Rz. 4
Unter Umdeutung eines VA (Konversion) ist die mit Rückwirkung auf den Ausgangsbescheid vorgenommene nachträgliche Änderung und Ersetzung eines rechtsfehlerhaften VA zu verstehen. Sie bezieht sich im Ergebnis auf den Erhalt eines fehlerhaften VA, wobei dieser durch die Umdeutung einen anderen rechtlich möglichen materiellen Inhalt erhält. Dies schließt ein, dass auch die Rechtsgrundlage und die Begründung ausgewechselt werden können. Entscheidend ist insoweit, dass der nunmehr infolge Umdeutung entstandene VA so und mit diesem Inhalt ursprünglich nicht erlassen und bekannt gegeben worden war.
Rz. 5
Anders als die Auslegung, die nur den schon ursprünglich gewollten Inhalt feststellt, das Nachschieben von Gründen, die nur die Rechtmäßigkeit des VA stützen sollen, und die Beseitigung offenbarer Unrichtigkeiten, hat die Umdeutung im Ergebnis einen gänzlich anderen VA zur Folge, lediglich das Ergebnis ist für den Betroffenen gleich oder weniger belastend. Der Betroffene kann jedoch nicht die Umdeutung eines VA dahin gehend verlangen, dass sich der VA auf einen anderen Sachverhalt bezieht, um so dessen Aufhebung zu vermeiden (vgl. BSG, Urteil v. 25.4.1992, 11 RAr 21/98, SozR 3-1300 § 40 Nr. 1, zu Kurzarbeitergeld für einen anderen Betrieb). Die Möglichkeit der Umdeutung schließt den Erlass eines neuen Bescheides allerdings nicht aus. Abzugrenzen ist die Umdeutung nach § 43 gegen ein bloßes Auswechseln der Rechtsgrundlage und/oder ein Nachschieben von Gründen. Ob eine bloße Auswechslung der Rechtsgrundlage genügt oder eine Umdeutung erforderlich ist, hängt bei belastenden VA, die im Wege der reinen Anfechtungsklage angegriffen werden, davon ab, ob sie dadurch in ihrem "Wesen" verändert werden und der Betroffene infolgedessen in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt werden kann (st. Rspr. des BSG, vgl. nur Urteil v. 7.4.2016, B 5 R 26/15 R). Eine solche Änderung des Wesens eines VA ist in Anlehnung an den zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff zu bestimmen und demzufolge anzunehmen, wenn die Regelung auf einen anderen Lebenssachverhalt gestützt wird oder die Angabe der Rechtsgrundlage zum Tenor des Bescheides gehört und deshalb die Aufrechterhaltung des VA einen Eingriff in den Tenor erfordern würde (BSG, a. a. O., m. w. N.). Ist also im Tenor eines Bescheides die Rede davon, dass die Aufhebung nach § 48 SGB X erfolgt, kann dieser nur noch auf § 45 gestützt werden, wenn die Voraussetzungen des § 43 SGB X vorliegen, ein bloßes Auswechseln der Rechtsgrundlage kommt hingegen nicht mehr in Betracht.
Rz. 6
Wegen der einem neuen VA vergleichbaren Folgen der Umdeutung ist strittig, ob die Umdeutung selbst wiederum ein förmlicher (rechtsgestaltender oder feststellender) VA ist (Schütze, in: v. Wulffen, Kommentar SGB X, § 43 Rz. 4; Waschull, in: LPK-SGB X, § 43 Rz. 5; Recht, in: Hauck/Noftz, § 43 Rz. 11), oder ob sie ein Erkenntnisakt ist, dessen Ergebnis lediglich deklaratorisch noch festzustellen ist, wobei sich die Rechtswirkungen noch aus dem Ursprungsbescheid ergeben (so wohl BVerwG, Beschluss v. 1.7.1983, 2 B 176/81, NVwZ 84 S. 645). Der ersten Auffassung dürfte zuzustimmen sein, denn die Umdeutung entfaltet Regelungswirkung und weist auch alle anderen Tatbestandsmerkmale des § 31 SGB X auf. Hiergegen kann nicht überzeugend eingewendet werden, bei Annahme der VA-Qualität seien die Gerichte nicht befugt, selbst eine Umdeutung vorzunehmen, weil ihnen das Recht fehle, selbst VA zu erlassen. Denn die richterliche Möglichkeit, einen VA auf eine andere zulässige gesetzliche Grundlage zu stellen, ergibt sich nicht unmittelbar aus § 43, sondern entspringt einer eigenständigen prozessrechtlichen Befugnis der Gerichte (Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens, für direkte Anwendung des § 43 aber wohl BSG, Urteil v. 10.2.1993, 9/9a RVs 5/91, SozR 3-1300 § 48 Nr. 25). Dass die Umdeutung im Ergebnis zur Heilung eines Verwaltungsfehlers führt, spricht ebenfalls nicht zwingend gegen die VA-Qualität. Rechtsschutz gegen die gerichtliche Umdeutung wird dadurch gewährleistet, dass diese zusammen mit der gerichtlichen Entscheidung angefochten werden kann, während die nach § 43 durch die Verwaltung vorgenommene Umdeutung zunächst im Widerspruchsverfahren überprüft wird, denn der die Umdeutung beinhaltende VA wird Gegenstand des Verfahrens nach § 86 Abs. 1 SGG.
Rz. 7
Die Umdeutung nach § 43 kann nur von der Behörde erklärt werden, nicht vom Betroffenen. Sie geschieht als einseitige Erklärung der Behörde, mit der diese den neuen Inhalt des VA dem oder den Betroffenen mitteilt. Im Einzelfall kann sich dabei die Frage stellen, ob noch eine zulässige Umdeutung oder der Erlass eines neuen Bescheides oder eines Änderungsbescheides vorliegt. Für die Umdeutung bestehen keine zeitlichen Grenzen, so dass sie auch noch im Widerspruchs- oder Klageverfahren erklärt werden kann, dessen Streitgegenstand der Ausgangsbescheid ist (vgl. zum Rechtsschutz Rz. 21 ff.). Es werden jedoch keine neuen Rechtsbehelfsfristen in Gang gesetzt.