Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Jagdgast. Jagdunfall. Wie-Beschäftigung. Unterstützung des Jagdunternehmers als sog Ansteller. jagdliche Nachsuche. unternehmerähnliche Tätigkeit im eigenen Interesse. Arbeitsunfall. Landwirtschaftliches Unternehmen. Arbeitnehmerähnliche Tätigkeit
Leitsatz (amtlich)
Unterstützt ein Jagdgast den Veranstalter einer Gesellschaftsjagd, indem er die Schützen an die Stände anstellt (sog Ansteller), ist er jedenfalls dann nicht als Wie-Beschäftigter unfallversichert, wenn er ein krankgeschossenes Wild verfolgt, um es zu erlegen.
Orientierungssatz
1. Unerheblich ist, wenn der Jagdgast nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet ist, das krank geschossene Wildschwein zu erlegen, und er hierbei eine Pflicht des Jagdpächters bzw des Jagdaufsehers erfüllt.
2. Ein Jagdpächter, der auf Einladung eines Reviernachbarn in dessen Revier an einer Jagd teilnimmt, ist hierbei auch dann nicht als Jagdunternehmer nach § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a SGB 7 versichert, wenn er durch die Teilnahme an der Jagd Kenntnisse über den Wildbestand - auch seiner eigenen Jagd - erlangt und außerdem den Gastgeber nach Jägerbrauch zur Mitwirkung bei seiner eigenen Jagd verpflichtet (vgl BSG vom 30.4.1971 - 7 RU 63/70 = SozR Nr 3 zu § 542 RVO).
3. Jagden sind keine Unternehmen iS des § 123 Abs 1 Nr 7 SGB 7 und damit auch nicht iS des § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst d SGB 7.
Normenkette
SGB VII § 8 Abs. 1 S. 1, § 2 Abs. 1 Nrn. 1, 5a, 5d, Abs. 2, § 4 Abs. 2 Nr. 1, § 123 Abs. 1 Nr. 5, § 136 Abs. 3 Nr. 1; SGB IV § 7 Abs. 1; BJagdG §§ 1, 22a Abs. 1
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 24. März 2011 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keinen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Anerkennung eines Ereignisses als Arbeitsunfall.
Der Kläger ist Jagdpächter und Inhaber eines Jagdscheines. Der Zeuge C., Pächter eines Jagdreviers in D-Stadt, beabsichtigte, mit Hilfe seines Jagdaufsehers, dem Zeugen E., am 27. Oktober 2007 eine Gesellschaftsjagd zu veranstalten, an der insgesamt etwa 100 Schützen teilnehmen sollten. Der Kläger erklärte sich bereit, hierbei als sog. Ansteller mitzuwirken. Aufgabe der Ansteller ist es, die Schützen an die Stände zu führen, sie einzuweisen, die Schussbereiche festzulegen, mitzuteilen, auf welches Wild geschossen wird und wann die Schützen abgeholt werden. Nach Ende der Jagd haben die Ansteller die Schützen von den Ständen abzuholen und sie zu fragen, was geschossen wurde. Der Kläger wurde zu der Jagd am 27. Oktober 2007 eingeladen und als Ansteller in eine Liste eingetragen. Etwa eine Woche vor dem Jagdtermin trafen sich der Zeuge E., der die Jagdleitung übernommen hatte, mit dem Kläger und den weiteren Anstellern, um die Stände einzuteilen, die Jagdbereiche zu begehen und den Jagdablauf zu besprechen. Der Zeuge E. übertrug Befugnisse als Jagdleiter auf die Ansteller, unter anderem Weisungsbefugnisse gegenüber den Schützen sowie die Zuständigkeit, nach Ende der Jagd angeschossenem Wild nachzugehen und es zu erlegen. Dem Kläger wurde auch erlaubt, wie andere Jagdgäste im Revier zu schießen.
Am 27. Oktober 2007 fand die Gesellschaftsjagd statt. Nach Ende des eigentlichen Schießens, gegen 13.00 Uhr, fuhr der Kläger die von ihm zu sichernden Stände an, um die Schützen abzuholen. Dabei erkannte er, dass ein angeschossenes Wildschwein etwa 30 Meter entfernt zwischen den Bäumen davonlief. Der Kläger, der sein Gewehr bei sich trug, lief sofort gemeinsam mit einem anderen Schützen dem Wildschwein hinterher, um es zu erlegen. Hierbei trat er mit dem linken Fuß in eine Bodenvertiefung und zog sich eine Tibiakopffraktur links zu. Das Wildschwein wurde sodann von einem anderen Jagdteilnehmer erlegt.
Mit Bescheid vom 18. Dezember 2007 lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen ab. Sie legte hierin dar, dass der Kläger nach telefonischer Auskunft seiner Ehefrau vom 5. November 2007 selbst als Schütze bei der Jagd teilgenommen habe. Die kurzfristige Gefälligkeitshandlung des Einweisens der Schützen an die vorgesehenen Stände sei keine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 2 Sozialgesetzbuches Siebtes Buch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII). Der Kläger sei aus jagdfreundschaftlicher Bindung zum Veranstalter der Gesellschaftsjagd tätig geworden. Die gesamte Teilnahme an der Jagdgesellschaft sei seine private Liebhaberei der Jagdausübung. Diese stehe nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII nicht unter Versicherungsschutz.
Hiergegen legte der Kläger am 16. Januar 2008 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er im Wesentlichen an, dass er die Verletzung bei der Ausübung seiner Pflichten, die ihm vom Jagdaufseher übertragen worden seien, erlitten habe. Angesichts der Größe der Gesellschaftsjagd sei es erforderlich gewesen, dass der Jagdaufseher seine Kompetenzen auf Jagdhelfer übertragen habe. Nach Ende der Jagd dürfe ausschließlich der Jagdpächter/Jagdaufsehe...