11.11.1 Befristung auf die Vollendung des 65. Lebensjahres

Der Fall

Die Parteien stritten im Wesentlichen darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis am 30.9.2019 geendet hat. Der Kläger ist freigestelltes Mitglied des Betriebsrats. Im Arbeitsvertrag vom 24.6./19.7.1993 wurde vereinbart:

"Das Arbeitsverhältnis endet spätestens mit Ablauf desjenigen Monats, in welchem Sie Altersruhegeld bewilligt erhalten oder Sie das 65. Lebensjahr vollendet haben."

Im September 2019 erreichte der Kläger die für seinen Anspruch auf Regelaltersrente maßgebliche Altersgrenze von 65 Jahren und 8 Monaten. Mit seiner Klage machte der Kläger geltend, die vertragliche Altersgrenzenregelung sei als allgemeine Geschäftsbedingung intransparent, denn Altersruhegeld sei kein gesetzlich definierter Begriff. Auch die zweite Alternative habe das Arbeitsverhältnis nicht beendet, denn die Unklarheiten könnten nicht im Sinne des "blue-pencil-Tests" ausgeräumt werden. Dies verstoße gegen das Gebot der geltungserhaltenden Reduktion.

Die Entscheidung (BAG, Urteil v. 21.12.2022, 7 AZR 489/21)

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) wies den Befristungskontrollantrag zurück. Das Arbeitsverhältnis hat aufgrund der im Arbeitsvertrag vereinbarten Altersgrenzenregelung am 30.9.2019 geendet – die Befristung ist wirksam. Die arbeitsvertragliche Klausel ist bezüglich der zweiten Alternative nicht intransparent. Die Klausel ist dahingehend auszulegen, dass das Arbeitsverhältnis mit Erreichen der für den Kläger maßgeblichen Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung beendet ist.

Die der Entscheidung zugrunde liegende Formulierung bezüglich der Vollendung des 65. Lebensjahres ist als Beschreibung des Zeitpunkts zu verstehen, in dem der Arbeitnehmer nach seinem Lebensalter zum Bezug einer Altersrente berechtigt ist.

Das Regelrentenalter wurde von den in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherten Beschäftigten seit dem 1.1.1916 mit der Vollendung des 65. Lebensjahres erreicht. Somit gab es bei Abfassung des Arbeitsvertrags im Jahr 1993 aus damaliger Sicht keine Veranlassung zu abweichenden Formulierungen, wenn an die in der Sozialversicherung geltende Altersgrenze von 65 Jahren angeknüpft werden sollte. Ein verständiger Arbeitnehmer musste daher die Formulierung "Vollendung des 65. Lebensjahres" als Anknüpfung an den Zeitpunkt des Erreichens der Regelaltersgrenze verstehen. Die Regelaltersgrenze hat sich erst aufgrund des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20.4.2007 geändert.

Die Klausel ist auch nicht wegen einer etwaigen Unwirksamkeit der ersten Alternative in der arbeitsvertraglichen Regelung unwirksam: Bei einer teilbaren Formularklausel kann zulässiger Inhalt aufrechterhalten werden. Die Regelungen müssen sprachlich und auch inhaltlich trennbar sein. Die Teilbarkeit einer Klausel ist durch Streichung des unwirksamen Teils (sog. blue-pencil-Test) zu ermitteln. Die genannten Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die zweite Alternative bleibt aufrechterhalten.

11.11.2 Unbefristetes Arbeitsverhältnis: Fortsetzung durch Urlaubserteilung?

Der Fall

Der Kläger stand seit dem 1.7.1999 aufgrund einer Reihe befristeter Arbeitsverträge in einem Arbeitsverhältnis zum beklagten Arbeitgeber. Zuletzt schlossen die Parteien einen befristeten Arbeitsvertrag bis zum 30.9.2020. Mit E-Mail vom 30.9.2020 teilte ein Mitarbeiter im Bereich Personal/Service dem Kläger nähere Einzelheiten zur Änderung der Versteuerung des geldwerten Vorteils für die Nutzung des Firmenwagens ab dem 1.10.2020 mit. Unter dem Datum 30.9.2020 erhielt der Kläger auf seinen Wunsch hin ein Zwischenzeugnis. Am 9.9.2020 wurde dem Kläger über ein Personalportal Erholungsurlaub für die Zeit vom 1. bis zum 31.10.2020 (ausgenommen die Wochenenden) gewährt.

Der Kläger machte das Bestehen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses geltend. Das Arbeitsverhältnis sei mit Wissen des Beklagten über den 30.9.2020 hinaus fortgesetzt worden.

Die Entscheidung (BAG, Urteil v. 9.2.2023, 7 AZR 266/22)

Das BAG wies die Klage ab. Das Arbeitsverhältnis endete am 30.9.2020. Die Voraussetzungen der gesetzlichen Fiktion eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses nach § 15 Abs. 6 TzBfG lagen nicht vor. Im Fall der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach Fristablauf kommt es entscheidend darauf an, ob dies "mit Wissen des Arbeitgebers" erfolgt. Nicht jeder Vorgesetzte ist Arbeitgeber i. S. d. § 15 Abs. 6 TzBfG. Dies ist nur der Arbeitgeber selbst, somit der gesetzliche Vertreter des Arbeitgebers. Seiner Kenntnis steht die Kenntnis der zum Abschluss von Arbeitsverträgen berechtigten Vertreter gleich.

Für den Eintritt der gesetzlichen Fiktion eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses genügt es nicht, dass der Arbeitgeber einseitig Leistungspflichten erfüllt, wie z. B. Urlaub oder Freizeitausgleich für geleistete Mehrarbeit gewährt bzw. Entgeltfortzahlung über das vereinbarte Vertragsende hinaus leistet, ohne die Gegenleistung des Arbeitnehmers tatsächlich in Anspruch zu nehmen.

Der Eintritt der gesetzlichen Fiktion eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses setzt nach der Gesetzesbegründung vielmehr voraus, dass der Arbeitnehmer seine Tätigkeit nach Auslaufen eines befristeten...

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