2.1 Amtspflichtverletzung gegenüber Dritten
Rz. 2
Die Vorschrift stellt ausdrücklich klar, dass sich die Haftung der Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane, der Versichertenältesten und der Vertrauenspersonen bei einer ihnen gegenüber einem Dritten obliegenden Amtspflicht genau wie diejenige der Bediensteten des Versicherungsträgers nach den grundlegenden Haftungsvorschriften bei hoheitlicher Tätigkeit, nämlich § 839 BGB und Art. 34 GG, richtet. Amtspflichten sind jede sich aus Gesetz, Satzung, Verwaltungsvorschriften oder dienstlichen Weisungen ergebenden Verpflichtungen. Gemäß Art. 34 GG haftet der Staat (die Körperschaft) für jeden, der in Ausübung hoheitlicher Verwaltung handelt. Demgegenüber gilt die Haftungsnorm des § 839 BGB nur für Beamte im eigentlichen Sinne. Durch die Verweisung auf Art. 34 GG, § 839 BGB wird festgelegt, dass der Versicherungsträger für die Pflichtverletzungen seiner Selbstverwaltungsorganmitglieder, Versichertenältesten und Vertrauenspersonen haftet. Für die Anforderungen an das Verschulden gelten die Grundsätze der Deliktshaftung. Die Haftung aus § 839 BGB, Art. 34 GG gilt jedoch nur bei einer öffentlich-rechtlichen Tätigkeit der genannten Personen. Der Schadensersatzanspruch ist allein auf Geldersatz gerichtet und vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen (Art. 34 GG). Dabei stellt sich die Frage, wo das schuldhafte Handeln beginnt. Eine irrtümliche Rechtsanwendung allein führt nicht zur Haftung. Das gilt selbst für die Haftung eines hauptberuflichen Rechtsanwenders. Die Grenze zur fahrlässigen Rechtsanwendung ist dann erreicht, wenn in einem so hohen Maße fehlerhaft gehandelt wird, dass das Verhalten mit den an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen schlechterdings nicht vereinbar ist (BGH, Urteil v. 17.1.1952, IV ZR 167/50). Soweit die Haftung aus einem fiskalischen Handeln der genannten Personen hergeleitet wird, gelten allein die bürgerlich rechtlichen Vorschriften über Schadensersatz, wobei sich die Ersatzpflicht des Versicherungsträgers bei Vertragsverletzungen aus § 278 BGB sowie bei unerlaubten Handlungen aus §§ 89, 31 BGB ergibt.
2.2 Pflichtverletzung gegenüber dem Versicherungsträger
Rz. 3
Bei Schäden, die dem Versicherungsträger aus einer Pflichtverletzung der Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane, Versichertenältesten oder Vertrauenspersonen entstehen, ist die Haftung des Amtsinhabers gegenüber dem Versicherungsträger auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt. Die Pflichten ergeben sich aus Gesetz, Satzung und Einzelanweisung. Über Art und Umfang ihrer Pflichten haben sich die Mitglieder zu informieren. Diese Regelung entspricht Art. 34 Satz 2 GG, wonach der Rückgriff auf den einzelnen Amtsinhaber nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit möglich ist. Zwischen der Pflichtverletzung und dem Schaden muss ein Kausalzusammenhang bestehen. Bei der Schadensfeststellung gelten die Grundsätze des bürgerlichen Rechts, insbesondere die sog. Differenztheorie (BGH, Urteil v. 29.4.1958, VI ZR 82/57).
Amtspflichtsverletzungen gegenüber Dritten können insbesondere in Zuständigkeitsüberschreitungen, Ermessensmissbrauch, unerlaubten Handlungen sowie Verletzungen der Auskunfts-, Aufklärungs- und Beratungspflichten bestehen. Besonders zu beachten ist, dass eine Amtspflichtsverletzung auch dann vorliegt, wenn gegen die Vorschriften des Sozialgeheimnisses verstoßen wird. Der Versicherungsträger kann seine Schadensersatzansprüche gegen ein Mitglied eines Selbstverwaltungsorgans vor dem Sozialgericht geltend machen (BSG, Urteil v. 23.11.1971, 7/2 RU 206/69). Soweit mehrere Organmitglieder an der Schadensentstehung mitgewirkt haben, haften sie jedoch nicht gesamtschuldnerisch (BSG, Urteil v. 19.12.1974, 8/7 RKg 3/74).
2.3 Forderungsverzicht
Rz. 4
Aufgrund der Regelung in Abs. 3 ist es dem Versicherungsträger untersagt, im Voraus auf den Ersatz eines noch nicht entstandenen Schadens zu verzichten. Soweit der Schaden bereits eingetreten ist, entscheidet der Vorstand über einen Forderungsverzicht gegenüber den betroffenen Personen. Lediglich soweit es sich um eine Pflichtverletzung eines Vorstandsmitgliedes handelt, hat die Vertreterversammlung (bzw. der Verwaltungsrat) über den Forderungsverzicht zu entscheiden. Zu den Möglichkeiten der Haftungsbeschränkungen vgl. Schüller, NZS 2006 S. 192. In jedem Fall aber hat die Aufsichtsbehörde eine derartige Verzichtserklärung zu genehmigen. Zulässig ist jedoch der Abschluss einer Vermögensschadenhaftpflichtversicherung des Versicherungsträgers, wenn dadurch keine zusätzlichen finanziellen Belastungen (z. B. Zusatzprämien) entstehen.
Soweit die Aufsichtsbehörde die Genehmigung ablehnt, kann dieser Verwaltungsakt vom Versicherungsträger angefochten werden. Zuständig für derartige Rechtsstreitigkeiten sind die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit.
2.4 Verjährung
Rz. 5
Die Verjährung des Anspruches des Versicherungsträgers gegen ein Organmitglied tritt gemäß § 199 BGB 3 Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres ein, in dem der Versicherungsträger Kenntnis erlangt hat; unabhängig davon nach 10 Jahren ab der Entstehung des Anspruchs.