2.1 Voraussetzungen der Ausstrahlung
Rz. 10
Die Grundvoraussetzungen der Ausstrahlungswirkung des inländischen Sozialversicherungsrechts auf eine vorübergehende Beschäftigung des Arbeitnehmers im Ausland sind ausweislich des Normtextes des § 4:
- Beschäftigungsverhältnis/selbständige Tätigkeit,
- im Geltungsbereich des SGB,
- Entsendung,
- im Rahmen,
- zeitliche Begrenzung.
Ist eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt, liegt keine Ausstrahlung i. S. v. § 4 vor (AusEinstrRL Ziff. 3).
2.1.1 Beschäftigungsverhältnis im Geltungsbereich des SGB
Rz. 11
Nach Sinn und Zweck der Bestimmung muss die Beschäftigung einen Inlandsbezug aufweisen, der durch die Entsendung lediglich durchbrochen wird. Wesentlich ist sonach die fortdauernde Integration des Beschäftigten in das inländische Arbeitsleben. Die Konturen im Einzelnen sind unscharf. Die Abgrenzungsmerkmale greifen ineinander, so dass sie sich im Folgenden partiell wiederholen. Dennoch lassen sich als Indikatoren ausmachen:
2.1.1.1 Im Geltungsbereich
Rz. 12
Ein Beschäftigungsverhältnis im Geltungsbereich des SGB liegt vor, wenn der Versicherte für ein deutsches oder ausländisches Unternehmen im Inland tätig ist. Im Gesetz wird nicht näher umschrieben, welche Merkmale für ein Beschäftigungsverhältnis maßgebend sein sollen. In der Begründung des Gesetzentwurfs ist dazu lediglich angegeben, dass für die Zuordnung des Beschäftigungsverhältnisses maßgebend ist, wo "der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Merkmale des Beschäftigungsverhältnisses (...) liegt" (BT-Drs. 7/4122 S 30 zu § 4). Der Schwerpunkt muss in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht im Inland liegen (BSG, Urteil v. 5.12.2006, B 11a AL 3/06 R, SozR 4-2400 § 4 Nr. 1 m. w. N.; Urteil v. 4.5.1994, 11 RAr 55/93). Insoweit gilt, dass der Schwerpunkt des Beschäftigungsverhältnisses bei Ausstrahlung (und Einstrahlung) unabhängig davon, mit wem der Arbeitsvertrag geschlossen ist, regelmäßig bei dem Betrieb liegen wird, bei dem über die Arbeitsleistung hinaus wesentliche Elemente des Beschäftigungsverhältnisses erfüllt werden. Für die Zuordnung eines Beschäftigungsverhältnisses zu einem bestimmten Betrieb sind dabei einerseits die Eingliederung des Beschäftigten in diesen Betrieb und andererseits die Zahlung des Arbeitsentgelts durch den Betrieb entscheidend (BSG, Urteil v. 7.11.1996, 12 RK 79/94, SozR 3-2400 § 5 Nr. 2). Bei einem deutschen Arzt, der auf der Grundlage einer mit einem inländischen Missionszentrum geschlossenen Vereinbarung als Chefarzt eines ausländischen Regierungskrankenhauses tätig war, wurde eine Entsendung verneint, weil der Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses nicht im Inland gelegen habe; das Missionszentrum sei weder Arbeitgeber gewesen noch habe eine persönliche Abhängigkeit des Arztes vorgelegen (BSG, Urteil v.13.8.1996, 10 RKg 28/95, SozR 3-5870 § 1 Nr. 10).
2.1.1.2 Beschäftigung
Rz. 13
Auslöser der Ausstrahlung ist eine Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinn (§ 7). Beschäftigung ist hiernach eine nichtselbständige, in persönlicher (und wirtschaftlicher) Abhängigkeit geleistete Arbeit. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind nach § 7 eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (vgl. BSG, Urteile v. 11.12.1990, 1 RR 3/89, und v. 12.12.1990, 11 RAr 73/90). Für das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses spricht insbesondere die Führung einer Personalakte und/oder die Betreuung durch die Lohnbuchhaltung des Arbeitgebers im Inland. Unterbleibt die Heranziehung zur Lohnsteuer infolge eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, so ist dies unschädlich. Als Beschäftigung gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsausbildung (§ 7 Abs. 2). Flankierend kann die Definition der "Beschäftigung" in EGVO Nr. 883/2004 Titel I Art. 1 lit. a) herangezogen werden (vgl. dazu Rz. 50 ff.). Danach ist "Beschäftigung" jede Tätigkeit oder gleichgestellte Situation, die für die Zwecke der Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird oder die gleichgestellte Situation vorliegt, als solche gilt. Demgegenüber regelt(e) die EWGVO Nr. 1408/71 in Titel I Art. 1 lit. a) dezidiert die Begrifflichkeit "Arbeitnehmer". Zur relativen Fortgeltung der EWGVO Nr. 1408/71 vgl. Rz. 40 f.
Rz. 14
Mangels eines Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnisses zwischen Träger und Entwicklungshelfer handelt es sich bei dessen "Entsendung" in ein Entwicklungsland nicht um eine Entsendung i. S. v. § 4 Abs. 1, weil diese Bestimmung nur für Personen gilt, die im Rahmen eines im Geltungsbereich dieses Gesetzes bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in ein Gebiet außerhalb dieses Geltungsbereichs entsandt werden (BSG, Urteil v. 25.6.1991, 1/3 RK 1/90). Zu einer Entsendung kann es tatbestandlich auch dann nicht kommen, wenn ein Rentner nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben keinerlei sozialversicherungsrechtlich erheblicher Beschäftigung nachgeht (BSG, Urteil v. 22.4.2009, B 3 P 13/07 R, NZS 2010 S. 218). Die hieraus resultierende Frage danach, ob es mit den Regelungen des primären und/oder sekun...