0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift wurde durch Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Einordnung der Vorschriften über die Meldepflichten des Arbeitgebers in der Kranken- und Rentenversicherung sowie im Arbeitsförderungsrecht und über den Einzug des Gesamtsozialversicherungsbeitrags in das Vierte Buch Sozialgesetzbuch v. 20.12.1988 (BGBl. I S. 2330) in das SGB IV eingefügt. Die Rechtsänderung trat zum 1.1.1989 in Kraft (Art. 19 Abs. 1).
Rz. 2
Art 2 Nr. 8 des Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze v. 15.12.1995 (BGBl. I S. 1824) ersetzte in Abs. 1 die Worte "§ 28e Abs. 1" durch die Worte "§ 28e Abs. 1 Satz 1".
Rz. 3
Zum 12.11.2009 wurde das SGB IV neu bekannt gemacht (BGBl. I S. 3710). Dabei wurde in den Abs. 1 und 2 jeweils das Wort "Abs." durch das Wort "Absatz" ersetzt.
1 Allgemeines
Rz. 4
Die vom Deutschen Bundestag erlassenen Gesetze gelten im Allgemeinen für die Bundesrepublik Deutschland. Trotzdem bedarf es für Sonderfälle hinsichtlich der Entrichtung der Beiträge auch Sonderregelungen, die in dieser Vorschrift zusammengefasst sind.
2 Rechtspraxis
2.1 Zahlung der Beiträge für Beschäftigte exterritorialer Arbeitgeber (Abs. 1)
Rz. 5
Die Vorschrift erfasst Arbeitgeber, die nach den §§ 18 bis 20 GVG nicht der inländischen Gerichtsbarkeit unterliegen. Beschäftigte haben den Gesamtsozialversicherungsbeitrag nach § 28m Abs. 1 in den Fällen zu zahlen, in denen eine internationale Zuständigkeit der Gerichte in der Bundesrepublik Deutschland für Aktivklagen gegen den Arbeitgeber fehlt.
Rz. 6
Auch für Beschäftigte ausländischer Staaten und über- oder zwischenstaatlicher Organisationen in der Bundesrepublik Deutschland hat grundsätzlich der ausländische Staat (die Botschaft, das Konsulat, die Gesandtschaft) als Arbeitgeber die Gesamtsozialversicherungsbeiträge (§ 28d) an die Einzugsstelle unmittelbar abzuführen (vgl. § 28e Abs. 1). Dies ergibt sich u. a. aus dem Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen und konsularische Beziehungen. Der Bundestag hat jeweils dem Gesetz zu dem Wiener Übereinkommen vom 24.4.1963 über konsularische Beziehungen v. 26.8.1969 (BGBl. II S. 1585) sowie dem Gesetz zu dem Wiener Übereinkommen vom 18.4.1961 über diplomatische Beziehungen v. 6.8.1964 (BGBl. II S. 957) zugestimmt. Diese Vereinbarungen schreiben – mit Ausnahme bestimmter Personenkreise (insbesondere der Diplomaten und ihrer zum Haushalt gehörenden Familienmitglieder) – die Beachtung der in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Vorschriften über die soziale Sicherheit vor. Das folgt neben den geltenden Sozialversicherungsabkommen (z. B. Abkommen zwischen dem Staat Israel und der Bundesrepublik Deutschland über soziale Sicherheit v. 17.12.1973, dazu auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 11.1.2024, L 14 KR 139/22; Revision anhängig zu B 12 KR 4/24 R <Stand 27.11.2024)) auch aus der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71, die zum 1.5.2010 durch die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 i. V. m. der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 abgelöst wurde.
Rz. 7
Eine nicht der inländischen Gerichtsbarkeit unterstehende Person ist eine exterritoriale natürliche oder juristische Person. Das ergibt sich aus der auf §§ 18 bis 20 GVG verweisenden Gesetzesbegründung (BT-Drs. 11/2221 S. 26). Dabei handelt es sich um Mitglieder diplomatischer Missionen, ihre Familienmitglieder und ihre privaten Hausangestellten (§ 18 GVG), Mitglieder der im Geltungsbereich dieses Gesetzes errichteten konsularischen Vertretungen, einschließlich der Wahlkonsularbeamten (§ 19 GVG) und Repräsentanten anderer Staaten und deren Begleitung (§ 20 GVG).
Rz. 8
Im Ergebnis unterfallen der Vorschrift alle Arbeitgeber, bei denen für Aktivklagen eine internationale Zuständigkeit in Deutschland fehlt, denn die Vorschrift verfolgt den Zweck, durch Anordnung einer Zahlungspflicht des Arbeitnehmers sicherzustellen, dass der Leistungspflicht der Sozialversicherungsträger eine Beitragszahlung auch dann gegenübersteht, wenn eine zwangsweise Durchsetzung der Beitragspflichten gegenüber dem Arbeitgeber nicht möglich ist (BT-Drs. 11/2221 S. 26). Die Norm hat insoweit eine Schutzfunktion zur Sicherung von Leistungsansprüchen und eine soziale Schutzfunktion zugunsten des von Beitragszahlungen abhängigen Beschäftigten (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 11.1.2024, L 14 KR 139/22; Revision anhängig zu B 12 KR 4/24 R <Stand 27.11.2024>).
Rz. 9
Voraussetzung ist hiernach, dass der Beschäftigte (§ 7 Abs. 1 Satz 1) den nationalen Vorschriften und damit der Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung unterliegt. Nach § 9 Abs. 1 ist Beschäftigungsort der Ort, an dem die Beschäftigung tatsächlich ausgeübt wird. Die Erbringung der Arbeitsleistung erfolgte auch dann im Inland, wenn der Arbeitserfolg elektronisch im Ausland eintritt (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 11.1.2024, L 14 KR 139/22; Revision anhängig zu B 12 KR 4/24 R).
Rz. 10
Sodann muss der Arbeitgeber die ihm obliegende Zahlungspflicht (§ 28e Abs. 1 Satz 1) nicht erfüllt haben. Nach § 28d Abs. 1 Satz 1 und 2 werden die Beiträge in der gesetzlichen Kranken-, der sozialen Pflege- und der gesetzlichen Rentenversicherung für ...