Entscheidungsstichwort (Thema)

Bemessung des Insolvenzgeldes. Arbeitsentgelt. Tantiemenansprüche. Einstellung der Geschäftstätigkeit einer Bank aufgrund Bankaufsichtsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Die Einstellung der Geschäftstätigkeit einer Bank aufgrund einer bankaufsichtsrechtlichen Maßnahme stellt ein Betriebsrisiko der Bank dar. Die Bank schuldet in diesem Fall nach § 615 S 3 BGB die Zahlung vereinbarter, aber wegen der erzwungenen Einstellung der Geschäftstätigkeit nicht mehr erwirtschafteter Tantiemen. Diese Ansprüche stellen Arbeitsentgelt dar, das zur Zahlung von Insolvenzgeld nach §§ 183, 185 SGB 3 führen kann.

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 23. Juni 2006 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger unter Abänderung ihres Bescheides vom 21. Mai 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2004 weiteres Insolvenzgeld in Höhe von 68.392,42 Euro zu gewähren.

II. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Instanzen zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Höhe des für die Zeit von 1. Juli bis 30. September 2002 gewährten Insolvenzgeldes.

Der Kläger war in der Abteilung Derivate der D. GmbH beschäftigt, die durch Betriebsübergang auf die E. AG, in F., übergangen ist. Am 19. Juli 2002 sprach die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht gegenüber der E. AG ein Zahlungs- und Verfügungsverbot aus. Die E. AG stellte daraufhin ihre Handelstätigkeit ein und der Kläger konnte seiner Tätigkeit als Wertpapierhändler bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses am 30. September 2002 nicht mehr nachgehen.

Der Kläger beantragte am 26. November 2002 bei der Beklagten Insolvenzgeld. Dazu legte er Gehaltsabrechnungen seines Arbeitgebers für Juli, August und September 2002 vor. Darin wurde ein Bruttogehalt als Händler in Höhe von 6.392,00 Euro, ein Arbeitgeberanteil für vermögenswirksame Leistungen für Händler in Höhe von 39,88 Euro sowie eine allgemeine Sonderzahlung in Höhe von 52.626,64 Euro für jeden Monat ausgewiesen (insgesamt 59.058,62 Euro monatlich). Für Juli 2002 wurde daraus ein Nettoverdienst von 37.992,44 Euro, für August 2002 ein Nettoverdienst von 31.029,44 Euro und für September 2002 von 30.124,25 Euro berechnet. Die Arbeitgeberanteile für die freiwillige Krankenversicherung und für die Pflegeversicherung des Klägers wurden darin mit 244,60 Euro und 28,69 Euro monatlich angegeben.

Der Kläger reichte außerdem ein Schreiben seines Arbeitgebers an ihn vom 15. Oktober 2002 ein, in dem ihm mitgeteilt wurde, dass die Firma E. AG am 19. Juli 2002 die Zahlungsunfähigkeit gegenüber der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht angezeigt habe. Es bestünden Gehaltsforderungen des Klägers für Juli bis September 2002 in Höhe von jeweils 59.058,62 Euro brutto. Zudem legte der Kläger eine Bestätigung der D. GmbH vom 11. September 2002 über sein Gehalt vom 1. Januar 2002 bis 30. Juni 2002 vor. Dieses habe sich aus einem Grundgehalt in Höhe von 38.346,90 Euro brutto und Tantiemen in Höhe von 315.760,44 Euro zusammengesetzt.

In dem Anstellungsvertrag vom 1. bzw. 5. November 1999 zwischen der D. GmbH und dem Kläger ist in § 9 Abs. 2 geregelt:

“Für den Fall einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird vereinbart, dass ein Tantiemenanspruch bis zum Ausscheiden (aktive Mitarbeit) aus dem Unternehmen besteht.„

Weitere Einzelheiten zur Berechnung der Tantieme finden sich in § 9 Abs. 3 bis 6 des Anstellungsvertrages.

Darüber hinaus ist in § 10 Abs. 2 des Vertrages folgendes geregelt:

“Änderung oder Ergänzungen des Vertrages bedürfen der Schriftform. Dies gilt auch für Nebenabreden …„

Im Nachtrag vom 23. bzw. 28. Juni 2000 zu diesem Anstellungsvertrag ist § 4 folgendermaßen neu geregelt:

“Der Arbeitnehmer erhält als Festgehalt ab 1. Juli 2000 ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von 12.500 DM. …„

Außerdem ist darin § 9 Abs. 1 folgendermaßen neu gefasst:

“Die Zahlung der Tantieme erfolgt mit dem Mai- bzw. Novembergehalt. Sie wird nachträglich für das vorausgegangene Kalenderhalbjahr gezahlt. Die Tantieme für das 1. Halbjahr 2000 wird im Januar 2001 ausgezahlt.„

Der Kläger legte außerdem ein Schreiben vom 28. Juni 2002 vor, mit dem er über einen Betriebsübergang der Abteilung Derivate der D. GmbH auf die E. AG unterrichtet wurde, und sein Schreiben vom 27. Juni 2002, mit dem er auf einen Widerspruch gegen den Betriebsübergang verzichtet hat. Außerdem fügte der Kläger seine Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom 19. September 2002 zum 30. September 2002 und das Annahmeschreiben der E. AG vom gleichen Tage bei.

Mit Bescheid vom 29. November 2002 gewährte die Beklagte dem Kläger einen Vorschuss auf das Insolvenzgeld in Höhe von 10.000 Euro.

Mit Schreiben vom 30. April 2003 wies der Insolvenzverwalter des Arbeitgebers des Klägers, C., darauf hin, dass am 19. Juli 2002 ein Zahlungs- und Verfügungsverbot gemäß § 46a Abs. 1 Kreditwesengesetz (KWG) ausgesprochen worden...

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