Ein Arbeitgeber zahlte allen Arbeitnehmern, egal ob teilzeit- oder vollzeitbeschäftigt, Mehrarbeitszuschläge erst dann, wenn eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden überschritten worden war. Das führte im Ergebnis dazu, dass der Vollzeitbeschäftigte ab seiner ersten Überstunde einen Mehrarbeitszuschlag erhielt, der Teilzeitbeschäftigte jedoch nicht. Die Frage, ob das eine sachlich nicht gerechtfertigte Benachteiligung von teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern und damit ein Verstoß gegen § 4 Abs. 1 TzBfG ist, beschäftigt die Rechtsprechung schon seit einigen Jahren. Nun hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) endgültig Klarheit geschaffen und Rechtfertigungsversuchen für diese Art der Ungleichbehandlung eine Absage erteilt: Zahlt der Arbeitgeber teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern Mehrarbeitszuschläge erst ab der Überschreitung der Vollzeitgrenze, stellt das eine sachlich nicht gerechtfertigte Benachteiligung von teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern dar. Im Rahmen seiner Entscheidung hat sich der EuGH auch mit der Frage auseinandergesetzt, ob sich sachliche Gründe für eine Ungleichbehandlung aus dem Ziel des Überstundenzuschlags ergeben können. Dieses besteht darin, den Arbeitgeber davon abzuhalten, für Arbeitnehmer Überstunden anzuordnen, die über ihre individuell vereinbarte Arbeitszeit hinausgehen. Dabei weist der EuGH darauf hin, dass ein Anreiz für den Arbeitgeber zur Anordnung von Mehrarbeit gegenüber Teilzeitbeschäftigten gerade dadurch geschaffen wird, dass Teilzeitbeschäftigten zunächst keine Überstundenzuschläge gezahlt werden müssen. Damit wird genau das Gegenteil des angestrebten Ziels erreicht.
Darüber hinaus hat der europäische Gerichtshof aber auch entschieden, dass unter bestimmten Voraussetzungen eine mittelbare Diskriminierung von Frauen vorliegen kann, wenn Teilzeitbeschäftigten Mehrarbeitszuschläge erst ab Überschreiten der Vollzeitgrenze gezahlt werden. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn von der für Teilzeitbeschäftigte nachteiligen Regelung signifikant mehr Personen weiblichen als männlichen Geschlechts betroffen sind. In diesem Fall hat eine teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmerin auch noch einen Anspruch auf eine Entschädigung wegen der erlittenen Diskriminierung nach § 15 Abs. 2 AGG.
BAG, Urteil v. 5.12.2024, 8 AZR 370/20 (Pressemitteilung)
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat diese Entscheidung zwischenzeitlich für das deutsche Recht umgesetzt. Im konkreten Fall ging es um eine tarifvertragliche Regelung, nach der zuschlagpflichtige Überstunden nur solche Mehrarbeitsstunden sind, die über die monatliche Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten hinaus geleistet werden und nicht durch Freizeit im jeweiligen Kalendermonat ausgeglichen werden können. Alternativ zu einer Auszahlung des Zuschlags ist eine entsprechende zusätzliche Zeitgutschrift auf dem Arbeitszeitkonto möglich. Die Arbeitnehmerin hat über ihre individuelle (Teilzeit-)Arbeitszeit hinaus Mehrarbeit geleistet und verlangte eine entsprechende Zeitgutschrift, die der Arbeitgeber jedoch mit Verweis auf die tarifvertragliche Regelung verweigerte. Die Arbeitnehmerin verlangte nun diese Zeitgutschrift und zudem eine Entschädigung aufgrund der erlittenen mittelbaren Diskriminierung wegen des Geschlechts i. H. v. 3 Monatsgehältern.
Wie zu erwarten war, hat das BAG der Arbeitnehmerin die begehrte Zeitgutschrift zugesprochen. Dabei hat es ausgeführt, dass nach den Vorgaben des EuGH die tarifliche Regelung gegen das Verbot der Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten verstößt. Die Regelung ist damit insoweit unwirksam, als sie bei Teilzeitbeschäftigung keine der Teilzeitquote entsprechende anteilige Absenkung der Grenze für die Gewährung eines Überstundenzuschlags vorsieht. Ein sachlicher Grund für diese Ungleichbehandlung liegt nicht vor. Die sich aus dem Verstoß gegen § 4 Abs. 1 TzBfG ergebende Unwirksamkeit der tarifvertraglichen Überstundenzuschlagsregelung führt zu einem Anspruch der Arbeitnehmerin auf die eingeklagte weitere Zeitgutschrift. Daneben sprach ihr das BAG eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zu, denn durch die Anwendung der tarifvertraglichen Regelung hat die Arbeitnehmerin auch eine mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts erfahren. Beim Arbeitgeber arbeiten in der Gruppe der Teilzeitbeschäftigten mehr als 90 % Frauen in den tarifvertraglich erfassten Tätigkeiten. Als Entschädigung erhielt die Arbeitnehmerin aber nur 250 EUR, was ausreichend ist, um einerseits den durch die mittelbare Geschlechtsbenachteiligung entstandenen immateriellen Schaden auszugleichen und andererseits gegenüber dem Arbeitgeber die gebotene abschreckende Wirkung zu entfalten.
Arbeitgeber müssen folglich – in den Grenzen von Ausschlussfristen und Verjährungsfristen – auch den Teilzeitbeschäftigten entsprechende Mehrarbeitszuschläge ab deren erster individueller Mehrarbeitsstunde zahlen. Das gilt aber nur, wenn sie diese auch gegenüber Vollzeitbeschäftigten zahlen. Bei einer Ungleichbehandlung lauf...