Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankengeld. Rückübertragung einer auf den Berichterstatter übertragenen Berufung auf den Senat. Nachweis der Arbeitsunfähigkeit. Widerlegbarkeit einer vom Vertragsarzt bescheinigten Arbeitsunfähigkeit durch den MDK bei der Notwendigkeit einer Begutachtung nach persönlicher Untersuchung des Versicherten
Leitsatz (amtlich)
1. Ist die Berufungsentscheidung gem § 153 Abs 5 SGG auf den Berichterstatter übertragen worden und stellt sich sodann heraus, dass weitere umfängliche Ermittlungen erforderlich sind oder die materielle Rechtslage nicht einfach gelagert ist, so kann die Sache auf Initiative bzw mit Einverständnis des Berichterstatters durch Entscheidung des Senats an diesen zurückübertragen werden.
2. Die Richtigkeit einer ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit eines Versicherten wird durch ein auf Aktenbasis und ohne persönliche Untersuchung des Versicherten erstelltes MDK-Gutachten nicht in Zweifel gesetzt, wenn auf Grund des Krankheitsbildes und fehlender aussagekräftiger medizinischer Unterlagen eine zeitnahe persönliche Untersuchung angezeigt ist. Die Krankenkassen sind an die MDK-Beurteilung nicht gebunden. Der MDK ist als sachverständiges Beratungsorgan konzipiert. Seine gutachtlichen Stellungnahmen sollen nur als Entscheidungshilfen für die Krankenkassen wirken.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 22.02.2012 abgeändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 17.05.2006 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 27.07.2006 verurteilt, dem Kläger Krankengeld für die Zeit vom 20.06.2006 bis 30.09.2006 in gesetzlichem Umfang zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben für das Berufungsverfahren einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger für den Zeitraum vom 20. Juni 2006 bis 30. April 2007 von der Beklagten die Zahlung von Krankengeld beanspruchen kann.
Der 1954 geborene, bei der Beklagten krankenversicherte Kläger, war bis 30. April 2006 als Angestellter bei der C. Hotelmanagement GmbH beschäftigt gewesen. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund gerichtlichen Vergleichs vom 12. Mai 2006 vor dem Landesarbeitsgericht Frankfurt am Main (Az. 5 Sa 410/06). Seit 12. August 2005 bezog der Kläger Arbeitslosengeld I nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III). Vom 17. Oktober 2005 bis 2. Dezember 2005 war er wegen Zervikobrachial-Syndrom [M 53.1] arbeitsunfähig erkrankt (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen des Orthopäden D. vom 17. Oktober 2005, 31. Oktober 2005, 14. November 2005, 17. November 2005, 21. November 2005 und 30. November 2005). Anschließend bescheinigte zunächst der Arzt für Allgemeinmedizin/Sportmedizin Dr. E. mit Arbeitsunfähigkeitserstbescheinigung vom 5. Dezember 2005 dem Kläger Arbeitsunfähigkeit wegen Reaktion auf schwere Belastung, nicht näher bezeichnet [F 43.9 G]. Sodann attestierte der Neurologe und Psychiater Dr. G. Arbeitsunfähigkeit vom 8. Dezember 2005 bis 28. Februar 2006 wegen Neurasthenie [F 48.0 G] (Arbeitsunfähigkeitserstbescheinigung vom 8. Dezember 2005 und Arbeitsunfähigkeitsfolgebescheinigungen vom 2. und 31. Januar 2006) sowie bis 20. März 2006 wegen Neurasthenie [F 48.0 G], Hypertonie [I 10.80], Tinnitus aurium beidseitig [H 93.1 G B], Tremor, nicht näher bezeichnet [R 25.1 G] und Adipositas, nicht näher bezeichnet [E 66.9 G] (Arbeitsunfähigkeitsfolgebescheinigung vom 28. Februar 2006). Die Bundesagentur für Arbeit gewährte Arbeitslosengeld bis zum Ende der Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall am 27. November 2005.
Die Beklagte zahlte dem Kläger Krankengeld für die Zeit vom 5. bis 27. Dezember 2005 und lehnte mit Bescheiden vom 17. November 2005 und 3. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2006 die Krankengeldzahlung für die Zeiträume vom 28. November 2005 bis 4. Dezember 2005 sowie ab 28. Dezember 2005 ab. Die dagegen beim Sozialgericht Frankfurt am Main erhobene Klage (S 18/21/25 KR 353/06) nahm der Kläger am 23. März 2011 zurück.
Der Kläger meldete sich am 21. März 2006 erneut arbeitslos und stellte sich dem Arbeitsmarkt im Umfang von 40 Wochenstunden zur Verfügung. Die Bundesagentur für Arbeit bewilligte Arbeitslosengeld ab 21. März 2006 und stellte durch Bescheid vom 7. April 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2006 das Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs für die Zeit vom 29. März 2006 bis 4. April 2006 wegen einer Sperrzeit fest.
Ab dem 9. Mai 2006 war der Kläger wiederum arbeitsunfähig krank. Der Neurologe und Psychiater Dr. G. attestierte mit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom 9. Mai 2006, 31. Mai 2006, 27. Juni 2006, 14. Juli 2006, 11. August 2006 und 30. August 2006 wegen Karpaltunnelsyndrom [G 56.0], Tinnitus aurium links größer als rechts [H 93.1 G], Hypertonie [I 10.90 G], Tremor, nicht näher bezeichnet [R 25.1 G], A...