OFD Münster, Verfügung v. 1.7.1997, S 2401 - 22 - St 12 - 31
Der Bundesrechnungshof hat die Verfahrensweise der Kreditinstitute bei der Ausstellung von Steuerbescheinigungen gem. § 45 a Abs. 2 EStG, die Anrechnung der Kapitalertragsteuer/des Zinsabschlags sowie die Einkünfte aus Kapitalvermögen bei den Gläubigern der Kapitalerträge geprüft und dabei erhebliche Steuerausfälle festgestellt. Aus diesem Anlaß wird auf folgendes hingewiesen:
(1) Mit JStG 1996 wurde § 45 a Abs. 2 Nr. 2 EStG dahingehend ergänzt, daß der Schuldner der Kapitalerträge bzw. die auszahlende Stelle (i.d.R. das Kreditinstitut) „Art und Höhe der Kapitalerträge unabhängig von der Vornahme eines Steuerabzugs” zu bescheinigen hat. Dies bedeutet: Übersteigt eine Zinsgutschrift (z.B. 1.000 DM) den im Freistellungsauftrag ausgewiesenen Betrag bzw. das noch vorhandene Freistellungsvolumen (z.B. 800 DM), ist demnach in der Steuerbescheinigung der gesamte Bruttobetrag der Zinsgutschrift zu bescheinigen (d.h. im Beispiel 1.000 DM), also nicht nur der Kapitalertrag, der dem Zinsabschlag unterworfen wurde (hier 200 DM).
Demgegenüber hatten bis einschl. 1995 zahlreiche Kreditinstitute nur den Teil des Kapitalertrags bescheinigt, der tatsächlich dem Zinsabschlag unterlag. Einzelsteuerbescheinigungen, die ab 1996 erteilt worden sind, berücksichtigen nach Kenntnis [der OFD] die Gesetzesklarstellung.
(2) Wegen der Gesetzesergänzung ab 1996 müssen daher Jahressteuerbescheinigungen alle Kapitalerträge ausweisen, die dem Gläubiger auf dem betreffenden Wertpapierdepot/Konto im Laufe des Kalenderjahres gutgeschrieben worden sind. Dies gilt auch für solche Zinszahlungen, die aufgrund eines vorliegenden Freistellungsauftrags insgesamt vom Zinsabschlag freigestellt sind und für die eine Einzelsteuerbescheinigung nicht erteilt worden wäre.
Die Verbände der Kreditwirtschaft halten diese Rechtsauffassung für unzutreffend, so daß auch Jahressteuerbescheinigungen, die für Zeiträume ab 1996 erteilt werden, (weiterhin) nicht die Kapitalerträge ausweisen, die zu 100 % vom Zinsabschlag freigestellt wurden. Eine klarstellende Regelung ist beabsichtigt; diese wird aber frühestens für die Jahressteuerbescheinigungen ab 1997 Anwendung finden.
(3) Werden bei einer Veranlagung nur die Kapitalerträge erfaßt, von denen ein Zinsabschlag einbehalten wurde, jedoch nicht die vom Zinsabschlag freigestellten Zinseinnahmen, wirken sich Sparerfreibetrag und Werbungskostenpauschbetrag doppelt einkunftsmindernd aus. Hat ein Steuerpflichtiger nur Kapitalerträge erklärt, die dem Zinsabschlag unterlegen haben und hat er in der Spalte 4 der Anlage KSO („Einnahmen ohne Steuerabzug aufgrund von Freistellungsaufträgen”) keine Angaben gemacht, ist zu erörtern, ob tatsächlich alle Kapitalerträge erklärt wurden. Anhaltspunkt für eine unvollständige Erklärung ist hierbei auch regelmäßig, daß die beigefügten Steuerbescheinigungen keine Zinszahlungen aus den ersten Monaten des Jahres ausweisen, da diese vom Freistellungsauftrag abgedeckt sind. Auf die Möglichkeit, beim Bundesamt für Finanzen nachzufragen, in welcher Höhe und bei welchen Kreditinstituten der Steuerpflichtige Freistellungsaufträge für das betreffende Kalenderjahr erteilt hat (Vordruck Nr. 605/11), wird hingewiesen
Diese Grundsätze gelten auch, wenn der Steuerpflichtige der Anlage KSO Jahressteuerbescheinigungen beifügt. Denn wie unter (2) ausgeführt, weisen diese häufig gerade nicht die insgesamt freigestellten Zinserträge aus.
Zudem kann ein Steuerpflichtiger eine Jahressteuerbescheinigung für jedes bei einer Bank geführte Wertpapierdepot/Konto beantragen. Die Vorlage einer Jahressteuerbescheinigung für ein Depot/Konto besagt also nicht, daß keine weiteren Depots/Konten (bei derselben oder einer anderen Bank) unterhalten werden.
(4) Hinsichtlich der Anfragen an das Bundesamt für Finanzen gemäß § 45 d Abs. 2 EStG wird ergänzend darauf hingewiesen, daß diese „ausschließlich zur Prüfung der rechtmäßigen Inanspruchnahme des Sparer-Freibetrags und des Pauschbetrags für Werbungskosten verwendet werden” dürfen. Das Bundesamt für Finanzen darf deshalb auch dem Steuerpflichtigen keine Auskünfte über die von ihm erteilten Freistellungsaufträge erteilen. Unzulässig sind auch Anfragen des Finanzamtes, denen Auskunftsersuchen des Arbeitsamtes gemäß § 21 Abs. 4 SGB X zugrunde liegen (FinMin Nordrhein-Westfalen vom 16.5.1997, S 0220 - 15 - V C 2).
Nach Feststellungen des Bundesrechnungshofes sind in rund 43 % der aufgegriffenen Fälle die freigestellten Zinseinnahmen nicht bei der Veranlagung erfaßt worden. Es wird daher gebeten, zur Vermeidung von Steuerausfällen die erforderlichen Feststellungen entsprechend den Ausführungen zu Tz. (3) zu treffen. Dies gilt insb. auch für die Veranlagungszeiträume, die wegen bevorstehender Betriebsprüfung oder noch anhängiger Rechtsbehelfsverfahren noch nicht abschließend veranlagt worden sind.
Normenkette
EStG § 45 a Abs. 2