Rz. 34
Der Begriff der Grundrentenzeit ist ein neuer rentenrechtlicher Begriff, der erst durch § 76g eingeführt wurde. Das Gesetz definiert den Begriff der Grundrentenzeit zwar nicht ausdrücklich; gibt aber einen Positivkatalog und einen Negativkatalog vor. Grundrentenzeiten sind dabei die Zeiten, die zur Erfüllung von wenigstens 33 Jahre rentenrechtlicher Zeiten für einen Anspruch auf Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung herangezogen werden dürfen.
2.2.1 Positivkatalog Grundrentenzeiten nach § 51 Abs. 3a Satz 1 Nr. 1 bis 3 (Satz 1 HS 1)
2.2.1.1 § 51 Abs. 3a Satz 1
Rz. 35
Nach Satz 1 HS 1 sind durch den Verweis auf § 51 Abs. 3a Satz 1 Nr. 1 bis 3 solche Zeiten, die für die Erfüllung der Wartezeit von 45 Jahren bei einem Anspruch auf Rente für besonders langjährig Versicherte nach § 38 Nr. 2, § 236b Abs. 1 Nr. 2 herangezogen werden können, gleichzeitig auch Grundrentenzeiten (vgl. auch GRA der DRV zu § 76g SGB VI, Stand: 25.1.2022, Anm. 3). Die Bestimmung der Grundrentenzeiten folgt damit den Vorgaben der 45-jährigen Wartezeit. Auf die bisherige Rechtsprechung zu den rentenrechtlich relevanten Zeiten zur Erfüllung der Wartezeit von 45 Jahren bei einem Anspruch auf Rente für besonders langjährig Versicherte kann daher zurückgegriffen werden.
Rz. 36
Erfasst werden nach § 51 Abs. 3a Satz 1 damit Kalendermonate, die belegt sind mit
- Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit (Nr. 1),
- Berücksichtigungszeiten (Nr. 2),
- Zeiten des Bezugs von Leistungen bei Krankheit (Nr. 3b) und
- Zeiten des Bezugs von Übergangsgeld (Nr. 3c).
Rz. 37
Die vom Gesetzgeber gewählte Verweisungstechnik, mit der in Abs. 2 Satz 1 auf § 51 Abs. 3a Satz 1 Nr. 1 bis 3 und damit auch auf § 51 Abs. 3a Satz 1 Nr. 3 Buchst. a – also Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung – verwiesen wird, ist im Lichte der Ausschlussregelung des Abs. 2 Satz 3 zu betrachten, wonach Kalendermonate mit Pflichtbeitragszeiten oder Anrechnungszeiten wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld keine Grundrentenzeiten sind. Mit Abs. 2 Satz 3 wird daher gerade nicht auf § 51 Abs. 3a Satz 1 Nr. 3 Buchst. a verwiesen, also gerade nicht auf die Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung (vgl. hierzu Rz. 42).
Rz. 37a
Rentenversicherungspflichtige Minijobs zählen daher grundsätzlich auch zur Grundrentenzeit; ausgenommen sind jedoch Minijobs mit Befreiung von der Rentenversicherungspflicht. Die gezahlten Pflichtbeiträge für einen Minijob haben zwar Einfluss auf die Mindestversicherungszeit für den Anspruch auf Grundrente (vgl. auch Haufe News vom 4.3.2021: "Mit dem Minijob Ansprüche auf Grundrente sichern", online abrufbar unter der Adresse: https://www.haufe.de/personal/entgelt/auswirkungen-minijob-auf-grundrente_78_532606.html, zuletzt abgerufen am 4.3.2024), wirken sich aber nicht auf die Höhe der Grundrente aus (vgl. hierzu die Komm. in Rz. 50 ff.).
2.2.1.2 Fremdrentenzeiten
Rz. 38
Nach § 29 Abs. 1 Satz 1 FRG sind Anrechnungszeiten auch Zeiten, in denen eine in den §§ 15 und 16 FRG genannte Beschäftigung oder Tätigkeit durch Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit unterbrochen wurde. Diese Fremdrentenzeiten stellen ebenfalls Grundrentenzeiten dar (DRV-Rundschreiben 3/2020 v. 8.7.2020 S. 4).
2.2.1.3 EU-Rentenzeiten
Rz. 39
Im europäischen Koordinierungsrecht stellt Art. 4 VO (EG) 883/2004 den allgemeinen Gleichheitssatz auf, Art. 5 VO (EG) 883/2004 beinhaltet das Gleichstellungsgebot und Art. 6 VO (EG) 883/2004 verpflichtet zum Zusammenrechnungsgebot von Zeiten (hierauf verweist zutreffend auch Klopstock, NJW 2020, 3279). Rentenrechtlichen Zeiten, die in einem anderen Mitgliedstaat der EU (einschließlich der Schweiz) zurückgelegt wurden, sind daher als Grundrentenzeiten zu berücksichtigen. Ob dies auch für den Austrittskandidaten Vereinigtes Königreich gilt, wird sich entscheiden, falls ein entsprechendes Abkommen zwischen den Vertragspartnern – EU und Vereinigtes Königreich – zustande kommt.
2.2.2 Positivkatalog Grundrentenzeiten nach § 55 Abs. 2 (Satz 1 HS 2)
Rz. 40
Nach Satz 1 HS 2 gilt im Übrigen § 55 Abs. 2 entsprechend, sodass auch die dort beschriebenen Zeiten Grundrentenzeiten sind (GRA der DRV zu § 76g SGB VI, Stand: 25.1.2022, Anm. 3.). Soweit daher ein Anspruch auf Rente eine bestimmte Anzahl an Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit voraussetzt, zählen hierzu auch:
- freiwillige Beiträge, die als Pflichtbeiträge gelten (Nr. 1) oder
- Pflichtbeiträge, für die aus den in § 3 oder § 4 genannten Gründen Beiträge gezahlt worden sind oder als gezahlt gelten (Nr. 2) oder
- Beiträge für Anrechnungszeiten, die ein Leistungsträger mitgetragen hat (Nr. 3).
2.2.3 Positivkatalog Ersatzzeiten (Satz 2)
Rz. 41
Zu den Grundrentenzeiten zählen nach Satz 2 auch Kalendermonate mit Ersatzzeiten. Ersatzzeiten sind in § 250 geregelt und zielen darauf ab, bei Versicherten rentenrechtliche Lücken zu schließen, wenn diese aufgrund außergewöhnlicher Umstände und politischer Ereignissen, die sie nicht zu vertreten haben, keine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung ausüben bzw. keine freiwilligen Beiträge entrichten konnten.
2.2.4 Negativkatalog (Satz 3)
Rz. 42
Pflichtbeitragszeiten oder Anrechnungszeiten wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld sind ausdrücklich von der Berücksichtigung als Grundrentenzeiten ausgenommen. D...