Eintritt von Versicherungspflicht in der Krankenversicherung sowie bei Eintritt von Beitragsfreiheit in der Pflegeversicherung. Daher besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns jede Änderung des Kranken- und Pflegeversicherungsverhältnisses unverzüglich mitzuteilen."
Im Juli 2008 erstattete die Beigeladene eine Fehlermeldung im maschinellen KVdR-Meldeverfahren bezüglich des Kranken- und Pflegeversicherungsverhältnisses ab dem 1. April 2002. Danach bestand seit diesem Zeitpunkt eine Pflichtversicherung der Klägerin in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung.
Mit Bescheid vom 25. Juli 2008 erließ die Beklagte einen Rentenbescheid, mit dem sie die Witwenrente ab Januar 2004 neu berechnete. In dem Bescheid wurde die Bewilligung des Zuschusses zur Krankenversicherung mit Wirkung für die Zukunft ab dem 1. September 2008 aufgehoben und bestimmt, dass künftig ein monatlicher Beitragsanteil zur Kranken- und Pflegeversicherung einbehalten werde. Für die Zeit vom 1. April 2002 bis zum 31. August 2008 stellte die Beklagte eine Überzahlung in Höhe von 4.709,28 € fest und hörte die Beklagte insoweit zur beabsichtigten Aufhebung des Bescheides vom 21. Juni 2000 auch mit Wirkung für die Vergangenheit ab dem 1. April 2002 und zur Rückforderung der Überzahlung an. Die Anhörung korrigierte die Beklagte mit weiterem Schreiben vom 17. September 2008 dahin, dass sich die Gesamtsumme der überzahlten Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung auf 5.530,32 € belaufe und entsprechend dieser Betrag zur Rückforderung anstehe.
Mit Bescheid vom 20. Januar 2009 hob die Beklagte den Bescheid vom 21. Juni 2000 über die Bewilligung des Zuschusses zu den Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung ...