Rz. 2
Die Voraussetzungen der Schadensersatzpflicht der Einzugsstelle regelt Abs. 1. Eine schuldhafte Pflichtverletzung i. S. d. Abs. 1 liegt bei vorsätzlichem oder fahrlässigem Handeln vor. Die Schadensersatzpflicht trifft unmittelbar die Krankenkasse als Einzugsstelle der Gesamtsozialversicherungsbeiträge und damit die Körperschaft des öffentlichen Rechts, auch wenn der Schaden durch eine Pflichtverletzung eines Organs oder eines Bediensteten verursacht wurde.
Die Einzugsstelle hat die ordnungsgemäße Abgabe der Meldungen, die rechtzeitige Zahlung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge sowie den Eingang der Beitragsnachweise zu überwachen. Die Beschränkung der Schadensersatzpflicht der Einzugsstelle auf schuldhafte Verletzung der ihr auferlegten Pflichten erfasst daher auch die Verpflichtung der Einzugsstelle aus mit diesen Pflichten zusammenhängenden Aufgaben z. B. aus § 76 Abs. 3. Danach entscheidet die Einzugsstelle über die Stundung, Niederschlagung und den Erlass von Beitragsansprüchen. Soweit bei diesen Aufgaben eine Verfahrensverletzung eintritt, kann diese eine Schadensersatzpflicht der Einzugsstelle auslösen. Eine weitere Schadensersatzpflicht der Einzugsstelle kann sich aus einer unterlassenen Vollstreckungsmaßnahme nach § 28h Abs. 1 Satz 3 gegen einen Beitragsschuldner ergeben, obgleich die Vollstreckungsmaßnahme nach Lage des Falles hätte vorgenommen werden müssen. Die gilt entsprechend gegenüber den Trägern der Unfallversicherung für die Prüfung durch die Rentenversicherungsträger.
Als Schadensersatz ist der Vermögensschaden zu ersetzen, der durch schuldhaftes oder pflichtwidriges Handeln der Einzugsstelle dem Träger der sozialen Pflegeversicherung, dem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, der Bundesagentur für Arbeit sowie dem Gesundheitsfonds entstanden sind. Schuldhaftes Handeln wird z. B. dann angenommen, wenn die Einzugsstelle die fälligen Beiträge nicht oder nicht rechtzeitig eingezogen hat. Der Schadensersatz umfasst dann sowohl die nicht eingezogenen Beiträge als auch den durch den verspäteten Einzug der Beiträge entstandenen Zinsverlust. Der Zinsschadensersatz ist allerdings nach Abs. 1 Satz 2 auf die in Abs. 2 bestimmte Höhe beschränkt.
Seitdem die Einzugsstellen verpflichtet sind, für nicht bis zum Fälligkeitstag eingegangene Beiträge Säumniszuschläge zu erheben (vgl. § 25), haben sie den Fremdversicherungsträgern und dem Gesundheitsfonds auch Schadensersatz für etwaige nicht erhobene Säumniszuschläge zu leisten. Der Schaden besteht in Höhe der nicht eingezogenen – anteiligen – Säumniszuschläge, weil bei ordnungsgemäßem Handeln die anderen Versicherungsträger und der Gesundheitsfonds die anteiligen Säumniszuschläge erhalten hätten.
Die Einzugsstelle hat nach dem Urteil des LSG Berlin v. 1.6.1994 (L 9 Kr 98/93, Die Beiträge 1994 S. 525) jeden Grad der Fahrlässigkeit zu vertreten. Für den Schadensersatz gilt die 4-jährige Verjährungsfrist.
Wie schwierig die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen eine Krankenkasse ist, zeigt ein Fall, in dem eine Firma, für die eine AOK Einzugsstelle war, von 1980 bis 1985 an Aushilfskräfte etwa 1,8 Mio. DM an Löhnen gezahlt hatte, ohne Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge abzuführen. Die steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Verhältnisse waren im Einzelnen nicht aufzuklären. Aufgrund einer Prüfung durch die Steuerfahndungsstelle wurden 80 % der Lohnsumme der Lohnsteuer unterworfen; die Lohnsteuer wurde von der Firma gezahlt. Im Anschluss daran kündigte die AOK der Firma den Erlass eines Summenbeitragsbescheides über 554.885,91 DM an. Sie erließ den Bescheid jedoch nicht, sondern verglich sich mit der Firma dahin, dass für die Zeit von 1980 bis 1988 zusammen 70.000,00 DM an Beiträgen zu entrichten waren, die auch gezahlt wurden. Als die zuständige Landesversicherungsanstalt (LVA) bei einer Einzugsstellenprüfung hiervon erfuhr, verlangte sie von der AOK den Erlass des Summenbescheides gegen die Firma. Die AOK erließ den Summenbescheid über 554.885,91 DM. Dagegen klagte die Firma und hatte vor dem SG und LSG Ende 1993 rechtskräftig Erfolg, weil die durch Bescheid bestätigte Einigung mit der Firma auf 70.000,00 DM bindend sei. Nunmehr verklagte die LVA die AOK als Einzugsstelle auf Schadensersatz nach § 28r Abs. 1 Satz 1 i. H. v. 281.430,35 DM, weil sie in dieser Höhe den Einzug von Beiträgen zur Arbeiterrentenversicherung pflichtwidrig unterlassen habe.
Das BSG hat mit Urteil v. 30.3.2000 (B 12 KR 15/99 R) die Sache an das LSG zurückverwiesen. Das BSG ist dem LSG darin gefolgt, dass der Schadensersatzanspruch der LVA grundsätzlich entsprechend § 25 Abs. 1 Satz in 4 Jahren verjährt. Er verjährt jedoch ausnahmsweise entsprechend § 25 Abs. 1 Satz 2 in 30 Jahren, wenn die Einzugsstelle den Schaden vorsätzlich verursacht hat, wozu bedingter Vorsatz genügt. Dazu, ob ein solches Verschulden vorlag, hatte das LSG bisher keine Feststellungen getroffen. Dazu wurde die Sache zurückverwiesen.
Hinsichtlich des Schadensersatzes wegen entgangener Zi...