2.1 Allgemeines zum Beitragsanteil des Arbeitgebers bei versicherungsfrei Beschäftigten nach Abs. 1 und (bis 31.12.2011) Abs. 2
Rz. 3
Parallelvorschrift für die Arbeitslosenversicherung ist § 346 Abs. 3 Satz 1 SGB III.
Vorgängervorschriften waren § 1386 RVO, § 113 AVG und § 130 Abs. 7 RKG.
Für die in § 172 Abs. 1 genannten versicherungsfreien Beschäftigten hat der Arbeitgeber die Hälfte des Beitrags zu tragen, der zu zahlen wäre, wenn die Beschäftigten versicherungspflichtig wären.
Ausgenommen von dieser Regelung sind die von der Versicherungspflicht befreiten bzw. versicherungsfrei geringfügig Beschäftigten, für die in Abs. 3 eine besondere Regelung getroffen worden ist, und gemäß Abs. 1 Satz 2 die Beschäftigten nach § 1 Satz 1 Nr. 2 (behinderte Menschen). Die Entrichtung eines Arbeitgeberanteils für behinderte Menschen, die in einer Werkstatt für behinderte Menschen oder einer anderen in § 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Einrichtung beschäftigt sind, entspräche nämlich nicht dem Sinn und Zweck der Vorschrift.
In der knappschaftlichen Rentenversicherung ist statt der Hälfte des Beitrags der auf den Arbeitgeber entfallende Beitragsanteil zu zahlen. Hierdurch wird dem höheren Beitragssatz in der knappschaftlichen Rentenversicherung Rechnung getragen (vgl. auch § 168 Abs. 3).
Rz. 4
Der vom Arbeitgeber (nach Abs. 1) zu tragende (fiktive) Beitragsanteil führt nicht zu einer Erhöhung der Leistungsansprüche des einzelnen Beschäftigten. Dies entspricht der früheren Regelung des § 112 AVG, die das BVerfG als verfassungsgemäß angesehen hat (vgl. BVerfG, Urteil v. 16.10.1962, 2 BvL 27/60). § 172 Abs. 1 ist verfassungsgemäß (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 22.5.2003, L 5 KR 147/02; SG Duisburg, Urteil v. 3.6.2005, S 29 RA 77/04; Neidert, in: GK-SGB VI, § 172 Rz. 19). Es handelt sich nach der Rechtsprechung insbesondere trotz der arbeitsmarktpolitischen Zielsetzung nicht um (steuerrechtliche) Abgaben, sondern um Beiträge im sozialversicherungsrechtlichen Sinne (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 22.5.2003, L 5 KR 147/02; BFH, Urteil v. 14.12.2005, XI R 25/04; vgl. zur krankenversicherungsrechtlichen Parallelvorschrift § 249 b Satz 1 SGB V auch BSG, Urteil v. 25.1.2006, B 12 KR 27/04 R; kritisch dazu Knospe, SGb 2007, 8, 15).
Im Einzelnen betroffen sind die Arbeitgeber folgender Personengruppen:
2.2 Bezieher einer Vollrente wegen Alters
Rz. 5
Für die Bezieher einer Vollrente wegen Alters, die allein gemäß § 5 Abs. 4 Nr. 1 versicherungsfrei sind, hat der Arbeitgeber den Beitragsanteil nach § 172 Abs. 1 zu tragen. Seit dem 1.1.2017 tritt nach § 5 Abs. 4 Nr. 1 Versicherungsfreiheit wegen des Bezugs einer Vollrente erst nach Ablauf des Monats des Erreichens der Regelaltersgrenze ein, sodass seitdem der Arbeitgeberpauschalbeitrag nach Abs. 1 auch erst ab diesem Zeitpunkt zu zahlen ist (vgl. BT-Drs. 18/9787 S. 45). Gemäß § 230 Abs. 9 Satz 1 blieben jedoch Beschäftigte, die am 31.12.2016 wegen des Bezuges einer Vollrente wegen Alters (auch vor Erreichen der Regelaltersgrenze) nach dem zu diesem Zeitpunkt geltenden Recht versicherungsfrei waren, weiterhin in der Rentenversicherung versicherungsfrei. Auf die Rentenversicherungsfreiheit kann gemäß § 230 Abs. 9 Satz 2 bis 4 durch bindende Erklärung des Versicherten für die Zukunft verzichtet werden. Die gemäß § 172 zu zahlenden Beiträge werden nicht dem Versicherungskonto des Altersrentners zugeordnet, Entgeltpunkte für die Zeit nach Beginn einer Altersvollrente werden nicht ermittelt (§ 75 Abs. 1). Das ist verfassungsgemäß (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 16.6.2015, L 9 R 4276/12). Wer dagegen die Altersrente nur als Teilrente in Anspruch nimmt, ist in der ausgeübten Beschäftigung grundsätzlich versicherungspflichtig. § 172 greift in diesem Fall nicht ein, es sind Beiträge nach der allgemeinen Regelung zu tragen (§ 168). Die bei Teilrentenbezug entrichteten Beiträge wirken sich auf die Höhe einer später bezogenen Vollrente aus.
2.3 Versorgungsbezieher
Rz. 6
Dieser Personenkreis ergibt sich zunächst aus § 5 Abs. 4 Nr. 2. Es handelt sich um die Bezieher einer Altersversorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen. Hierzu zählen auch Soldaten nach §§ 44, 45 SoldatenG. Betroffen sind daneben auch die Bezieher einer Versorgung wegen Dienstunfähigkeit, die vor dem 1.1.1992 versicherungsfrei waren und dies auch nach dem 1.1.1992 geblieben sind (§ 230), sowie die Personen, die sich vor dem 1.1.1992 von der Versicherungspflicht haben befreien lassen und deren Befreiung weiter Geltung hat (§ 231), schließlich auch die Personen, die sich gemäß § 231 Abs. 3 nach dem 31.12.1991 haben befreien lassen.
2.4 Beschäftigte nach Erreichen der Regelaltersgrenze oder nach Beitragserstattung (Abs. 1 Nr. 3 und 4)
Rz. 7
Nach § 5 Abs. 4 Nr. 3 1. Alternative sind in der gesetzlichen Rentenversicherung Personen, die bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (§ 35 Satz 2: Vollendung des 67. Lebensjahres; vgl. auch § 235 Abs. 2 Satz 2: stufenweise Anhebung der Regelaltersgrenze von 65 Lebensjahren auf 67 Lebensjahre für Versicherte der Geburtsjahrgänge 1947 bis 1963) nicht versicherungspflichtig oder freiwillig versichert waren, bei Aufnahme einer Beschäftigung nach Erreichen der Regelaltersgrenze versicherungsfrei. Auch für sie hat de...