0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift ist mit dem sog. Einordnungsgesetz v. 20.12.1988 (BGBl. I S. 2330) mit Wirkung zum 1.1.1989 in das SGB IV eingefügt worden. Sie wurde u. a. mit dem Zweiten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt v. 23.12.2002 (BGBl. I S. 4621) redaktionell geändert. Satz 4 wurde mit dem Verwaltungsvereinfachungsgesetz v. 21.3.2005 (BGBl. I S. 818) um einen Halbsatz ergänzt. Art 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen und zur Änderung anderer Gesetze v. 21.12.2008 (BGBl. I S. 2940) räumte mit Wirkung zum 1.7.2009 der Deutschen Rentenversicherung Bund für übertragene Wertguthaben – klarstellend – ebenfalls die Möglichkeit des Beitragsabzugs ein (dazu Rz. 3).
1 Allgemeines
Rz. 2
Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§ 28d) ist vom Arbeitgeber (zum Begriff vgl. Komm. zu § 28g Rz. 13 ff.) und seinen Beschäftigten (zum Begriff vgl. Komm. zu § 28g Rz. 18 sowie § 7) gemeinsam aufzubringen. Regelungsbedürftig ist daher, in welcher Form und zu welchem Zeitpunkt der Arbeitgeber den auf den Arbeitnehmer entfallenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags vom Arbeitnehmer erhält. Ausgehend hiervon regelt § 28g das Innenverhältnis (vgl. BSG, Urteil v. 29.6.2000, B 4 RA 57/98 R; LSG Bayern, Urteil v. 13.1.2009, L 5 R 803/08) zwischen dem Arbeitgeber und seinen Beschäftigten.
Rz. 3
Mit der Ergänzung des Satzes 1 wurde klargestellt (hierzu BT-Drs. 16/10289 S. 20), dass die Deutsche Rentenversicherung Bund bei den ihr übertragenen Wertguthaben den Anspruch des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer auf Abzug des von diesem zu tragenden Anteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag hat.
Rz. 4
Nach § 28g hat der Arbeitgeber gegen den Beschäftigten einen Anspruch auf den vom Beschäftigten zu tragenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags. Dieser Anspruch wird durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend gemacht. Ein unterbliebener Abzug darf nur bei den 3 nächsten Lohn- und Gehaltszahlungen nachgeholt werden, danach nur dann, wenn der Abzug ohne Verschulden des Arbeitgebers unterblieben ist. Die Beschränkung des Erstattungsanspruchs des Arbeitgebers auf das Lohnabzugsverfahren und die Begrenzung der Nachholmöglichkeiten verfolgt den Zweck, den Arbeitnehmer vor einer Aufhäufung der von ihm zu erstattenden Beitragsanteile und vor einer künftigen Erstattungsklage zu bewahren. Die im Interesse des Arbeitnehmers geschaffene Sozialversicherung soll nicht mit der sozial unerwünschten und den Gesetzeszweck beeinträchtigenden Begleiterscheinung der drückenden Beitragslast und der Beitragsverschuldung des Arbeitnehmers sowie der daraus sich ergebenden Klage-, Vollstreckungs- und sonstigen Druckmöglichkeiten des Arbeitgebers verbunden sein (BAG, Urteil v. 1.2.2006, 5 AZR 395/05; LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 21.7.2015, 2 Sa 140/14; LAG Düsseldorf, Urteil v. 16.12.2009, 7 Sa 1281/08).
2 Rechtspraxis
2.1 Anspruch des Arbeitgebers auf Einbehalt des Arbeitnehmeranteils (Satz 1 und Satz 2)
Rz. 5
Der Arbeitgeber hat den Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die Einzugsstelle zu zahlen (vgl. § 28e). Schuldner der Beiträge zur Sozialversicherung ist insofern ausschließlich der Arbeitgeber (BSG, Beschluss v. 30.3.2004,B 4 RA 24/02 R; BSG, Urteil v. 29.6.2000, B 4 RA 57/98 R; BGH, Urteil v. 16.5.2000, VI ZR 90/99). Er schuldet den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§ 28d) allein als originär eigene Schuld gegenüber der Einzugstelle (BSG, Urteil v. 29.6.2000, B 4 RA 57/98 R; BSG, Urteil v. 22.9.1988, 12 RK 36/86; BFH, Urteil v. 15.6.2023, VI R 27/20; BGH, Urteil v. 16.5.2000, VI ZR 90/99; vgl. auch BAG, Urteil v. 30.4.2008, 5 AZR 725/07; OLG Hamm, Urteil v. 8.4.2022, 25 U 42/20). Ihm steht gegen den Arbeitnehmer der Anspruch nach § 28g zwecks Ausgleich seiner Verpflichtung zu, den vollen Sozialversicherungsbeitrag zu zahlen (BAG, Beschluss v. 7.3.2001, GS 1/00). Die Einzugsstelle (§ 28e) erscheint nach außen – gegenüber dem Arbeitgeber in seiner Eigenschaft als Beitragsschuldner – als Inhaberin der Forderung (BSG, Urteil v. 29.6.2000. B 4 RA 57/98 R; BAG, Urteil v. 29.3.2001, 6 AZR 653/99). Zusammenfassend: Nach § 28e Abs. 1 Satz 1 hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen; den vom Beschäftigten zu tragenden Teil darf er nach § 28g Satz 2 zwar auf diesen abwälzen; nachgeholt werden darf dieser Abzug vom Arbeitsentgelt aber nur bei den nächsten 3 Lohn- und Gehaltszahlungen (§ 28g Satz 3).
Rz. 6
Der einzelne Arbeitnehmer hat für den Beitrag selbst dann nicht aufzukommen, wenn sein Arbeitgeber die Zahlungsverpflichtung nicht erfüllt (BGH, Urteil v. 16.5.2000, VI ZR 90/99). Dies gilt insbesondere nach der Ergänzung des § 28e Abs. 1 um Satz 2, denn der vom Arbeitnehmer zu tragende Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags gilt als aus dem Vermögen des Arbeitnehmers erbracht. Dieser Teil steht nicht zur Disposition des Arbeitgebers. Das Lohnabzugsverfahren ermöglicht dem Arbeitgeber lediglich, vom Arbeitnehmer den auf diesen entfallenden Teil der Sozialversicherungsbeiträge wiederzuerlangen.
Rz. 7
Für das arbeitsrechtliche Verhältnis zwischen dem beitragszahle...