2.3.1.1 Historie
Rz. 38
Auf Gemeinschafts- und nunmehr Unionsebene wird seit jeher versucht, die Systeme der sozialen Sicherheit zu vereinheitlichen. Maßgebend war zunächst die zu diesem Zweck erlassene Verordnung (EWG) Nr. 1408/71, durch die die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit koordiniert wurden, um die Sozialversicherungsansprüche der innerhalb der Europäischen Union zu- und abwandernden Personen zu schützen. Die EWGVO 1408/71 wirkte wie ein großes Sozialversicherungsabkommen zwischen allen Mitgliedstaaten der Union und des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) sowie der Schweiz. Ziel war und ist es, dass die der VO unterfallenden Personen beim Wechsel in einen anderen Unionsstaat Krankenversicherungsschutz und Rentenansprüche nicht verlieren. Der EuGH hat dies in std. Rechtsprechung wie folgt formuliert (zitiert nach Urteil v. 10.2.2000, C-202/97, <Fitzwilliam Executive Search Ltd> Rz. 20 curia.europa.eu = Slg 2000 I-883 ff):
Zitat
"Titel II der Verordnung Nr. 1408/71, zu dem Artikel 14 gehört, bildet nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes ein vollständiges und einheitliches System von Kollisionsnormen, das bezweckt, die Arbeitnehmer, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, dem System der sozialen Sicherheit nur eines Mitgliedstaats zu unterwerfen, so daß die Kumulierung anwendbarer nationaler Rechtsvorschriften und die Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben können, vermieden werden (…)."
Die EWGVO 1408/71 wurde durch die Durchführungsverordnung (EWG) Nr. 574/72 (Konsolidierte Fassung – ABl. Nr. L 28 v. 30.1.1997, S. 1 ff.) ergänzt, in der ihre praktische Anwendung im Einzelnen geregelt wurde (zuständige nationale Behörden, Verwaltungsformalitäten usw.).
Rz. 39
Um die Regeln für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten einfacher und klarer zu gestalten, haben das Europäische Parlament und der Rat die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 verabschiedet. Sie ist seither der zentrale Bezugspunkt für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit der Uniosstaaten. Durch die EGVO 883/2004 wurden die EWGVO 1408/71 und EWGVO 574/72 zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Durchführungsverordnung aufgehoben. Außerdem wurden die Anhänge der EWGVO 1408/71 durch die Verordnung (EG) Nr. 592/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 17. Juni 2008 hinsichtlich der Durchführung von Maßnahmen abgeändert, um die Entwicklung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften zu berücksichtigen. Hintergrund der Rechtsänderung war, dass die EWGVO 1408/71 infolge von Urteilen des Gerichtshofs der Europäischen Union (zu dessen Struktur vgl. Art. 19 EUV) und einer Reihe von Änderungen der nationalen Rechtsvorschriften mehrfach aktualisiert werden musste und die Koordinierungsregeln zunehmend komplex, umfangreich und unübersichtlich wurden. Deswegen und um einen freien Personenverkehrs zu gewährleisten, wurde die EWGVO 1408/71 durch die EGVO 883/2004 ersetzt (vgl. Erwägung (3) der EGVO 883/2004). Die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 blieb jedoch in Kraft und behielt ihre Rechtswirkung für folgende Zwecke weiter (Erwägung (44) der EGVO 883/2004):
- Verordnung (EG) Nr. 859/2003 des Rates v. 14.5.2003 in Bezug auf Drittstaatsangehörige, die ausschließlich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nicht bereits unter diese Bestimmungen fallen (Abl. Nr. L 124 v. 20/05/2003 S. 1);
- Verordnung (EWG) Nr. 1661/85 des Rates v. 13.6.1985 zur Festlegung der technischen Anpassung der Gemeinschaftsregelung auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit der Wanderarbeitnehmer in Bezug auf Grönland;
- Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit und weitere Abkommen, die sich auf die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 beziehen;
- Richtlinie 98/49/EG des Rates v. 29.6.1998 zur Wahrung ergänzender Rentenansprüche von Arbeitnehmern und Selbständigen, die innerhalb der Europäischen Gemeinschaft zu- und abwandern (Abl. Nr. L 209 v. 25/07/1998 S. 46).
Rz. 40
Das seither maßgebende Unionsrecht wird nunmehr u. a. bestimmt durch:
- Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates v. 14.6.1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (Abl. L 149 v. 5.7.1971 S. 2):
Verordnung (EG) Nr. 883/2004 (sog. Grundverordnung) des Europäischen Parlaments und des Rates v. 29.4.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (EGV 883/2004, veröffentlicht: ABl. L 166 v. 30.4.2004, S. 1). Derzeit maßgebend ist die konsolidierte Fassung der EGV 883/2004 i. d. F. der
- Verordnung (EG) Nr. 988/2009 (Abl. L 284/43 v. 30.10.2009),
- Verordnung der Kommission (EU) Nr. 1244/2010 (Abl. L. 338/35 v. 22.12.2010),
- Verordnung (EU) Nr. 465/2012 (Abl. L 149/04 v. 8.6.2012),
- Verordnung (EU) Nr. 1224/2012 (Abl. L 349/45 v. 19.12.2012),
- Verordnung (EU) Nr. 517/2013 (ABl. Nr. L 158 S. 11 v. 3.5.2013),
- Verordnung (EU) ...