Rz. 8
Anspruch auf Übergangsgeld haben Versicherte, die vom Rentenversicherungsträger Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten (§ 20 Abs. 1 Nr. 1). Gemeint sind damit die ganztägig ambulanten und medizinischen Rehabilitationsleistungen nach § 15 – auch die sog. Anschlussheilbehandlungen oder die Abhängigkeits-Entwöhnungen.
Bezüglich Art und Umfang der Leistungen verweist § 15 wiederum auf das Leistungsspektrum nach den §§ 42 bis 47 SGB IX, wobei nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 1 die Früherkennung und Frühförderung behinderter oder von Behinderung bedrohter Kinder (§ 42 Abs. 2 Nr. 2 und § 46 SGB IX) ausdrücklich ausgenommen ist. Dieser ausdrücklichen Ausnahme hätte es eigentlich im Zusammenhang mit dem Übergangsgeld nicht bedurft, weil diese Leistung sowieso nur bei Kindern vor Eintritt in die Erwerbsfähigkeit erbracht wird und damit eine weitere Voraussetzung für das Übergangsgeld – nämlich die Erzielung von Erwerbseinkommen – bei Kindern bis zu diesem Alter ohnehin nicht greifen kann.
Rz. 9
Die Erweiterte Ambulante Physiotherapie (EAP) ist eine von der gesetzlichen Unfallversicherung aufgrund der Ergebnisse der Rehabilitation von Leistungssportlern entwickelte ambulante Therapieform. Dabei wird wohnortnah eine intensivierte physiotherapeutische Behandlung durch ein muskuläres Aufbautraining unterstützt. Bei der Therapie handelt es sich um die Kombination von Behandlungselementen aus:
- Physiotherapie/Krankengymnastik,
- Medizinischer Trainingstherapie,
- Elektrotherapie,
- Hydro- und Thermotherapie,
- Mechanotherapie (z. B. manuelle Lymphdrainage und Massage) und
- Ergotherapie.
Die EAP geht also über die Leistungen einer kombinierten Heilmitteltherapie (z. B. Heilmittelkombination D1, die bei komplexen orthopädischen Schädigungsbildern möglich ist) hinaus und wird in der Praxis auch schon mal als "Light-Reha" bezeichnet. Sie ist – im Gegensatz zur medizinischen Rehabilitation – lediglich auf die Behandlung einer isolierten Funktionsstörung begrenzt. Ihr fehlt deshalb die Interdisziplinarität und Ganzheitlichkeit. Aus diesem Grund ist die EAP bisher nicht in das Leistungsspektrum der Rentenversicherung, sondern nur in dem der Unfallversicherung aufgenommen.
Umstritten ist, ob die EAP (Erweiterte Ambulante Physiotherapie) der ambulanten medizinischen Rehabilitation zuzuordnen ist und deshalb wegen dieser Maßnahme überhaupt Übergangsgeld gezahlt werden kann. In diesem Zusammenhang stellt sich deshalb die Frage, ob der Rentenversicherungsträger dem Unfallversicherungsträger gemäß § 102 ff. SGB IX das aufgrund der EAP geleistete Verletztengeld (in Form des Übergangsgeldes) zu erstatten hat, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass kein Arbeitsunfall vorgelegen hat. Diese Frage wurde vom BSG mit Urteil v. 17.2.2010 (B 1 KR 16/09 R) bejaht. Allerdings wird das Urteil nach den Beratungen in den Gremien der Kranken- und Rentenversicherung wegen der erwähnten Gründe (keine Rehabilitation im eigentlichen Sinne) und der speziellen Fallgestaltung als Einzelfallentscheidung bewertet. Da die Dauer einer EAP in der Woche 15 Stunden nicht erreicht und dem Grunde nach auch berufsbegleitend durchgeführt werden kann, ist der Anspruch auf Übergangsgeld ohnehin ausgeschlossen (vgl. Komm. unter Rz. 5).
Rz. 10
Das Übergangsgeld wird für die Zeit der Leistung zur medizinischen Rehabilitation gezahlt. Sind nach Beendigung der medizinischen Rehabilitation Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben notwendig, ist das Übergangsgeld unter den Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 SGB IX auch über die Beendigung der medizinischen Rehabilitationsleistungen hinaus fortzuzahlen.
Rz. 11
Gleiches gilt, wenn im unmittelbaren Anschluss an medizinische Rehabilitationsleistungen eine stufenweise Wiedereingliederung an dem bisherigen Arbeitsplatz notwendig wird (vgl. § 71 Abs. 5 SGB IX). Das ist dann der Fall, wenn das rentenversicherungsrechtliche Rehabilitationsziel bei Beendigung der Rehabilitationsleistung noch nicht erreicht ist – also der Versicherte die bisherige Tätigkeit nicht in vollem Umfang aufnehmen kann, weil er berufstypischen (nicht arbeitsplatzspezifischen) Anforderungen dieser Tätigkeit gesundheitlich noch nicht gewachsen ist (vgl. Urteile des BSG v. 20.10.2009, B 5 R 22/08 R und B 5 44/08 R). Im Übrigen wird auf die Komm. zu § 71 SGB IX verwiesen.
Hinsichtlich der Abgrenzung der Zahlung von Übergangsgeld bei stufenweiser Wiedereingliederung im Anschluss an eine Rehabilitationsleistung des Rentenversicherungsträgers haben die Träger der Renten- und Krankenversicherung eine "Vereinbarung zur Zuständigkeitsabgrenzung bei stufenweiser Wiedereingliederung" getroffen. Einzelheiten hierzu ergeben sich aus der Komm. zu § 44 SGB IX.