Rz. 35
§ 28f Abs. 1a sieht zur Sicherstellung der Nachunternehmerhaftung vor, dass der Nachunternehmer die Entgeltunterlagen und die Beitragsabrechnung so zu gestalten hat, dass eine Zuordnung der Arbeitnehmer, des Arbeitsentgelts und des darauf entfallenden Gesamtsozialversicherungsbeitrags zum Auftraggeber möglich ist (vgl. BT-Drs. 19/14417 S. 13). Diese besondere Aufzeichnungspflicht setzt nicht voraus, dass das in § 28e Abs. 3d bezeichnete Auftragsvolumens überschritten wird. Auch ist das Vorhandensein eines Hauptunternehmers nicht erforderlich. Die Vorschrift flankiert sonach die in § 28e angelegte Nachunternehmerhaftung. Diese bestimmt (verkürzt): Wer einen Auftrag an einen Subunternehmer weiter vergibt, haftet für die abzuführenden Sozialversicherungsbeiträge. Führt der Subunternehmer keine Beiträge ab, hat der Hauptunternehmer einzustehen.
Rz. 36
Der sachliche Geltungsbereich der Vorschrift betraf zunächst nur das Baugewerbe. Der ursprüngliche Text lautete:
Zitat
(1a) Bei der Ausführung eines Dienst- oder Werkvertrages im Baugewerbe hat der Unternehmer die Lohnunterlagen und die Beitragsabrechnung so zu gestalten, dass eine Zuordnung der Arbeitnehmer, des Arbeitsentgelts und des darauf entfallenden Gesamtsozialversicherungsbeitrags zu dem jeweiligen Dienst- oder Werkvertrag möglich ist.
Rz. 37
Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Einführung einer Nachunternehmerhaftung in der Kurier-, Express- und Paketbranche zum Schutz der Beschäftigten (Paketboten-Schutz-Gesetz) v. 15.11.2019 fügte in § 28f Abs. 1a nach den Wörtern "im Baugewerbe" die Wörter "oder durch Unternehmer im Speditions-, Transport- und damit verbundenen Logistikgewerbe, die im Bereich der Kurier-, Express- und Paketdienste tätig sind und im Auftrag eines anderen Unternehmers Pakete befördern," ein. Ferner fügte das Gesetz folgenden Satz an:
Zitat
Die Pflicht nach Satz 1 ruht für einen Unternehmer im Speditions-, Transport- und damit verbundenen Logistikgewerbe, der im Bereich der Kurier-, Express- und Paketdienste tätig ist, solange er eine Präqualifikation oder eine Unbedenklichkeitsbescheinigung im Sinne von § 28e Absatz 3f Satz 1 und 2 oder eine Unbedenklichkeitsbescheinigung nach § 150 Absatz 3 Satz 2 des Siebten Buches vorlegen kann.
Rz. 38
Die Gesetzesbegründung äußert sich hierzu wie folgt (BT-Drs. 19/13958):
Zitat
Der Onlinehandel wächst – und mit ihm die Kurier-, Express- und Paketdienste (KEP-Branche). Inzwischen geben Paketdienste einen Teil ihrer Aufträge an Nachunternehmer ab, da die Aufträge mit eigenem Personalbestand nicht mehr lösbar erscheinen. Dies führt auch zu Missständen. Nach Erkenntnissen des Zolls kommt es in der KEP-Branche regelmäßig zu Verstößen gegen die Pflicht zur Zahlung des Mindestlohns und gegen sozialversicherungsrechtliche Pflichten. Als Teil der Schwerpunktbranche Spedition, Transport und Logistik nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz steht sie im besonderen Fokus der Prüfungen und Ermittlungen der Zollverwaltung.
Rz. 39
Die Änderung trat am Tag nach der Verkündung des Paketboten-Schutz-Gesetzes in Kraft (Art. 5), mithin am 23.11.2019. Soweit die Vorschrift das KEP-Gewerbe betrifft, bestimmt Art. 2 des Gesetzes, dass die insoweit greifenden Regelungen des Art. 1 wieder gestrichen werden, und zwar zum 1.1.2026 (Art. 5).
Rz. 40
Nach Satz 1 der Vorschrift ist der Unternehmer verpflichtet, die Entgeltunterlagen und die Beitragsabrechnung so zu gestalten, dass eine Zuordnung der Arbeitnehmer, des Arbeitsentgelts und des darauf entfallenden Gesamtsozialversicherungsbeitrags zu dem jeweiligen Dienst- oder Werkvertrag möglich ist. Diese Pflicht ruht, wenn die Voraussetzungen des Satzes 2 erfüllt sind.
Rz. 41
Satz 1 enthält sonach zwei Varianten. Die Vorschrift greift bei der Ausführung eines Dienst- oder Werkvertrages
- im Baugewerbe (Alternative 1)
oder
- durch Unternehmer im Speditions-, Transport- und damit verbundenen Logistikgewerbe, die im Bereich der Kurier-, Express- und Paketdienste tätig sind und im Auftrag eines anderen Unternehmers Pakete befördern (Alternative 2).
Rz. 42
Voraussetzung der Alternative 1 ist ein Dienst- oder Werkvertrag im Baugewerbe. Die rechtlichen Grundlagen des Dienstvertrags normieren die §§ 611 ff. BGB, jene des Werkvertrages die §§ 631 ff. BGB.
Rz. 43
Der Vertrag muss im Baugewerbe ausgeführt werden. Der Oberbegriff "Baugewerbe" erfasst das produzierende Gewerbe im Hochbau (Wohnhäuser, öffentliche und industrielle Bauten) und Tiefbau (z. B. Straßen, Brücken). Die Wirtschaftsstatistik unterscheidet zwischen Bauhaupt-, Ausbau- und Bauhilfsgewerbe. Zum Bauhauptgewerbe zählen vor allem die Unternehmen, die Hochbauten im Rohbau errichten, Tiefbauten einschließlich Straßenbauten und bestimmte Spezialbauten (z. B. Schornsteinbau, Dämmung und Abdichtung) durchführen, das Stukkateurgewerbe mit Gipserei und Verputzerei und die Zimmerei und Dachdeckerei sowie alle entsprechenden Reparatur- und Instandhaltungsbetriebe. Das Ausbaugewerbe umfasst die Bauinstallation (Klempnerei, Gas-, Wasser- und Elektroinsta...