Entscheidungsstichwort (Thema)
Ruhen des Arbeitslosengeldanspruches wegen Entlassungsentschädigung. Nichteinhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist. Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch arbeitsgerichtliches Urteil. Arbeitsentgeltanteil. Erlöschen der Leistungen wegen Erfüllung
Orientierungssatz
1. Eine arbeitsgerichtlich festgesetzte Entlassungsentschädigung setzt sachlogisch voraus, dass eine Entschädigung für Arbeitsentgelte nicht enthalten sein kann, weil das Gericht die Entschädigung nur für die Zeit nach Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist gem § 9 Abs 2 KSchG festsetzen darf. Ein Ruhen des Arbeitslosengeldanspruches tritt daher nicht ein, weil die Vorschrift des § 143a Abs 1 S 1 SGB 3 in typisierender Weise davon ausgeht, dass jede Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung, die im Zusammenhang mit einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährt wird, in einem bestimmten Umfang eine Entschädigung für ausgefallenes Arbeitsentgelt enthält.
2. Über Arbeitslosengeld ist nur für den streitgegenständlichen Zeitraum zu entscheiden und eine spätere Anspruchserschöpfung lässt den für einen vorherigen Zeitpunkt bestehenden Arbeitslosengeldanspruch nicht erlöschen.
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 9. November 2007 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten der Berufung zu erstatten. Im Übrigen haben die Beteiligten einander für die Berufung keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren noch darüber, ob die Beklagte zu Recht für den Zeitraum vom 9. Mai 2000 bis 7. September 2000 das Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs des Klägers festgestellt hat.
Der 1947 geborene Kläger war ab dem 1. April 1990 bei der Beigeladenen als Niederlassungsleiter beschäftigt. Laut Anstellungsvertrag vom 1. Dezember 1989 war eine Kündigungsfrist von sechs Monaten entweder zum 30. Juni oder zum 31. Dezember eines Jahres verabredet (Bl. 125 ff. GA xxx des ArbG - GA).
Am 28. Januar 2000 kündigte die Beigeladene das Arbeitsverhältnis außerordentlich, fristlos, hilfsweise ordentlich zum 30. April 2000 (Bl. 5 GA). Der Kläger nahm hiergegen gerichtlichen Rechtsschutz bei dem Arbeitsgericht im Wege der Kündigungsschutzklage mit dem Az. xxx in Anspruch, die später um Entgelt- und korrespondierende Auskunftsansprüche erweitert ist.
Der Kläger meldete sich am 4. Februar 2000 arbeitslos und wies dabei auf die Kündigungsschutzklage hin.
Die Beklagte zeigte der Beigeladenen mit Schreiben vom 22. März 2000 den Übergang der vom Kläger geltend gemachten weiteren Ansprüche auf Arbeitsentgelt an, soweit sie Arbeitslosengeld für den entsprechenden Zeitraum erbringe, und bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 24. März 2000 Arbeitslosengeld in Höhe von 102,48 DM täglich, im Hinblick auf den möglichen Eintritt einer Sperrzeit zunächst nur vorläufig für längstens 585 Tage ab 22. April 2000. Mit weiterem Bescheid vom 11. April 2000 gewährte sie dann Arbeitslosengeld in unveränderter Höhe bereits ab dem 10. Februar 2000 für längstens 780 Tage. Ab 26. Juli 2000 erhöhte die Beklagte mit Änderungsbescheid vom 22. Juni 2000 den täglichen Leistungssatz auf 104,61 DM.
Die Kündigungsschutzklage wies das Arbeitsgericht mit Teilurteil vom 31. Juli 2001 ab (Bl. 325 ff. GA). Der Kläger legte gegen dieses Urteil Berufung bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht (LAG) ein. Im Berufungsverfahren stellte die Beigeladene vorsorglich mit Schriftsatz vom 2. April 2003 (Bl. 491 ff. GA) einen Auflösungsantrag zum 30. April 2000 gegen eine in das Ermessen des Gerichts gestellte Abfindung, sofern das Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche noch durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung beendet sein sollte (§ 9 Abs. 2 KSchG). Mit Urteil vom 4. September 2003 (Bl. 591 ff. GA) gab das LAG diesem Antrag statt. Es änderte auf die Berufung des Klägers das Teilurteil des Arbeitsgerichts rechtskräftig nur insoweit ab, als es die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zum 30. April 2004 gegen Verurteilung der Beigeladenen zur Zahlung einer Abfindung an den Kläger in Höhe von 50.000 € feststellte.
Den nachträglich bei dem LAG gestellten Antrag des Klägers, den Tenor des Berufungsurteils dahingehend zu korrigieren, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Arbeitsvertragsparteien erst zum 31. Dezember 2000 aufgelöst werde, weil eine vorherige Kündigung vertraglich ausgeschlossen sei, lehnte das LAG mit Beschluss vom 8. Dezember 2004 ab (Bl. 647 f. GA). Zur Begründung führte es aus, nach § 319 ZPO seien Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die in einem Urteil vorkämen, jederzeit von dem Gericht auch von Amts wegen zu berichtigen. Unrichtig sei ein Urteilstenor, wenn er dem Ergebnis der Beratung des Spruchkörpers nicht entspreche. Die Unrichtigkeit sei offenbar, wenn sie sich aus dem Zusammenhang des Urteils selbst oder aus den Vorgängen ...