Entscheidungsstichwort (Thema)
gesetzliche Unfallversicherung. Verletztengeld. Leistungsdauer. Beendigungsgrund. Benennung einer konkreten zumutbaren Verweisungstätigkeit. Gleichwertigkeit im Vergleich zur bisherigen Beschäftigung. ungelernter Arbeiter. keine generelle Verweisbarkeit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Nichtheranziehung der BSG-Rechtsprechung zur Verweisbarkeit im Rahmen der Berufsunfähigkeits- bzw Erwerbsminderungsrenten
Leitsatz (amtlich)
1. Die Beendigung der Verletztengeldzahlung nach § 46 Abs 3 S 2 Nr 1 SGB 7 setzt die Benennung einer konkreten zumutbaren Verweisungstätigkeit voraus. Es muss sich insoweit um eine der bisherigen Beschäftigung gleichartige Tätigkeit handeln, die auch als wirtschaftlich gleichwertig angesehen werden kann.
2. Auch ein ungelernter Arbeiter ist im Rahmen von § 46 Abs 3 S 2 Nr 1 SGB 7 nicht breit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar.
Orientierungssatz
Zur Auslegung des Begriffs der zumutbaren, zur Verfügung stehenden Berufs- und Erwerbstätigkeit iS von § 46 Abs 3 S 2 Nr 1 SGB 7 kann die Rechtsprechung des BSG weder zur Verweisbarkeit der Versicherten im Rahmen der Berufsunfähigkeitsrenten noch zur Verweisbarkeit der Versicherten im Rahmen der Erwerbsminderungsrenten herangezogen werden.
Aufgrund der Vergleichbarkeit der Leistungen kommt deshalb nur ein Rückgriff auf die Rechtsprechung des BSG zum Krankengeld nach den §§ 44ff SGB 5 in Betracht.
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 8. Januar 2007 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Instanzen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Dauer der Gewährung von Verletztengeld.
Der 1948 geborene Kläger lebt seit 1974 in der Bundesrepublik Deutschland. Die deutsche Sprache spricht er nur sehr eingeschränkt. Er hat weder einen Schulabschluss noch hat er einen Beruf erlernt. In seinem Berufsleben hat er im Wesentlichen Helfertätigkeiten bei verschiedenen Baufirmen ausgeübt. Zuletzt war er bei der Fa. M-Bau GmbH in W-Stadt als Fahrer mit Ladetätigkeit und Bauarbeiter beschäftigt. Diese Tätigkeit umfasste auch schwere körperliche Arbeiten.
Am 12. März 2004 erlitt der Kläger während dieser bei der Beklagten versicherten Tätigkeit einen Verkehrsunfall. Vor dem Unfall hatte er bei einer Baustoffhandlung in B-Stadt Mörtel für eine Baustelle in F-Stadt besorgt. Auf der anschließenden Fahrt mit dem Firmenwagen zu dieser Baustelle verlor er auf der Autobahn A 5 die Kontrolle über das Fahrzeug, als sich von diesem das linke Hinterrad löste, und kam von der Fahrbahn ab. Er zog sich eine dislozierte distale Radius-Mehrfragmentfraktur rechts mit Gelenkflächenbeteiligung und Abriss der Spitze des Processus styloideus ulnae (Griffelfortsatz der Elle) sowie eine Prellung des linken Kniegelenkes mit Schürfwunde zu.
Der Kläger wurde bis zum 26. März 2004 zur Erstversorgung stationär in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik F-Stadt (BGUK) behandelt, anschließend erfolgte eine ambulante Physio- und Ergotherapie. Nachdem am 24. April 2004 der Lohnfortzahlungszeitraum abgelaufen war, zahlte die AOK Hessen dem Kläger im Auftrag der Beklagten aufgrund der mit dieser bestehenden Verwaltungsvereinbarung Verletztengeld aus.
Eine Untersuchung in der BGUK am 28. April 2004 ergab einen Verdacht auf eine drohende Heilentgleisung; eine Röntgenuntersuchung hatte ergeben, dass noch keine ausreichende Heilung eingetreten war bei Verdacht auf eine axiale Sinterung der Fraktur. Auch bei einer weiteren Untersuchung am 12. Mai 2004 konnte noch keine ausreichende knöcherne Heilung festgestellt werden, die drohende Heilentgleisung war jedoch durch die durchgeführte ambulante Therapie weitgehend behoben.
Nachdem die Heilung weiterhin verzögert war und sich eine Sensibilitätsstörung der rechten Hand entwickelt hatte, erfolgte eine weitere stationäre Behandlung in der BGUK vom 23. Juni bis zum 17. Juli 2004, in deren Rahmen durch den Neurologen Dr. FF. ein Karpaltunnelsyndrom ausgeschlossen wurde. Es handele sich um eine distale Läsion des Nervus ulnaris mit möglicher Kompression in der Loge de Guyon, aber auch Mitbeteiligung des oberflächlichen Astes des Nervus ulnaris.
Auch in der Folgezeit wurden von dem Kläger anhaltende massive Ruhe- und Belastungsschmerzen im rechten Handgelenk teils auch mit Ausstrahlung in den rechten Kleinfinger beklagt. Es bestand eine erhebliche Druckschmerzhaftigkeit sowohl über der ellenseitigen Narbe als auch in der rechten Hohlhand; die eigentätige Handgelenksbeweglichkeit war massiv eingeschränkt, das Bewegungsausmaß ließ sich schmerzbedingt aber auch fremdtätig nicht wesentlich verbessern. Auch die Unterarm-Drehbeweglichkeit war erheblich eingeschränkt, der Faustschluss kraftlos und deutlich verzögert. Die Mittelhandmuskulatur war deutlich verschmächtigt ausweislich des Berichts der BGUK vom 19. August 2004. Die behandelnden Ärzte hielten eine weitere Beh...