Entscheidungsstichwort (Thema)
Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs. Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung. Verhinderung der Anbahnung eines Beschäftigungsverhältnisses bzw des Zustandekommens eines Vorstellungsgesprächs. verspätete Bewerbung bei mehreren Vermittlungsvorschlägen. vorwerfbares Verhalten. grob fahrlässiges Verhalten. Berechnung des Erstattungsbetrages. 30 Tage für den Monat Februar
Orientierungssatz
1. Das Vergessen der rechtzeitigen Absendung einer bereits gefertigten E-Mail-Bewerbung stellt auch bei einer Vielzahl von Vermittlungsvorschlägen ein grob fahrlässiges Verhalten dar, wenn durch bisherige berufliche Tätigkeiten von einer individuellen Fähigkeit des Arbeitslosen ausgegangen werden kann, und ist daher ein vorwerfbares Verhalten iS von § 159 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 3.
2. Bei der Berechnung eines Erstattungsbetrages bei einer im Februar eingetretenen Änderung, die mindestens bis zum Ende diesen Monats reicht, ist für die Höhe des Erstattungsbetrages der Monat Februar mit 30 Tagen anzusetzen.
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 16. Mai 2019 folgendermaßen abgeändert: Der Sperrzeitbescheid vom 21. April 2017 und der Änderungsbescheid vom 21. April 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. August 2017 werden aufgehoben, soweit die Feststellung einer Sperrzeit und die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld die Zeit vom 11. bis 12. März 2017 betreffen und soweit die Erstattungsforderung die Höhe von 712,11 Euro übersteigt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin 10 % ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um den Eintritt einer dreiwöchigen Sperrzeit nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) und die Aufhebung und Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg) für den Zeitraum der Sperrzeit.
Die Klägerin war vom 1. Juni 2010 bis 30. September 2016 (Bl. 4 der Verwaltungsakte) als Disponentin/Bürokauffrau bei dem Autohaus C. GmbH & Co. KG beschäftigt. Das Beschäftigungsverhältnis endete durch Kündigung des Arbeitgebers vom 29. Juli zum 30. September 2016 (Bl. 4, 5 der Verwaltungsakte). In der Zeit vom 16. Mai 2016 bis 7. September 2016bezog die Klägerin Krankengeld (Bl. 8 der Verwaltungsakte).
Die Klägerin meldete sich am 29. September 2016 (Bl. 1 der Verwaltungsakte) bei der Beklagten zum 1. Oktober 2016 persönlich arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Durch Bescheid vom 16. November 2016 (Bl. 14 der Verwaltungsakte) bewilligte die Beklagte der Klägerin vorläufig Alg vom 8. Oktober 2016 bis 29. September 2017 bei einem Anspruchsbeginn am 1. Oktober 2016 und einer Anspruchsdauer von 360 Kalendertagen. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass die Klägerin über den Auszahlungsanspruch im Zeitraum vom 1. bis 7. Oktober 2016 ein gesondertes Schreiben erhalten werde. Nachdem die Beklagte den Vergleich des Arbeitsgerichts Würzburg vom 20. Oktober 2016 (Bl. 21 der Verwaltungsakte) erhalten hatte, in dem festgestellt worden war, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch ihre Arbeitgeberin aufgrund ordentlicher fristgerechter Kündigung aus betriebsbedingten Gründen mit Ablauf des 30. September 2016 geendet hat, bewilligte die Beklagte der Klägerin durch Änderungsbescheid vom 9. Dezember 2016 (Bl. 29 der Verwaltungsakte) Alg endgültig ab 1. Oktober 2016 in Höhe von 33,91 Euro täglich.
Die Beklagte übersandte der Klägerin ein Vermittlungsangebot vom 15. Februar 2017 für eine Tätigkeit als „Bürokraft/Kaufmännische Fachkraft“ bei der Firma D. e.K. Autovermietung (Bl. 48 der Verwaltungsakte - Teil Vermittlung und Beratung) sowie ein Vermittlungsangebot vom 22. Februar 2017 als kaufmännischer Mitarbeiter bzw. kaufmännische Mitarbeiterin mit Erfahrungen im Autohaus bei dem Autohaus E. (Bl. 53 der Verwaltungsakte - Teil Vermittlung und Beratung). Sie wurde jeweils aufgefordert, sich umgehend zu bewerben. In der Rechtsfolgenbelehrung wurde jeweils auf folgendes hingewiesen:
„Wenn Sie ohne wichtigen Grund die Ihnen angebotene Beschäftigung nicht annehmen oder nicht antreten oder das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses durch ihr Verhalten verhindern (z.B. indem Sie sich nicht vorstellen), tritt eine Sperrzeit ein (…). Sie dauert längstens 12 Wochen. Die Sperrzeit dauert drei Wochen bei erstmaligem versicherungswidrigen Verhalten (…), sechs Wochen bei dem zweiten versicherungswidrigen Verhalten (…). Ein versicherungswidriges Verhalten in diesem Sinne liegt vor, wenn Sie eine Arbeit oder berufliche Eingliederungsmaßnahme nach Ihrer persönlichen Arbeitslosmeldung abgelehnt oder eine berufliche Wiedereingliederungsmaßnahme abgebrochen haben. Während der Sperrzeit ruht Ihr Anspruch auf Leistungen (Alg, Arbeitslosenbeihilfe -Alb SZ - oder Teilarbeitslosengeld), das heißt, Leistungen werden nicht ausgezahlt. Hinweise dazu, wann eine Sperrzeit eintritt, enthält...