2.1 Ehrenamt
Rz. 2
Die in Abs. 1 Satz 1 genannten Personen sind ehrenamtlich tätig. Eine ehrenamtliche Tätigkeit stellt jede unentgeltliche und weisungsfreie Mitwirkung bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dar, die aufgrund behördlicher Bestellung außerhalb eines haupt- oder nebenamtlichen Dienstverhältnisses stattfindet (BT-Drs. 7/910 S. 93). Daraus ergibt sich, dass die Ausübung eines Ehrenamtes nicht zur Begründung eines Dienstverhältnisses führt. Es handelt sich dabei aber um ein Amtsverhältnis i. S. v. § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB mit allen strafrechtlichen Konsequenzen. Ferner gelten für ehrenamtlich Tätige auch die Strafvorschriften für Straftaten im Amt (§§ 331 ff. StGB), Verletzung des Dienstgeheimnisses (§ 335b StGB), Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203 StGB) sowie Verwertung fremder Geheimnisse (§ 204 StGB). Gemäß § 35 SGB I i. V. m. §§ 67 ff. SGB X hat der ehrenamtlich Tätige das Sozialgeheimnis zu wahren.
Rz. 3
Die Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane sind weisungsfrei und nur ihrem Gewissen verpflichtet. Er ist aber wohl – wie die Organe und Mitarbeiter des Versicherungsträgers – an das Gesetz und die sonstigen den Versicherungsträger bindenden Normen gebunden. Für die Versichertenältesten und Vertrauenspersonen gilt dies ebenfalls, jedoch haben sie im Interesse der Rechtssicherheit die Geschäftsanweisungen der Versicherungsträger zu beachten.
2.2 Rechte und Pflichten
Rz. 4
Das SGB IV regelt nicht, ob die Übernahme des Ehrenamtes abgelehnt werden kann. Es wird ebenso nicht kodifiziert, dass eine Pflicht zur Übernahme des Ehrenamtes besteht. Bereits daraus ist zu schließen, dass die Amtsübernahme ohne Angabe von Gründen abgelehnt werden darf. Da die Amtsübernahme auch haftungsrechtlich relevant ist (§ 42), muss die Ablehnung auch aus diesem Grunde zulässig sein.
In erster Linie sind die Rechte auf Wahrnehmung des Amtes und auf Gewährleistung einer sachgerechten Amtsausübung zu nennen. Dafür bedarf es insbesondere der Erteilung umfassender Informationen und Auskünfte, der Übermittlung von Beratungsunterlagen, der Beratung durch den Geschäftsführer bzw. den hauptamtlichen Vorstand sowie der Teilnahme an Informations- und Schulungsveranstaltungen. Mit dem Recht auf Information korrespondiert die Pflicht der ehrenamtlich Tätigen, sich über die einschlägigen Bestimmungen, ihre Auslegung, die Verwaltungspraxis sowie die möglichen wirtschaftlichen Folgen ihrer Entscheidungen zu informieren (BSGE 39 S. 54, 62). Daneben sind das in § 41 näher bestimmte Recht auf Aufwandsentschädigung und die Gewährung von Unfallversicherungsschutz anzuführen.
Rz. 5
Die Hauptpflicht ist die persönliche Erfüllung der mit dem Amt verbundenen Funktionen. Dies ist nur dann möglich, wenn der Ehrenamtsinhaber eine besondere Treuepflicht gegenüber dem Versicherungsträger hat, die ihn insbesondere verpflichtet, alle Handlungen zu unterlassen, die dem Versicherungsträger abträglich sind (Loyalität). Im Rahmen dieser Treuepflicht ist vorrangig auf die Beachtung des Sozialgeheimnisses sowie die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen hinzuweisen.
2.3 Stellvertretung
Rz. 6
In Abs. 1 Satz 2 und 3 wird klarstellend erwähnt, dass die Rechte und Pflichten auch die Stellvertreter betreffen, soweit sie die Aufgaben wahrnehmen. Stellvertreter sind die als solche in der Vorschlagsliste benannten und verfügbaren Personen (§ 43 Abs. 2 Satz 2). Da ein stellvertretendes Mitglied seine Aufgaben in der Sitzung eines Selbstverwaltungsorgans nur wahrnehmen kann, wenn es umfassend, d. h. wie ein ordentliches Mitglied informiert ist, ist es zwingend erforderlich, dass es über die Arbeit des Selbstverwaltungsorgans auch außerhalb des Vertretungsfalls – etwa durch Übersendung aller Sitzungsunterlagen – uneingeschränkt informiert ist (a. A. Maier, in: KassKomm. SGB IV, § 40 Rz. 4). Eine Informationseinschränkung ist auch aus Geheimhaltungsgesichtspunkten nicht notwendig, da das stellvertretende Mitglied in gleichem Maße wie das ordentliche Mitglied zur Geheimhaltung verpflichtet ist.
2.4 Behinderung und Benachteiligung
Rz. 7
Das allgemeine Verbot, dass niemand in der Übernahme oder Ausübung eines Ehrenamtes behindert oder deswegen benachteiligt werden darf, richtet sich gegen jedermann, nicht nur gegen den Arbeitgeber. Es besteht ein grundsätzliches Recht des Ehrenamtsinhabers, zur Ausübung der ehrenamtlichen Tätigkeit von der Arbeit freigestellt zu werden. Jedoch wird der Ehrenamtsinhaber nicht davon entbunden, im Einzelfall die Notwendigkeit und Bedeutung seiner ehrenamtlichen Tätigkeit und die betrieblichen Erfordernisse gegeneinander abzuwägen. Abs. 2 Satz 2 schafft einen ausdrücklichen gesetzlichen Freistellungsanspruch für die Zeit der Kollision von Ehrenamtstätigkeit und Arbeitsverpflichtung. Der Anspruch wurde bereits auch schon vorher aus dem früheren Abs. 2 (Benachteiligungsverbot) abgeleitet. Die ausdrückliche gesetzliche Freistellungsregelung dient der Rechtssicherheit und stärkt das Ehrenamt in der Selbstverwaltung. Die Freistellung der Selbstverwaltungsmitglieder kann nur in Ausnahmefällen ("dringende Gründe") abgelehnt wer...