Prof. Dr. jur. Tobias Huep
Praktisch wichtigster Eröffnungsgrund (früher: Insolvenzgrund) ist die Zahlungsunfähigkeit. Daneben tritt bei juristischen Personen die Überschuldung. Der Schuldner kann auch bei nur drohender Zahlungsunfähigkeit einen Insolvenzantrag stellen. Durch ein möglichst frühzeitiges geordnetes Verfahren soll so verhindert werden, dass an sich gegebene Sanierungschancen durch unkontrollierten privilegierten Zugriff einzelner Gläubiger zunichtegemacht werden.
Sanierung im Vorfeld des Insolvenzverfahrens
Durch das "Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG)" wurde mit Wirkung ab dem 1.1.2021 ein eigenständiges, vorinsolvenzliches Sanierungsinstrument geschaffen. Dieser neue Restrukturierungsrahmen schafft die frühzeitige Möglichkeit einer vor allem finanzwirtschaftlichen Sanierung, sofern die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Unternehmens lediglich zur drohenden Zahlungsunfähigkeit, nicht jedoch zur Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung geführt haben. Dazu wurde das von der Insolvenzordnung losgelöste Gesetz mit verschiedenen einsetzbaren Restrukturierungsinstrumenten geschaffen. Schwerpunkt ist die Erstellung eines Restrukturierungsplans, der ähnlich dem Insolvenzplan die Gläubigerforderungen und Sicherungsrechte sowie die Beteiligungsverhältnisse des Schuldners umgestalten kann. Ein solcher Plan kann außergerichtlich vom Schuldner entwickelt, vorgeschlagen und mit den betroffenen Gläubigern vereinbart werden. Möglich ist aber auch die gerichtliche "Begleitung" eines solchen Restrukturierungsplans. Entweder als bloße Planbestätigung oder im Rahmen eines gerichtlich begleiteten "Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens". Ziel der Neuregelung ist es, Unternehmen frühzeitig und flexibel zu restrukturieren. Für den Schuldner hat der Restrukturierungsplan gegenüber dem Insolvenzplan den Vorteil, dass dem Plan nicht zustimmende Gläubiger in weitaus stärkerem Maße überstimmt werden können. Grundsätzlich genügt die 3/4-Mehrheit der einzelnen Gläubigergruppen. Sollten diese Mehrheiten nicht zustande kommen, kann zudem in gerechtfertigten Fällen der Plan durch eine gruppenübergreifende Mehrheitsentscheidung beschlossen werden.
Arbeitsrechtlich ergeben sich bei der Durchführung des Restrukturierungsverfahrens folgende Besonderheiten:
- Sämtliche Arbeitnehmeransprüche gegenüber dem Unternehmen können nicht als Teil des Restrukturierungsplans "modifiziert", d. h. reduziert oder gestundet werden. Dies gilt auch für Ansprüche und Rechte aus Zusagen der betrieblichen Altersversorgung.
- Die gerichtliche Bestätigung eines Restrukturierungsplans hat zu unterbleiben, wenn der Schuldner die Lohnforderungen der Arbeitnehmer nicht erfüllen kann. Regelmäßig wird dies aber auch die Zahlungsunfähigkeit begründen und damit deren zwingende Anzeige bzw. die Insolvenzantragstellung erfordern.
- In die (Beteiligungs-)Rechte der betrieblichen Vertretungsorgane darf durch den Plan oder die sonstigen Restrukturierungsinstrumente nicht nachteilig eingegriffen werden.
- Sobald Unternehmen nicht in der Lage sind, Arbeitnehmerforderungen zu begleichen, ist i. d. R. auch kein Restrukturierungsplan, sondern nur noch das Insolvenzverfahren zulässig.
- Der Restrukturierungsplan muss Angaben zur vermögensrechtlichen Situation des Schuldners im Hinblick auf die Ansprüche der Arbeitnehmer (z. B. fällige bzw. ausstehende Entgeltforderungen) enthalten.
- Der Restrukturierungsplan muss weiterhin Angaben über die konkreten Auswirkungen des Restrukturierungsvorhabens auf die Beschäftigungsverhältnisse insgesamt, über mögliche Entlassungen und/oder Kurzarbeiterregelungen enthalten.
- Inhalt des Restrukturierungsplans müssen schließlich auch Angaben über die Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmervertretung sein. Da in die betriebsverfassungsrechtliche Stellung jedoch nicht nachteilig eingegriffen werden darf, erschöpft sich diese Verpflichtung auf die Beschreibung der im konkreten Restrukturierungsfall eingreifenden Beteiligungsrechte, insbesondere die §§ 106 ff. BetrVG.
Aussetzung der Insolvenzantragspflicht aufgrund der Corona-Pandemie
Durch das "Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht" (COVInsAG) wurde zunächst die Insolvenzantragspflicht umfassend für die Zeit bis zum 30.9.2020 ausgesetzt. Ziel des Gesetzes war es, die Unternehmen und Verbraucher, die von der Corona-Pandemie wirtschaftlich besonders hart getroffen wurden, zu schützen. Deshalb galt die Aussetzung nur, wenn die Insolvenzreife auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie zurückzuführen ist. Allerdings galten weitgehende Beweiserleichterungen durch die Vermutung, dass dies bei einem zum Stichtag 31.12.2019 zahlungsfähigen Unternehmen zu bejahen ist.
Die bis zum 30.9.2020 geltende Regelung erfasste sowohl den Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit als auch den der Überschuldung. Unberührt bleibt das Recht des Insolvenzsch...