Insbesondere bei grenzüberschreitenden Homeoffice- bzw. Telearbeitsplätzen vertreten die Spitzenorganisationen der Sozialversicherungsträger folgende Auffassung: Wenn ein Arbeitnehmer seinen Telearbeitsplatz im Ausland hat, das ihn beschäftigende Unternehmen aber im Inland ansässig ist, wird als Beschäftigungsort der Ort der ausländischen Arbeitsstätte (= Wohnort) angesehen. Dementsprechend unterliegt der Arbeitnehmer dem Sozialversicherungsrecht des Staates, in dem er seinen Heimarbeitsplatz hat. Entsprechendes gilt im umgekehrten Fall, wenn die Arbeitsstätte (Heimarbeitsplatz) in Deutschland liegt, das Unternehmen aber seinen Sitz im Ausland hat, sodass das deutsche Sozialversicherungsrecht anzuwenden ist.
Vorübergehende Änderung des Tätigkeitsorts bei grenzüberschreitenden Tätigkeiten wirkt sich nicht aus
Im Zuge der Maßnahmen zur Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie hat die Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland (DVKA) beim GKV Spitzenverband klargestellt, dass sich für Grenzgänger, die in Deutschland beschäftigt und in einem anderen Mitgliedsstaat der EU wohnhaft sind, keine Änderungen hinsichtlich des anwendbaren Sozialversicherungsrechts ergeben, wenn diese Personen vorübergehend – ganz oder teilweise – ihre Tätigkeit von zu Hause aus erbringen.
Sollte im Wohnstaat im Einzelfall ein Nachweis über die Anwendung der deutschen Rechtsvorschriften gefordert werden, kommt die Ausstellung einer Entsendebescheinigung ("A1-Bescheinigung") in Betracht, wenn die Tätigkeit lediglich vorübergehend auch im Wohnmitgliedsstaat ausgeübt werden soll.
Dies gilt gleichermaßen auch für Personen, die in Deutschland wohnen und als Grenzgänger in einem anderen EG-Mitgliedsstaat tätig sind.
Multilaterales Rahmenübereinkommen über die Anwendung von Art. 16 Abs. 1 VO (EG) 883/04
Seit dem 1.7.2023 ist das multilaterale Rahmenübereinkommen über die Anwendung von Art. 16 Abs. 1 VO (EG) 883/04 bei gewöhnlicher grenzüberschreitender Telearbeit heranzuziehen, wenn es um die Beurteilung des anzuwendenen Sozialversicherungsrechts bei mobilen Arbeiten im europäischen Raum geht.
Das Übereinkommen wurde zunächst für die Dauer von 5 Jahren geschlossen (mit einmaliger automatischer Verlängerung um weitere 5 Jahre). Diese Zeit soll zur Prüfung, ob die VO (EG) 883/04 um eine neue Bestimmung für die Telearbeit erweitert wird, genutzt werden.
Ab 1.7.2023 können Beschäftigte bis zu 49,99 % der Gesamtarbeitszeit in Form von grenzüberschreitender Telearbeit im Wohnstaat erbringen, ohne dass dies Auswirkungen auf die Anwendbarkeit des Sozialversicherungsrechts hat.
Unter Telearbeit i. S. d. Übereinkommens fallen dabei Tätigkeiten, die ortsunabhängig erbracht werden und in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers oder an seinem Sitz ausgeübt werden könnten, jedoch
- in einem anderen Mitgliedsstaat ausgeübt werden als der, in dem sich der Sitz des Arbeitgebers befindet und
- sich auf Informationstechnologie stützen, um mit der Arbeitsumgebung des Arbeitgebers sowie zu Beteiligten/Kunden in Verbindung zu bleiben, um die vom Arbeitgeber übertragenen Aufgaben zu erfüllen.
Hinsichtlich der Berechnung des im Wohnstaat ausgeübten max. möglichen Anteils der Beschäftigung von 49,99 % ist die voraussichtliche Entwicklung in den folgenden 12 Kalendermonaten zu berücksichtigen. Dazu zählen u. a. planbare Zeiten wie Urlaub, an denen die Beschäftigung nicht ausgeübt wird. Unplanbare Ausfallzeiten wie z. B. Arbeitsunfähigkeit sind hingegen nicht zu berücksichtigen.
Das Rahmenübereinkommen kann nur dann in Anspruch genommen werden, wenn es sowohl vom Wohnstaat der beschäftigten Person, als auch vom Staat des Arbeitgebersitzes unterzeichnet wurde. Aktuellen Informationen zufolge sind bislang folgende Staaten (Stand: Dez. 2024) dem Rahmenübereinkommen beigetreten: Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, Irland, Kroatien, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Schweiz, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien.
Für Antragstellungen ab 1.1.2024 ist im A1-Verfahren der elektronische Antrag "Ausnahmevereinbarung" zu nutzen. Unter "Einsatzorte" sind sämtliche Orte anzugeben, an den die Beschäftigung im Wohnstaat ausgeübt wird.
Eingehende Anträge gelten rückwirkend ab dem 1.7.2023, sofern diese bis zum 30.6.2024 gestellt werden und in diesem Zeitraum durchgängig in Deutschland Sozialversicherungsbeiträge gezahlt wurden/werden. Nach Ablauf dieser Frist kann ein Antrag nur noch für 3 Monate rückwirkend gestellt werden.
Eine Vereinbarung kann jeweils für max. 3 Jahre geschlossen werden. Verlängerungen sind möglich. Somit kann eine A1-Bescheinigung für die betroffene Person auch nur für diesen Zeitraum ausgestellt werden.
Tätigkeit in Rechtskreisen West und Ost
Die gleichen Grundsätze sind sinngemäß ebenfalls anzuwenden, wenn der Heimarbeitsplatz einerseits und der Sitz der Betriebsstätte des Unternehmens andererseits sowohl im Rechtskreis West als auch im Rechtskreis Ost liegen.